Bertrandt in der Zwickmühle
Der Ingenieursdienstleister spürt die Krise der Autobranche: trotz einem Plus beim Umsatz wird die Gewinnprognose kassiert. Die umfangreichen Investitionen laufen dennoch weiter
red
23.08.2019 | 10:46
Ehningen. Die Handwerker lassen sich von den Schlagzeilen rund um die aktuellen Finanzkennzahlen nicht ablenken. Container um Container bauen sie in einem Gewerbegebiet von Immendingen einen zweistöckigen Bürokomplex mit 28 Metern Länge und sechs Metern Breite. Es ist zugleich der Startschuss für das neue Technologiezentrums des Ingenieursdienstleisters Bertrand in Nachbarschaft zum Prüf- und Testzentrum von Daimler: Während in den Bürocontainern im ersten Schritt rund 60 Testfahrer, Ingenieure und Techniker arbeiten werden, beginnt parallel der Bau der "echten" Niederlassung – auf einem 25.000 Quadratmeter großen Grundstück entstehen ab Anfang 2020 drei Produktionshallen sowei drei Bürogebäude.
Die Aktivitäten in Immendingen zeigt wunderbar die Zwickmühle der Bertrandt: Während die Automobilkonzerne umstrukturieren und die Zulieferer zunehmend unter Druck geraten, spürt auch der Ingenieursdienstleister die Sandwichposition. Und so gab Finanzvorstand Markus Ruf einen ambivalenten Einblick in die Entwicklung: Zwar stieg die Gesamtleistung der AG in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres 2015/2019 um 4,3 Prozent auf 784,9 Millionen Euro. Zugleich kassierte er aber die Prognose für den Gewinn vor Steuern und Zinsen. Im Vorjahr lag die Kennzahl noch bei 72,1 Millionen Euro – ob diese Summe wieder erreicht werden kann, ist unsicher. Das hatte für besagte Schlagzeilen und einen Kursrutsch an der Börse gesorgt.
Allerdings verfällt Finanzvorstand Ruf deshalb nicht in Panik. Zwar habe man "zur Absicherung der positiven Geschäftsentwicklung ein Ergebnisoptimierungsprogramm gestartet", investiert wird aber weiterhin. Deshalb arbeiten die Handwerker in Immendingen weiter, in Sassenburg bei Wolfsburg wird ein 68.000 Quadratmeter großes Areal zum Prüfzentrum ausgebaut. Mit 80 Millionen Euro werden die Gesamtinvestitionen in die Prüfzentren angegeben. Hinzu kommt ein spezielles Prüfzentrum für Batterien in Elektrofahrzeugen in Ehningen für 15 Millionen Euro sowie kleinere Investitionen wie beispielsweise in einen Prüfstand zur Absicherung der Parksperre in E-Fahrzeugen.
An der kurzen Auflistung lässt sich zugleich ablesen: Die Investitionen sind für Bertrandt kein Selbstzweck, sondern folgen den Anforderungen der Autokonzerne. Kein Wunder rechtfertigt Finanzvorstand Ruf die Investionen deutlich: "Bertrandt passt sich den Bedürfnissen an und übernimmt im Entwicklungsprozess … immer mehr Verantwortung." Zudem böten sich durch die zunehmende Überlagerung von Mobiltät und IT weitere Geschäfts- und Kooperationsfelder.
Es schaut ergo so aus, als löse sich die Zwickmühle schon bald auf – zugunsten von Bertrandt.
Betrandt wurde 1974 als Ingenieursdienstleister gegründet. Heute beträgt die Gesamtleistung des Konzerns mit rund 13.230 Mitarbeitern an 57 Standorten 1,021 Milliarden Euro. Die Eigenkapitalquote liegt bei starken 50 Prozent. Zu den Anteilseignern der AG zählt neben Porsche auch der Abgasanlagenhersteller Friedrich Boysen.