BCS kämpft um ein Werk
Der Zulieferer ringt mit der IG Metall um den Abbau von 400 Arbeitsplätzen – nach dem bereits 310 weg sind. Hoffnungen verbinden sich nun mit einem Marquardt-Mann
red
19.05.2020 | 09:00
Radolfzell. Von 1100 auf 788 Beschäftigten in zwei Jahren – und nun sollen noch einmal bis zu 400 Stellen wegfallen. Am Fertigungsstandort des Autozulieferers BCS Automotive Interface Solutions herrscht Alarmstimmung. Wie der "Südkurier" zuerst berichtete, hat sich die Gewerkschaft IG Metall in einem Flugblatt an die Belegschaft gewandt: Demnach verhandelt man mit der Geschäftsleitung über ein Restrukturierungskonzept – wobei durch die Corona-Krise der Druck noch einmal erhöht wurde. Statt in fünf soll der Arbeitsplatzabbau nun in drei Jahren erfolgen.
Das Grundproblem: Bei BCS in Radolfzell wird nach Angaben der IG Metall nur ein wirklich zukunftsfähiges Produkt hergestellt, ein Regenlichtsensor. Andere hochvolumige Aufträge für Fahrzeughersteller laufen dagegen aus. Folgeaufträge blieben aus, auch weil das Werk auf Bedienelemente mit Knöpfen spezialisiert ist – Touchpads werden an anderen Standorten gefertigt. Abgesehen davon sind wohl auch die Kostenstrukturen am Standort wenig wettbewerbsfähig.
Die Gewerkschaft zeigt sich indes offen: "Wir wollen einen Konpromiss, aber nur wenn es Investitionen in einen modernen Betrieb gibt", so der IG Metall-Sekretär Thomas Schlicht. Investitionen im zweistelligen Millionenbereich in ein Entwicklungszentrum wurden durch BCS bereits im vergangenen Jahr angekündigt, seit dem ist es indes ruhig geworden.
Gewerkschafter Schlicht verbindet deshalb die Hoffnung für das Werk mit einer Personalie: Daniel Martinez ist laut Mitteilung der BCS seit Mai Chief Technology Officer sowie General Manager Europe. Seine Aufgabe wird durch den Konzern klar wie knapp umrissen: "Wir sind zuversichtlich, dass er uns zu technischen Spitzenleistungen führen wird." Die Voraussetzungen dafür bringt er jedenfalls mit, der promovierte Ingenieur war jahrelang Sonderberater bei der Marquardt-Gruppe in Rietheim-Weilheim, einem der führenden Mechatronik-Zulieferer.
Das BCS-Werk in Radolzell geht auf die Gründung eines Betriebs im Jahr 1949 durch Werner Messmer zurück: Als 22-jähriger wagte er den Schritt in die Selbstständigkeit eines Spezialbetriebns für elektrische Autoschalter. In den 1970er Jahren veräußerte die Familie das Unternehmen an den TRW-Konzern, nach der Übernahme durch ZF wurde das Werk 2018 an den weltweit tätigen chinesischen Luxshare-Konzern verkauft und firmiert seit dem als BCS.