Das große Messen

Die Besucherzahlen stagnieren, die goldenen Zeiten scheinen längst vorbei. Und so suchen die Messefirmen händeringend nach neuen Konzepten für ihre Verbrauchermessen.

 
Foto: Archiv
 

Der Clou sorgte für Aufsehen. Für angeblich sieben Millionen Euro hat die Karlsruher Messe- und Kongressgesellschaft (KMK) die Verbrauchermesse „Offerta“ gekauft. Bislang hatte diese die Messefirma Hinte ausgerichtet. Für die KMK liegt der Vorteil auf der Hand: Sie partizipiert nicht mehr indirekt über die Miete, die Hinte zahlen muss, sondern verdient direkt an den Ausstellern. Wie gesagt: ein echter Clou. Doch wie viel ist er wert in einer Zeit, in der vor allem die Verbrauchermessen zu den Verlierern des Messegeschäfts gehören und mit stagnierenden oder gar sinkenden Besucherzahlen zu kämpfen haben?

Robert Kahmann kennt diese Probleme. Der stellvertretende Geschäftsführer ist bei der Messe Offenburg-Ortenau unter anderem für die Oberrheinmesse, die größte Verbrauchermesse zwischen Karlsruhe und Freiburg, verantwortlich. Die hat im vergangenen Jahr immerhin ein Plus von 3000 auf 72 000 Besucher eingefahren. Das Problem: Die Pforten der Messe waren 2011 einen Tag länger als im Vorjahr geöffnet. Und 2007 kamen noch rund 90 000 Menschen.

In der lokalen Presse war der Aufschrei groß, ebenso die Kritik an dem neuen Konzept, das unter der Woche Events wie ein Konzert von Teeniesternchen oder Auftritte von Fernseh-Comedians vorsieht. Kahmann ist seit anderthalb Jahren in Offenburg und hat „an vielen Stellschrauben gedreht“. Dennoch sei die Oberrheinmesse „wider Erwarten schlecht gelaufen“. Zwar sei die Zahl der Aussteller, mit deren Gebühren die Messegesellschaften das Gros ihrer Umsätze erwirtschaften, auf mehr als 500 gestiegen. Die wollen aber viel zahlungskräftiges Publikum auf dem Gelände. Und das zu locken, wird immer schwieriger.

Kahmann gibt sich ebenso wie Klaus Seilnacht, Chef der Messe Freiburg, keinen großen Illusionen hin. „Die Zeit des Wachstums bei Verbrauchermessen ist vorbei“, sagt Seilnacht. Die Baden-Messe in Freiburg sank 2011 unter die 80 000-Besucher-Marke. Natürlich ist, wie auch Seilnacht betont, das Wetter immer ein entscheidender Faktor. Zu heiß, zu warm, zu schön ist immer schlecht für eine Messe, die vorrangig in Hallen stattfindet. So auch bei der Baden-Messe in diesem Jahr, als am ersten Wochenende brütend heiße Temperaturen das Publikum an Baggersee und ins Freibad trieben. Doch das Wetter ist nur ein Grund für den sinkenden Zuspruch.

Klar ist: Das Konsumverhalten hat sich in den vergangenen Jahrzehnten massiv gewandelt. Internet und Einkaufszentren sind nur zwei Faktoren. Die Verbrauchermesse, früher Höhepunkt der Wochenendplanung mancher Familie, ist nur noch eins von immer mehr Angeboten. Dazu kommt: „Viele Veranstalter haben zu lange den Nachwuchs außer Acht gelassen und zu sehr auf Senioren gesetzt“, erklärt KMK-Chefin Britta Wirtz.

Eine weitere Ursache: Immer mehr Themenbereiche werden aus den Verbrauchermessen herausfiletiert und bekommen eigene Messen. Das schwächt natürlich die eigentliche Verbrauchermesse. Ein besonders erfolgreiches Beispiel ist die „Plaza Culinaria“ in Freiburg, die als „kulinarische Erlebnis- und Verkaufs-Messe“ prächtig funktioniert, andererseits Besucher und Aussteller bindet und so der Baden-Messe Konkurrenz macht.

Auch in Offenburg wurden mit „Gartenzeit“ oder „Bauen + Wohnen“ aus Themenbereichen der Oberrheinmesse eigene Veranstaltungen gemacht. Die laufen nun als eigenständige Special-Interest-Messe gut, ziehen Besucher an und füllen so Gelände und Hallen. Eine Frage drängt sich aber auf: Wird die Verbrauchermesse zur Resterampe, zu einem Sammelsurium an Themen, die alleine keine sogenannte Special-Interest-Messe tragen können?

So weit ist es noch nicht, sagen die Messe-Macher. „Wir mobilisieren mit der Oberrheinmesse mehr als 70 000 Besucher in einem Einzugsgebiet von 400 000 Menschen. Das ist nicht schlecht“, sagt Kahmann. Sein Konzept: „Wir müssen alte Zöpfe abschlagen, ohne das Stammpublikum zu vergraulen. Das haben wir in den vergangenen Jahren etwas versäumt.“

Auch in Friedrichshafen hat man auf die veränderten Rahmenbedingungen reagiert und die IBO auf fünf Tage verkürzt, auch wenn dadurch die Besucherzahlen gesunken sind. Freiburgs Messe-Chef Klaus Seilnacht ist sicher: „Verbrauchermessen wird es immer geben. Aber sie werden sich verändern, das informativ-didaktische Element wird stärker werden“, sagt der FWTM-Chef und fügt hinzu: „Die Verbrauchermesse wird immer eine Art Testmarkt sein, ob bestimmte Themen funktionieren und bei den Besuchern ankommen.“

Ausgerechnet die kleinste Verbrauchermesse im regionalen Bunde, die Regio-Messe in Lörrach, scheint im Messen der Messen besonders gut dazustehen. Sie strebt nach einer Delle im Jahr 2010 die 70 000-Besucher-Marke an. Messe-Chef Uwe Claassen geht ähnlich der Südwest-Messe in Villingen-Schwenningen, deren Besucherzahlen ebenfalls steigen, einen etwas anderen Weg als die Konkurrenz. Vorteil Claassen: Sein Unternehmen organisiert nur diese eine Messe, muss kein Messegelände vermarkten.

Die Konzentration gilt der Regio-Messe. Im nächsten Jahr gibt es etwa einen eigenen Business-Bereich in Lörrach, der als integrierte Fachmesse Geschäftsführer und Entscheider nach Lörrach locken soll. Themen rein statt Themen raus, heißt sein Rezept. Der Erfolg der Regio-Messe hat aber auch mit der Sonderlage Lörrachs zu tun: Claassen hat sein trinationales Einzugsgebiet in den vergangenen Jahren nach und nach erschlossen.

Zurück zum Offerta-Coup. KMK-Chefin Britta Wirtz schlägt mit dem Kauf der größten regionalen Verbrauchermesse drei Fliegen mit einer Klappe: Die KMK generiert mehr Umsatz, hat eine attraktive Marke mehr im Portfolio - und künftig auch die Oberhand über die „strategische Themensteuerung für den Standort im Publikumsbereich“, sagt die Messechefin. „Die Steuerung liegt jetzt ausschließlich bei uns.“ Nun ist es an der KMK zu zeigen, dass auch eine klassische Verbrauchermesse weiter wachsen kann. Denn die Offerta schwankt seit Jahren - zwischen 130 000 und 140 000 Besuchern.

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