"Es gibt keine Doppelstrukturen!"

Jürgen Guse, Interims-Geschäftsführer der Regionalen Wirtschaftsförderung Schwarzwald-Baar-Heuberg, findet im econo-Interview klare Worte zur Kontroverse um den Sinn der Gesellschaft. Und er sagt, wann die neue Geschäftsführung kommt und wie es mit dem Standortmarketing weitergeht

 
Foto: Jigal Fichtner für econo
 

Herr Guse, Sie wurden als Interims-Geschäftsführer der Regionalen Wirtschaftsförderung Schwarzwald-Baar-Heuberg eingesetzt. Warum tun Sie sich das an? Nach 32 Jahren als Bürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzender der Wirtschaftsförderung könnten Sie eigentlich den Ruhestand genießen...

Jürgen Guse:
Die Stadt Bräunlingen ist Gründungsmitglied der Wirtschaftsförderung, das schafft natürlich eine starke Verbundenheit. Da wir nicht die üblichen Kündigungsfristen nach der Wahl von Frau Dorothee Eisenlohr zur Oberbürgermeisterin der Stadt Schramberg abwarten konnten, war eine pragmatische Lösung gefragt. Aus Verantwortungsgefühl für das, was wir in all den Jahren mit der Gesellschaft schon erreicht haben, habe ich die Aufgabe übernommen. Außerdem ist es kein Neuland für mich, in den Themen bin ich als Aufsichtsratsvorsitzender schon drin. Zudem ist es auch für das kompetente Team wichtig, einen Ansprechpartner zu haben.

Die neue Geschäftsführung ist ausgeschrieben - was wird denn gesucht: Ein Verwalter oder ein Macher?

Guse:
Wir suchen natürlich einen Macher oder eine Macherin mit einer starken Expertise im Bereich Standortmarketing.

War das im Gesellschafterkreis Konsens? Es gab wohl eine Kontroverse, was die Ausrichtung angeht...

Guse:
Eine gewisse Kontroverse gibt es naturgemäß immer, da das Aufgabengebiet breit gefasst ist: Neben dem Standortmarketing und dem Markenbildungsprozess soll ja auch die Wirtschaftsförderungsgesellschaft weiterentwickelt werden und das Regionale Gewerbegebiet bei Sulz am Neckar "Best Invest A81"gilt es weiter voranzutreiben. Am Ende haben wir uns auf den Schwerpunkt Standortmarketing geeinigt.

Frau Eisenlohr hat in den zweieinhalb Jahren in der Geschäftsführung einiges an Veränderungen angestoßen. Was davon wird überdauern?

Guse:
Das liegt natürlich primär an den Vorgaben von Aufsichtsrat und den Gesellschaftern. Aber überdauern wird aus meiner Sicht auf alle Fälle der angestoßene Markenbildungsprozess mit den künftig darauf aufbauenden Kampagnenmodulen. Und auch das bereits gestärkte "Welcome Center" wird bleiben, ebenso die Seminare und Veranstaltungen beispielsweise im Bereich der Pflegeberufe. Aber auch das Regionale Gewerbegebiet bleibt als Aufgabe, ebenso das Gewerbeportal immosbh.de.

Sie haben den Markenbildungsprozess angesprochen. Wie ist denn hier der Stand? Öffentlich war dazu in den vergangenen Monaten nichts mehr zu hören...

Guse:
Der Aufsichtsrat und die Gesellschafter haben den Prozess aktuell zu meinem Bedauern gestoppt, um der neuen Geschäftsführung die Gelegenheit zu geben, Impulse zu setzen.

Der Prozess wurde also nicht gestoppt, damit die Vorlage in der Schublade verschwindet?

Guse:
Richtig. Sobald die Nachfolge geklärt ist, wird der Prozess weitergeführt. Das nötige Budget dafür ist im Wirtschaftsplan 2020 hinterlegt.

Ist der aktuelle Stillstand im Wettbewerb der Regionen von Nachteil?

