Christentum ohne Hölle

Die westlichen Demokratien taumeln, weil sie nicht wirtschaften können. So lange das Über-die-Verhältnisse-Leben nicht wirklich weh tut, wird sich nichts ändern

 
 

Kann man einer alten Frau über die Straße helfen, die gar nicht rüber will? Nein! Können wir ein EU-Land vor der Pleite retten, das sich die letzten Geldquellen wegkegelt? Nein!
Warum versuchen wir es dann immer wieder? Warum lassen wir nicht ab vom Bemühen, die uneinsichtigen Griechen zu retten? Warum haben wir keinen größeren Wunsch, als schlechtem Geld noch gutes hinterherzuwerfen?

Vielleicht sollten wir ein Ohr für die Worte von Frank Frederick Bormann II. haben. Der frühere Nasa-Astronaut und spätere CEO von Eastern Airlines prägte den bemerkenswerten Satz: „Kapitalismus ohne Konkurse ist wie ein Christentum ohne Hölle.“

Will heißen: Wenn Fehler nicht konsequent bestraft werden, regiert die schiere Unvernunft.

Was heißt das nun für Griechenland? Für Portugal, Spanien, Italien und Irland? Oder – um gleich den richtigen Rahmen zu wählen – für ganz Euroland?

Blenden wir zurück. Schon von Anfang an war die Freude über den Euro nicht ungetrübt. Denn so wünschenswert die Gemeinschaftswährung war und auch heute noch ist – sie wurde mit mehreren Geburtsfehlern belastet. Die rächen sich jetzt bitter.

Geburtsfehler Nummer 1: Elf EU-Länder starteten 1999 in die Währungsunion – aber das war nur ein halber Sprung. Denn zur politischen Union fehlten der Wille und die Kraft. Und das, obwohl Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl schon früh erkannt hatte: „Eine Wirtschaftsunion ist nur lebensfähig, wenn sie sich auf eine politische Union stützen kann.“ Der US-amerikanische Nationalökonom Nouriel Roubini, Autor einer Reihe sehr lesenswerter Bücher, sagt es noch drastischer: „Eine Währungsunion hatte ohne eine politische Union und vor allem ohne eine Vereinheitlichung der Haushalte noch nie Bestand.“

Geburtsfehler Nummer 2: Auf Drängen der Deutschen verpflichteten sich die EU-Länder zwar in einem Stabilitäts- und Wachstumspakt zu solider Haushaltsführung. Trotzdem mogelten sich gleich mehrere Länder mit Haushaltstricks über die Hürden der Aufnahmekriterien. Und 2001 schaffte es Griechenland als zwölftes EU-Land nur mit üblen Tricksereien in die Währungsunion.

Neun Jahre später widmete „Der Spiegel“ dem sich abzeichnenden Währungsdrama eine Titelgeschichte. Mit der martialischen Zeile: „Das letzte Gefecht – wie Europa seine Währung ruiniert.“

Jetzt sind wir mittendrin in diesem Gefecht.

Und fast schon ist es wie in der griechischen Tragödie: Egal, was der Europäische Rettungsfonds, die Europäische Zentralbank, der Internationale Währungsfonds oder Deutschland tun – die Folgen werden fatal sein.

Wir haben nur die Wahl zwischen Pest und Cholera. Und niemand kann derzeit sagen, was schlimmer sein wird.

Schießen wir nochmals Geld in dieses Fass ohne Boden, verlängern wir die Hängepartie nur. Und laufen Gefahr, selbst eines Tages am Stock zu gehen. Griechenland werden wir damit nicht retten. Da sorgen schon die Amok laufenden Gewerkschaften dafür.

Verweigern wir uns der Hilfe, könnten – Stichwort Domino-Effekt – die Folgen schlimmer sein als nach dem Lehman-Debakel.

Und nun?

Wir werden wohl bei einem europäischen Solidar-Konstrukt landen, wie wir es in Deutschland bereits in Form des Länderfinanzausgleichs kennen. Aber ohne gemeinsame Finanz- und Wirtschaftspolitik wird das eine Luftnummer bleiben.

Deshalb stehen jetzt zwei Punkte ganz oben auf der Agenda: Der Wirtschaftsunion muss endlich die politische Union folgen, was nur zulasten nationaler Kompetenzen funktionieren kann. Und wir brauchen ausgeglichene Haushalte! Das gilt nicht nur für die Griechen. Das gilt für alle. Uns Deutsche eingeschlossen.

Deshalb wird es – Solidargemeinschaft hin oder her – nicht ohne glasharte Sanktionen gehen.

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