Auto auf Diät
Fahrzeuge müssen sparsamer und leichter werden. Die Hoffnung ruht auf neuen Werkstoffen: Auf Aluminium, aber vor allem auf Carbon.
insc
04.07.2012 | 00:16
Manchmal funktionieren Autobauer genau wie ganz normale Menschen. Jedes Jahr versprechen Daimler, Audi, BMW und Co., dass ihre Autos umweltverträglicher werden, weniger Sprit verbrauchen, ihren Schadstoffausstoß minimieren. Kurz: Die Autos sollen abnehmen.
Wie im normalen Leben auch, bleibt es allein oft bei der Ankündigung. Der Speck bleibt dran, auch am Auto. Vielmehr noch: Er wächst kontinuierlich. Brachte ein VW Golf der ersten Generation noch maximal 810 Kilogramm auf die Waage, sind es bei der fünften bereits 1356. Die Kunden wollen größere Autos, mehr Ausstattung, mehr Sicherheit. Das alles macht das Auto schwer - und abnehmen noch schwerer.
Also hilft nur Druck von außen. Weil die Industrie ihre Selbstverpflichtungen zur Senkung des Schadstoffausstoßes ihrer Flotten seit Jahren nicht einhält, schreibt ihr die EU von 2015 an Obergrenzen für den CO2-Ausstoß vor. Die Autobauer werden Weight Watchers.
Vor allem Aluminium und Carbon könnten die Autos tatsächlich verschlanken. Beide Werkstoffe sind deutlich leichter als Stahl. Weniger Gewicht heißt weniger Verbrauch, heißt weniger Schadstoffe.
Auch die Elektromobilität spielt den Alu- und Carbonherstellern in die Hände. Weil die Batterien auf absehbare Zeit sehr schwer bleiben werden, muss eben der Rest des Autos leichter werden. „Denn jedes eingesparte Kilo bringt eine größere Reichweite für das Fahrzeug“, sagt Frank Henning, Professor am Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT) in Pfinztal bei Karlsruhe. Henning ist Chef des Innovationsclusters Hybrider Leichtbau KITe hyLITE und erforscht zusammen mit einem Team aus 30 Partnern den Leichtbau.
Zwar wird Stahl nach Einschätzung der Unternehmensberatung McKinsey auch weiterhin mehr als die Hälfte des Materials eines Mittelklassewagens ausmachen, doch Kunststoffe und Aluminium werden ihren Anteil erhöhen, vor allem bei Antrieb, Karosserie und Fahrwerk.
Gerade Carbon gilt dort als Wunderstoff. Während Aluminium gerade einmal halb so fest ist wie Stahl, schlägt Carbon Stahl um das Doppelte. Gleichzeitig wiegt es aber noch einmal ein Drittel weniger als Aluminium, hält aber das Siebenfache an Belastung aus. Das Material kann auch ganz anders geformt werden als etwa Stahl oder Alu. Hier tüfteln die Ingenieure an ganz neuen Formen für Karosserie, Antrieb oder Fahrwerk.
Der Hype um den neuen Werkstoff wirkt, als sei Carbon eine Neuendeckung, aber das ist mitnichten so. Carbon stammt aus der Raumfahrt und wird schon seit mehr als 20 Jahren in der Formel 1 eingesetzt. Nun soll er den Sprung in die Massenfertigung schaffen.
Und hier kommt der Haken: Carbon kostet bis zu 30-mal mehr als Stahl und etwa dreimal so viel wie Aluminium. Das liegt vor allem am Herstellungsprozess. Die Kohlefasern werden wie ein Textil ineinander verwebt. So kann Carbon unterschiedlich fest werden. Aber das wird oft noch in Handarbeit erledigt, was es teuer macht. Außerdem benötigen Carbon wie Alu in der Herstellung eineinhalbmal so viel Energie wie Stahl. Dennoch werden die Anteile von Carbon und Aluminium an den Autos steigen, die Fahrzeuge also abnehmen. Hoffentlich ohne einen Jo-Jo-Effekt.