Angst vor Facebook?
Das Thema Social Media bringt Unruhe in die Business-Welt. Econo-Herausgeber Klaus Kresse warnt: Wer sich jetzt wegduckt, begeht den größten Fehler
klkr
19.08.2011 | 13:00
Sie mailen immer noch nicht? Sie lassen E-Mails von Ihrer Sekretärin drucken, um die handschriftlich hingeworfene Antwort zurückfaxen zu können? Dann quälen Sie sich nicht weiter. Denn Ihre Frage, ob Sie eine Entwicklung verpasst haben, ist schon keine Frage mehr. Inzwischen liegen Sie bereits zwei Entwicklungssprünge zurück.
Fax war vorgestern. E-Mail war gestern. Heute wird in Netzwerken kommuniziert. Stichwort: Social Media.
Ich weiß: Jetzt winken viele ab, wollen von Twitter und Facebook, von Youtube und Flickr, von Xing und Linkedin nichts hören. Gefährliches Teufelszeug sei das. Und wenn schon kein Teufelszeug, dann wenigstens Unfug.
Mit Verlaub! Wer so denkt, lebt hinterm Berg. Und macht einen riesengroßen Fehler.
An dieser Stelle müssen wir uns kurz mit einer Eigenheit vieler mittelständischer Unternehmen beschäftigen. Die haben zahlreiche Vorzüge, sind beweglich und – wenn es um ihre Produkte geht – oft außerordentlich innovativ. Nur mit dem Thema Publizität tun sie sich schwer. Weshalb Mittelständler selten im Verdacht stehen, die Öffentlichkeit mit Informationen über ihr Unternehmen zu behelligen.
Lassen wir mal offen, ob die PR-Strategie des Closed Shop eine intelligente Lösung ist. Kurzer Einschub: Das war sie eigentlich nie. Doch inzwischen stellt sich auch diese Frage nicht mehr. Denn der Markt, die Kunden und die Geschäftspartner haben sie schon lange beantwortet.
Erschreckende Erkenntnis für viele Heimlichtuer: Seit Web 2.0 und Social Media kann kein Manager mehr verhindern, dass sein Unternehmen, seine Produkte und seine Dienstleistungen Gegenstand öffentlicher Erörterung werden. In Foren und Blogs, in Facebook und Twitter wird darüber gesprochen. Mit einer Wirkung, die noch viel wuchtiger ist als Mund-zu-Mund-Propaganda.
Wie wuchtig, das kann ermessen, wer sich auf Youtube das Viereinhalb-Minuten-Video „United Breaks Guitars“ gönnt. Hier schildert der kanadische Musiker David Carroll, wie ihm bei einem Flug mit United seine Gitarre zerlegt wurde und wie hochnäsig die Airline seine Beschwerde abbügelte. Pech für United Airlines. Das Video wurde inzwischen mehr als neuneinhalb Millionen Mal aufgerufen. Weshalb die Fluglinie inzwischen eingeknickt ist, öffentlich Besserung gelobte und den Video-Clip mittlerweile zur Schulung des Service-Personals einsetzt.
So gesehen hat United nach heftigen Schrammen die Kurve gerade noch gekriegt. Andere Unternehmen waren ungleich klüger und haben früh begriffen, dass Social Media von großem Vorteil sein können. Fast schon vorbildlich macht das der Stuttgarter Verkehrs- und Tarifverbund VVS, der nicht nur twittert und in Facebook präsent ist, sondern mit seiner Microsite www.jetzt-umsteigen.com einen enorm sympathischen Auftritt hat. Selbst Banken, etwa die Volksbanken Bühl oder Karlsruhe, haben den Charme dieser neuen Kommunikationswelten entdeckt.
Natürlich gibt es auch Probleme. Und zwar in der ganzen Bandbreite von blödsinnigen Posts, wenig schmückenden Party-Bildern bis zum Thema Datensicherheit.
Trotzdem: Social Media sind aus der Geschäftswelt nicht mehr wegzudenken. Zu diesem Schluss kommt der „SID/FIT Social Media Report 2010/11“, der vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik und der Software-Initiative Deutschland e.V in Kooperation mit der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg erarbeitet worden ist. Tenor: „Mehr als drei Viertel der deutschen Unternehmen räumen der Meinungsbildung in sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter und Xing eine wesentliche Bedeutung für das eigene Geschäft ein.“ Das deckt sich mit dem ganz aktuellen Corporate-Publishing-Barometer „Social Media“: Danach glauben fast 70 Prozent der Unternehmer, mit Social Media neue Zielgruppen zu erreichen. Ganz ohne E-Mail.