1 Das sind die Besten 2018!
Eine Sondermaschine mit Smartphone-Effekt, eine Spritze mit Revolutionspotenzial und 3D-Druck dank Rotation und Hitze – die Preisträger des Innovationspreises sind echte Technik-Leckerbissen! Ein Besuch vor Ort
Die Diskussion war wie immer: leidenschaftlich. Leicht machte sich das Preiskomitee des Innovationspreises der Sparkasse Schwarzwald-Baar auch bei der aktuellen Auflage die Sache garantiert nicht. Was ist eine tatsächliche Innovation? Und vor allem: Wer hat am Ende am Markt eine Chance?
Die Professoren der Hochschule Furtwangen, Markus Hoch und Manfred Kühne, hatten zwar in bewährter Art die Einreichungen gesichtet, die Vielversprechenden vor Ort besucht und am Ende eine Vorauswahl getroffen. Doch die Entscheidung über die Preisträger obliegt eben der prominent besetzten Jury. Diskussion hin oder her, am Ende gab es natürlich Preisträger - und zwar alles erste Preise! Econo hat als Medienpartner der Sparkasse die Firmen besucht.
J.G. Weisser: Gut, dass Thorsten Rettich in diese ominöse Schublade geschaut hat. "Die Grundlagen für das neue Verfahren hatten wir uns schon länger gesichert und es schlummerte in der sprichwörtlichen Schublade", schmunzelt der Geschäftsführer des Werkzeugmaschinenherstellers J.G Weisser Söhne. Denn: Im Zuge des keimenden 3D-Druck-Hypes vor einigen Jahren stellte man sich einige Fragen: Soll man einsteigen? Könnten additive Verfahren das Geschäftsmodell gefährden?
Die Antworten darauf fallen nicht leicht. Nichts tun und abwarten war für Rettich aber auch keine Option. Da kam ihm besagte die Schublade in den Sinn.
Prinzipiell ist das darin schlummernde Verfahren nicht neu. Laienhaft ausgedrückt wird ein Metallstück durch Rotation und Druck bis zur Schmelztemperatur erhitzt - und kann dadurch Wulst für Wulst auf ein Trägermaterial aufgetragen werden. Rotation? Druck? Prinzipiell ist das die DNA von J.G. Weisser, deren multifunktionalen Präzisions-Drehmaschinen sogar "Unrund"-Drehen können. Neu an dem Verfahren ist vor allem: Thorsten Rettich setzt es einfach ein.
Damit folgt er einer Familientradition: Die Wurzeln des Unternehmens reichen zurück bis ins Jahr 1800. Am Beginn steht eine Poststation mit Huf- und Wagenschmiede, ab 1856 lässt man das mit der Schmiede sein und wird zum regulären Maschinenhersteller. Die Uhrenindustrie lechzt nach den Maschinen aus St. Georgen. Später dann die Autoindustrie. Und immer wieder setzt Weisser technologische Maßstäbe in Sachen Bearbeitung und Bestückung. Heute mit 500 Mitarbeitern und 120 Millionen Euro Umsatz ist das nicht anders.
Dabei ist das neue Verfahren eine grundlegende Änderung: Bisher sind die Weisser-Drehmaschinen spanabhebend - die neue Maschine fügt Material hinzu. "Für uns ist das ein spannender Prozess", erläutert Rettich: "Wir lernen die Maschine jeden Tag neu kennen." Dazu muss man wissen: Das Team bei J.G. Weisser befindet sich mit dem Verfahren in einem komplett neuen Prozess. Es gibt keine Datenblätter oder ähnliches, in denen man schauen könnte, wie sich welches Material zueinander verhält. Genau deshalb wird das Vorgehen des Teams von vielen Seiten beäugt - schließlich können sich die bisherigen Parameter sehen lassen: Das Verfahren "druckt" schneller als andere und die Gefügestruktur ist bemerkenswert gut. Da kommen andere additive Verfahren nicht mit.
