Angela Merkel ist neidisch
Die Kanzlerin beim Neujahrsempfang der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg: Ja zu Europa und zu mehr Verantwortung. Die Kammer setzt vor mehr als 2400 Besuchern ganz eigene Akzente
diwe
16.01.2013 | 09:47
Foto: Michael Kienzler
VS-Schwenningen. An diesem Abend wuselt es in den Messehallen wie in einem Ameisenhaufen: Mit Kanzlerin Merkel hat die IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg die bislang prominenteste Rednerin für den Neujahrsempfang buchen können. Und entsprechend groß ist der Andrang – schon drei Stunden vor dem offiziellen Beginn warten die ersten der mehr als 2400 Besucher vor den Türen. Am Ende ist bei einem der größten Empfänge im Land wohl keiner der Anwesenden enttäuscht.
Denn der offizielle Teil ist nicht nur erfrischend kurz, Gastrednerin Merkel zeigt sich zugleich humorvoll-eloquent. Sie spannt einen weiten, kurzweiligen Bogen von der Region ("Mein Wahlkreis liegt ja ebenfalls im ländlichen Raum und da bin ich ein wenig neidisch, wenn ich mir diese Region hier anschaue") bis zu Europa. Tenor: Erfolg benötigt Verantwortung. Und Menschen, die sie übernehmen. Deshalb zeigte sich die Kanzlerin ob einer Umfrage unter Jugendlichen nachdenklich: "Viele sind zu sorglos, was die Zukunft angeht. Sie denken, das gute Leben geht einfach so immer weiter." Man müsse den Jugendlichen aber sehr deutlich machen, dass der bisherige Erfolg Deutschlands kein Selbstläufer sei.
Die Jugend hatte es auch IHK-Präsident Dieter Teufel angetan, der in seiner Rede eigene Akzente setzte, statt schlichte Forderungen an die Kanzlerin zu stellen. In einem leidenschaftlichen Appell rief er die Anwesenden dazu auf, "Botschafter für eine Kultur des Hierbleibens" zu sein. Denn zu viele Jugendliche würden die Region mit ungewissen Zukunftsaussichten verlassen: "Dabei haben sie doch hier vor Ort alle Möglichkeiten!" Immerhin fehlen bis zum Jahr 2020 allein 14.000 Fachkräfte. Teufel kündigte an, dass die Kammer in diesem Jahr mit Jugendlichen in einen Dialog treten wolle. Das Ziel: Herausfinden, was "die Jugend" von der Region erwartet und was es zu verbessern gilt, um sie zum Hierbleiben zu bewegen.
Teufels Rede sorgte am Ende für den Gesprächsstoff des Abends – wobei die Aussagen der Anwesenden von "endlich gibt jemand den Anstoß" bis zu "bei uns ist es doch schön, da müssen wir nichts ändern" reichten.
Kanzlerin Merkel indes blieb nach dem offiziellen Teil doch länger, als zunächst geplant. Sie aß, trank, führte Gespräche und ließ sich mit Auszubildenden ablichten. Nur für den Eintrag ins Goldene Buch der Doppelstadt (mit SPD-Oberhaupt) fand sie dann doch keine Zeit mehr, obschon man es ihr sogar in die Messehallen bringen wollte.