Bedrohtes Siegel

„Made in Germany“ verspricht Qualität. Die EU möchte die Regeln aber ändern. Viele Produkte würden diesen Aufdruck dann verlieren.

 
Foto: Jigal Fichtner
 

Eigentlich war „Made in Germany“ dazu gedacht, abzuschrecken. Vor genau 125 Jahren erließ das britische Parlament den Merchandise Marks Act, um britische Verbraucher vor deutschen Waren, die auf den Markt der Insel drängten, zu schützen.

Aus dem einstmals negativ besetzten Begriff „Made in Germany“ ist aber seitdem ein Qualitätsversprechen geworden, mit dem deutsche Firmen weltweit werben. Dabei gibt es nicht einmal eine echte gesetzliche Grundlage, wie dieser Begriff korrekt verwendet werden muss, und mit Ausnahme von Gerichten überprüft auch keine Institution, ob ein Hersteller das Label richtig verwendet.

Dieses Siegel ist nun bedroht, seitdem die Europäische Kommission das Warenursprungsrecht überarbeiten will. Seit 20 Jahren verhandeln die Mitgliedsländer der Welthandelsorganisation weitgehend erfolglos darüber, wie die Bezeichnung „Made in …“ auf dem gesamten Globus einheitlich angewandt werden könnte.

Nun will die EU vorpreschen und hat im vergangenen Herbst ihre Ideen dazu vorgelegt. Ursprünglich lediglich als Empfehlung für den Import von Waren nach Europa gedacht, stellte sich aber bald heraus, dass auch die europäischen Hersteller von den Plänen betroffen wären.

Die Kommission schlägt vor, dass künftig für die Kennzeichnung nicht mehr das Land entscheidend sein sollte, in dem der letzte wesentliche Produktionsschritt stattfindet, sondern vielmehr die Herkunft und der Wert der Vormaterialien.

Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft schlagen die Hände über dem Kopf zusammen. „Viele Produkte werden dann nicht mehr als deutsch gelten“, kritisierte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Hans Heinrich Driftmann.

„Würde das Vorhaben umgesetzt, wären die Unternehmen gezwungen, für jedes Produkt eine Vielzahl von Daten zu erheben“, erläutert Marc Bauer von der IHK Region Stuttgart die Auswirkungen auf hiesige Firmen. „Selbst die, die gar nicht exportieren wollen.“

Teilweise wären diese Daten gar nicht so einfach zu erheben. Geht es beispielsweise um den Wertanteil der einzelnen Vormaterialien, wären die Unternehmen bei ihrem Qualitätsversprechen von den Preisen abhängig, die stark schwanken und die die Unternehmen selbst nur wenig beeinflussen können.

Für ein und dasselbe Produkt könnten sich so die „Made in …“ -Bezeichnungen ändern, ohne dass sich die Produktion geändert hätte. „Das wäre auch ein gigantischer bürokratischer Aufwand“, sagt Bauer. Zumal für ein System, das kein besseres Ergebnis bringen würde als das bisherige, das obendrein deutlich schlanker sei und reibungslos funktioniere. Die Kosten für die Veränderung könnten leicht hohe dreistellige Millionenbeträge erreichen.

Angesichts der anhaltenden Kritik hat die Kommission ihre Pläne erst einmal zurückgestellt. Frühestens 2015 bis 2017 kommt daher die Reform des Zollrechts. Wenn man sich in Genf nicht doch noch vorher auf einen weltweit einheitlichen Standard einigt.

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