Allerdings fällt selbst dem Laien auf: Das Ergebnis erinnert eher an rüde übereinander gelegte Schweißraupen. Schön ist anders. Rettich ficht das nicht an: "Das Ergebnis ist nicht so fein, aber dafür haben die zerspanende Expertise, um was daraus zu machen." Schwups ist der bisherige Maschinenpark gleich mal auf Zukunft getrimmt. Und wer weiß, was noch in den weiteren Schubladen schlummert.
Stermann Technische Systeme: Eigentlich hätte man bei Stermann Technische Systeme den Auftrag ablehnen müssen. Zu groß. Zu komplex. Keine Erfahrung oder jedenfalls fast keine. Andererseits ist eigentlich keine Option. Und so blickt Johannes Stermann stolz auf ein Maschinenungetüm aus Stanz- und Prägezellen: "Das war unser bislang größtes und anspruchsvollstes Projekt", resümiert der Geschäftsführer.
Doch der Reihe nach. Stermann ist eigentlich im Segment der Spannwerkzeuge eine Macht. Diese Bauteile halten vereinfacht gesagt das Werkstück fest in Position, während es in der Werkzeugmaschinen bearbeitet wird. Das klingt trivial, ist es aber nicht: Rohe Kräfte, starke Vibrationen, minimale Taktzeiten, literweise Schmier- und Kühlstoffe - die Anforderungen in Sachen Präzision und Robustheit sind enorm. Und: "Jedes Spannwerkzeug ist anders und die Anforderungen werden ständig komplexer", so Stermann.
Kein Wunder, dass von den 52 Mitarbeitern zwölf Ingenieure sind und 35 in der Produktion arbeiten. Die Spannwerkzeuge sind im besten Sinne Handwerkskunst!
Doch die Spannwerkzeuge sind eben nur ein (zentraler) Teil einer Maschinen. Deshalb war die Anfrage eines schwäbischen Automobilherstellers eigentlich nichts für Stermann: Die Herstellung eines Bauteils für ein Wandlergetriebe sollte dank neuer Maschine effizienter werden. Johannes Stermann wiegt das Bauteil in den Händen - es hat die Größe eines Tellers und durchaus auch die Anmutung eines metallenen Campinggeschirrs. Im Grunde nichts, was den Laien entzückt schnalzen lässt.
Profis wie Stermann sehen das Bauteil naturgemäß mit anderen Augen: All die Prägungen, die Stanzungen, 30 an der Zahl rundherum und in komplexer Geometrie mit einer Absolutheit in Sachen Präzision. Nichts was man mal so eben nebenbei entwickeln kann. Stermann nahm die Herausforderung an.
Ein Jahr brauchte es an Entwicklungs- und Bauzeit, dann war es vollbracht. Besagtes Maschinenungetüm machte sich auf die Reise zum Kunden. Doch Stermann hat nicht einfach nur eine Maschine gebaut. Wenn man so will ist man in eine neue Dimension vorgestoßen: Es wurden Hürden in Sachen Vibration gemeistert, dank Rekuperation wird Energie gespart, ein Takt dauert 27 Sekunden - zuvor waren es 55! - und die Steuerung ist denkbar einfach.
Denn bislang musste man immer höllisch aufpassen, wenn man an den NC-Achsen von Maschinen Veränderungen beispielsweise bei der Geschwindigkeit vorgenommen hat - alles hängt eben mit allem zusammen. Jetzt genügt das virtuelle Verschieben eines Parameters auf dem Touchscreen durch den Bediener. Den Rest der Synchronisierung der 29 NC-Achsen macht die Steuerung selbst. Die Programmierer des Stermann-Partners Fritz Automation haben dafür wochenlang direkt an der Maschine herum probiert. Stermann: "Jetzt haben wir eine weitere Smartphonisierung in der Automation erreicht." Und das beeindruckt selbst den Laien.