Guse:
Wenn der Stillstand sich nicht über längere Zeit hinzieht, dann sehe ich keine Nachteile. Zumal operativ die Wirtschaftsförderung auf allen Ebenen ohnehin dank des tollen Teams reibungslos weiterläuft.

Wird der aktuelle Schwebezustand zu einer erneuten Grundsatzdebatte über den Sinn der Regionalen Wirtschaftsförderungsgesellschaft führen?

Guse:
Das befürchte ich nicht, zumal wir im Aufsichtsrat einen entsprechenden Beschluss dazu gefasst haben, der die Regionale Wirtschaftsförderung nicht in Frage stellt.

Aber es gibt erste Stimmen, die die Doppelstrukturen als Geldverschwendung geißeln.

Guse:
Dazu kann ich nur sagen: Diese Doppelstrukturen gibt es gar nicht! Wir haben die Regionale Wirtschaftsförderung schon bei der Gründung extra so aufgestellt, dass sie möglichst repräsentativ für die Region dasteht. Durch die Strukturen mit den Kommunen, der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg, der Handwerkskammer Konstanz sowie dem Regionalverband sind alle Player in der Gesellschaft repräsentiert und können sich einbringen. Um darüber hinaus das doppelte Bearbeiten von Themen zu vermeiden, haben wir bereits vor Jahren das Format "Vier für die Region" eingeführt, bei dem sich regelmäßig mehrmals pro Jahr Vertreter der Kammern, des Regionalverbandes und der Wirtschaftsförderung austauschen.

Dennoch: Was kann eine Regionale Wirtschaftsförderung besser, was einer der Player nicht auch könnte?

Guse:
Ganz einfach: überparteilich sein! Nehmen Sie den Markenbildungsprozess. Wie könnte beispielsweise eine Kammer diesen für die gesamte Region vorantreiben? Jeder Player in unserer Gesellschaft ist zunächst den eigenen Mitgliedern oder Bürgern verpflichtet und hat andere Aufgaben. Die Wirtschaftsförderung bildet gewissermaßen die überparteiliche Klammer und wir kümmern uns um die übergeordneten Themen. Außerdem gilt die Erkenntnis: "Gemeinsamkeit macht stark."

Allerdings steht die Kritik seit Jahren im Raum. Ist die Arbeit der Wirtschaftsförderung in der Öffentlichkeit nicht ausreichend bekannt?

Guse:
Dem muss man zustimmen. Wir sprachen im Team darüber, dass wir mehr nach dem Grundsatz "Tue Gutes und sprich darüber" verfahren und unsere Arbeit stärker in den Blickpunkt rücken müssen. Wir dürfen eben nicht nur unsere Region vermarkten, sondern auch unsere Arbeit. Das beginnen wir nun intensiv mit Informationen an die Aufsichtsräte und die Gesellschafter und verstärken das zusätzlich in Richtung Öffentlichkeit.

Sie haben bereits das "Welcome Center" angesprochen. Was ist das Erfolgsrezept dahinter, weshalb jetzt auch andere Regionen die hiesige Expertise nutzen?

Guse:
Richtig, dank unserer Erfahrungen übernehmen wir nun auch Beratungsleistungen am Hochrhein und Bodensee. Wir haben schon vor sieben Jahren mit dem Anwerben von Fachkräften aus dem Ausland begonnen und rasch gemerkt, welch' wichtige Rolle die Willkommenskultur zur Eingliederung spielt. Deshalb haben wir uns sofort bei Ausschreibung der Fördermittel beworben, um auf Grundlage dieser Erfahrungen unser "Welcome Center" bedarfsgerecht und dezentral in der ganzen Region aufzubauen. Wir haben damals von allen Regionen das erste "Welcome Center" im Land platziert! Über die Fachkräfteallianz sind wir mit den Playern aus dem Arbeitsmarkt sehr gut vernetzt und können die entsprechenden Synergien nutzen. Wobei auch die Hochschulen der Region mit ihren internationalen Studierenden ein wichtiger Faktor für unsere Arbeit sind.
Übrigens: Auch am Beispiel des "Welcome Center" sieht man, eine Kammer beispielsweise könnte nicht derart übergeordnet beraten, wie wir es anbieten, weil eben unterschiedlichste Berufsgruppen und Studierende unsere "Kunden" sind.

