Abschiedstournee von der Börse

Hymer zieht sich vom Parkett zurück. Die neuen Chefs krempeln derweil die Firma kräftig um.

 
Foto: Archiv
 

In Bad Waldsee müssen sie es satt haben: Jahresberichte. Halbjahresberichte. Zwischenberichte. Ad-hoc-Mitteilungen. Investor Relations. Die Hauptversammlung, auf der so gerne Leute sitzen, die ohnehin nichts zu bestimmen haben. Längst ist es dem Caravan- und Wohnmobilhersteller Hymer zu aufwendig geworden, eine börsennotierte AG zu sein. Und zu teuer.

Das Unternehmen, das rund 20 000 Reisemobile und Caravans im Jahr verkauft, zieht sich vom Parkett zurück. „Kosten und Aufwand der Börsennotierung entsprechen nicht den damit verbundenen Vorteilen“, sagt Finanzvorstand Andreas Lobejäger. Allein eine Million Euro will Hymer künftig sparen, weil es weniger Berichte schreiben und keine große Hauptversammlung mehr ausrichten muss. 2013 kommt es in Bad Waldsee zum Showdown: Die letzten Aktionäre sollen über ein Squeeze-out-Verfahren aus der Firma gedrängt werden.

Rückblick: Seit 1990 ist Hymer im General Standard der Frankfurter Börse notiert. Doch nach dem Start besorgt sich das Unternehmen nicht ein einziges Mal frisches Kapital. Stattdessen hält Gründer Erwin Hymer in all den Jahren rund 80 Prozent der Anteile. Hymer hat die kurzen Entscheidungswege eines Familienbetriebs geopfert. Den Geldsegen einer börsennotierten AG haben die Schwaben indes nie wirklich empfangen. Im September 2011 dann zieht das Unternehmen die Konsequenzen und leitet den Rückzug ein.

Inzwischen hat Erwin Hymer über seine Vermögensverwaltungs AG (EHVV) bereits die meisten Aktien eingesammelt. Ende November 2012 entfallen 98,3 Prozent auf die EHVV. Hält ein Aktionär mindestens 95 Prozent des Grundkapitals einer AG, darf er die restlichen Anteilseigner gegen eine angemessene Zahlung aus dem Unternehmen drängen. Maßgeblich für die Abfindung im Rahmen dieses sogenannten Squeeze-outs ist meist der durchschnittliche Börsenkurs der vergangenen drei Monate. Im kommenden Sommer könnte es so weit sein.

Bis dahin soll Hymer nicht nur auf dem Papier ein neues Gesicht erhalten. Bis zum Frühjahr 2012 dreht sich in Bad Waldsee ein regelrechtes Personalkarussell. Neben Finanzvorstand Lobejäger installiert der Caravan- und Wohnwagenhersteller insgesamt vier neue Geschäftsführer. Am 1. Mai übergiebt zudem Interimsboss Josef Spichtig seinen Posten an den Niederländer Roel Nizet.

Die Neuen krempeln das Unternehmen um: weniger Leiharbeiter, flexiblere Arbeitszeiten, dazu eine neue, teils modulare Produktion nach dem Vorbild von Autobauern wie Volkswagen. Hymer soll es künftig einfacher haben, Fahrzeuge in kleinen Serien herzustellen.

Die Finanzkrise, in deren Folge der Absatz von gut 26 000 auf unter 19 000 Fahrzeuge sackt, hat Spuren hinterlassen. Obwohl die Europäer, allen voran die Deutschen, im Frühjahr 2012 wieder Wohnmobile kaufen, als gäbe es dafür eine Eigenheimzulage, schlägt Hymer im Zwischenbericht eher leise Töne an. Von starker Wettbewerbsintensität ist da die Rede. Von Unsicherheit. Und Risiken.

Gerne hätte Econo nachgehakt. Doch unsere Anfragen bleiben allesamt unbeantwortet. Anfang Dezember kündigt Hymer 0,88 Euro Dividende je Anteil an. Es ist die erste Ausschüttung nach drei Nullrunden. Der Geschäftsbericht über das Jahr 2011/12 erscheint gegen Ende Dezember, verrät eine Sprecherin. Es dürfte der letzte für das große Publikum werden.

Und dann kehrt endlich wieder Ruhe ein, in Bad Waldsee.

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