Architektonisch beeindruckend ist übrigens auch der brandneue Erweiterungsbau bei Stermann in St. Georgen. Auf den 280 Quadratmetern wurde Platz geschaffen für den Sondermaschinenbau. "Wir haben weitere Anfragen", gibt sich Stermann entspannt zurückhaltend. Schön was passieren kann, wenn man das Wort eigentlich einfach mal nicht beachtet.
Verapido: Wer Angst vor Spritzen hat, der muss jetzt stark sein. Das Video, das Markus Clemenz anklickt, hat es in sich - es zeigt, wie eine dicke Injektionsnadel direkt in die Haut geschoben wird. Wie sich eine dicke Quaddel mit dem eingespritzten Medikament bildet. Wie die Nadel ein klein wenig heraus gezogen wird. Wie sie in der Haut an eine andere Stelle geschoben wird. Wie sich erneut eine Quaddel bildet. Wie sich... Genug der Folter. Clemenz: "Das ist aktuell der medizinische Standard."
Clemenz will den Vorgang dieser laut Fachjargon intradermalen Injektion mit seiner Verapido Medical, wie er es ausdrückt, verbessern. Der Laie meint: radikal verändern. Und vielleicht revolutioniert die Neuerung den generellen Umgang mit Impfungen! Doch dazu später mehr.
Verapido ist eine Ausgründung der Hahn-Schickard-Gesellschaft. Wenn man so will wurde die Technologie hinter dem Injektionsgerät im Institut erfunden. Clemenz gelang es einen vielversprechenden Markt zu identifizieren, aus der Technologie ein Medizinprodukt zu entwickeln, dieses CE-zuzulassen und in Verkehr zu bringen. Nun gibt es noch eine Aufgabe: Aus dem Gerät eine Erfolgsgeschichte machen... Die Chancen stehen gut: Der Geschäftsführer hat an der Charité in Berlin Humanmedizin studiert, dann im Institut für Pharmakologie promoviert, dort als Postdoc gearbeitet und schließlich unterschiedliche Investoren in Sachen Medtech- und Biotech-Unternehmen beraten. Seit sechs Jahren ist er bei Hahn-Schickard "an Bord", wie er sagt.
Doch was ist jetzt die Besonderheit des "Dermajects"? Ganz einfach: Keine eingangs beschriebene Frickelei mehr. Clemenz: "Bislang hängt es vom Können des Arztes ab, ob das Medikament in die richtige Tiefe unter die Haut gespritzt wird." Doch genau das ist für die Wirksamkeit essentiell! Mit dem Injektor wird der Vorgang problemlos: Die Spritze wird an das kleine Gerät gesteckt, das Gerät wird auf die Haut gesetzt, entriegelt (Fachleute schnalzen ob der Technologie dahinter mit der Zunge!) und die ultrafeine Kanüle - 0,3 Millimeter Außendurchmesser - heraus geschoben. Der Einstich geschieht immer exakt im zehn Grad Winkel, die Eindringtiefe beträgt 0,8 Millimeter, beides Idealwerte.
Gerade bei Krebspatienten, die therapeutische Krebsimpfungen in die Haut injiziert bekommen, könnte das neue Verfahren Erleichterung bringen. Clemenz: "Aber generell wäre es bei vielen Impfungen besser, wenn sie direkt und oberflächlich in die Haut gespritzt werden, anstatt wie heute tief und schmerzhaft in den Muskel." Doch soweit ist es noch nicht. Aktuell bereitet der Geschäftsführer weitere klinische Studien vor, führt Gespräche mit Pharmafirmen. Die Marktchancen sind da - und wenn Clemenz einem nebenbei mögliche weltweite Umsätze vorrechnet (oder wie er es ausdrückt: "das große Potenzial"), wird einem schwummrig. Ganz ohne Anblick einer Spritze.