Wie ist die Zukunft des "Welcome Centers"?

Guse:
Geographisch werden wir uns nicht weiter ausweiten, der Bereich Hochrhein-Bodensee hat einfach eine Sondersituation aufgrund seiner geografischen Lage. Während der aktuellen Förderphase werden wir Angebote und Seminare auf- und ausbauen: Zusätzlich zu den Bewerbungsseminaren bieten wir Veranstaltungen zu Arbeitsbedingungen in Deutschland, damit ausländische Fachkräfte die Basics der hiesigen Arbeitswelt kennenlernen. Auch das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz wird uns fordern.

Das Regionale Gewerbegebiet fällt in der öffentlichen Wahrnehmung immer hinten runter. Wie ist denn hier der Stand - haben Sie die Flächen Tesla-Chef Elon Musk für die neue Giga-Factory angeboten?

Guse:
(lacht) Nein, da gab es keine Gespräche. Im Aufsichtsrat gibt es keinen Dissens, wir glauben weiterhin an den Erfolg dieses Gebietes! Ein Beweis dafür: Bislang waren 40 Hektar für das Gebiet ausgewiesen, von denen wir bereits 38 Hektar per Optionsvertrag gesichert haben. Nach einer detaillierten Untersuchung der Kommunalentwicklung haben wir das Gebiet auf 80 Hektar verdoppelt. Das aber nicht, um eine noch größere Ansiedlung zu ermöglichen, sondern um mit einem Investoren die Flächen flexibler strukturieren zu können: Denn die Topographie mit bis zu 27 Meter Versatz im Gelände macht das Bebauen des Areals nicht einfach. Zudem halten wir dann gleich noch ausreichend Flächen beispielsweise für ökologische Ausgleichsmaßnahmen vor.

Also wenn morgen ein Investor käme, dann könnte er bauen?

Guse:
Wenn er nicht innerhalb weniger Monate anfangen möchte, dann gerne. Wobei ich die Chancen durch Investoren in der Region nicht auf diese eine Fläche reduzieren möchte: Wir haben das Portal immosbh.de aufgebaut und innerhalb kürzester Zeit präsentieren sich schon 70 Anbieter und 50 Prozent der Kommunen der Region bieten ihre Gewerbeflächen an. Das ist ein großer Erfolg!

Abschließend noch einmal zurück zur Geschäftsführung der Wirtschaftsförderung. Wie ist denn der angepeilte Zeitplan?

Guse:
Wir haben die Ausschreibung hinter uns und bereits gewählt. Die neue Geschäftsführung beginnt zum März. Es wird hierzu eine Pressekonferenz geben.

Und dann gehen Sie endgültig in den Ruhestand?

Guse:
(lacht) Nach aktuellem Stand ja! Langweilig wird mir jedenfalls nicht, ich habe ja noch einige Hobbys und Vorsitzendenämter.

Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Guse!

Jürgen Guse, 68, war 32 Jahre Bürgermeister in Bräunlingen, dazu viele Jahre Aufsichtsratsvorsitzender der Regionalen Wirtschaftsförderungsgesellschaft Schwarzwald-Baar-Heuberg sowie des dortigen Regionalverbandes, bevor er zum Interims-Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung berufen wurde. Auch im Kreistag des Schwarzwald-Baar-Kreises und in Aufsichtsgremien verschiedener kommunaler Gesellschaften wie den Stadtwerken Bräunlingen hat er seinen Standpunkt vertreten. Der passionierte Tennisspieler teilt sich mit seiner Frau die Arbeiten im Haushalt, und er sammelt neue Eindrücke, wenn er mit seiner Tochter im Co-Working-Space in Kalifornien sitzt.

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