Der neue Mix
Wer besser werden will, der hört auf seine Kunden und Mitarbeiter. Dank sozialer Netzwerke ist das einfacher als je zuvor.
18.05.2012 | 14:32
Foto: Archiv
Plötzlich wird es dunkel. Dann ein Geräusch, das langsam näher kommt. Das Gehirn malt ein Bild, das in jeden Agentenfilm passt: Ein Mann schreitet einen Korridor entlang, jeder Schritt hinterlässt ein Klacken auf dem Parkett. Schließlich – das Knarren einer Tür. Jetzt kommt Licht ins Auditorium, auf der Leinwand erscheint der Name einer Firma. United Planet, eine IT-Schmiede aus Freiburg. Schon steht Firmenchef Axel Wessendorf auf der Bühne des Freiburger Konzerthauses. Er will seinen 250 Zuhörern den Arbeitsplatz der Zukunft erklären.
Wessendorf tritt an der Seite seines Chefentwicklers Manfred Stetz ganz in Schwarz auf. Geistige Nähe zu Steve Jobs zu leugnen, wäre lächerlich und Wessendorf versucht es gar nicht. Er bekennt sich zu seinen Einflüssen. Er will hier eine Show bieten, unterhalten und aufklären.„Mein Sohn hat 143 E-Mails auf seinem iPhone“, sagt Wessendorf. „Alle ungelesen.“ Da raunt das Publikum. Was heißt das? Wessendorf übersetzt: „Ich glaube nicht an die Zukunft der E-Mail, weil junge Leute sich nicht für sie interessieren.“
Die nächste Generation ist in Netzwerken zu Hause. Facebook und Twitter sind die prominentesten Vertreter dieser Kategorie. Hier bekommt man sortiert vorgestellt, was die anderen bewegt. Was sie tun und mögen, was sie wollen und müssen. Das, glaubt Wessendorf, wird auch im Geschäftsleben funktionieren.
Doch bis dahin müssen noch viele Entscheidungsträger überzeugt werden. Darum ist Wessendorf heute hier. „Portal Visions“ heißt die zweitägige Konferenz, die United Planet, unterstützt von gut einem halben Dutzend Partner, veranstaltet. Das Echo ist für ein so spezielles Thema beachtlich. Die Ambitionen von United Planet sind es auch.
Doch bislang tut sich der Mittelstand eher schwer damit, das Thema soziale Netzwerke auch als Chance zu begreifen. Laut dem aktuellen Cobus-Wirtschaftsbarometer nutzen drei Viertel der befragten Unternehmen Social Media noch nicht für das eigene Unternehmen (siehe unten). Die Übrigen geben jedoch nahezu ohne Ausnahme an, dass sie auf diesen Wegen nur positive Erfahrungen gesammelt haben.
„Wir lernen viel dazu“, sagt denn auch Jan Jacobsen, Online-Manager der Hochschwarzwald Tourismus GmbH (HTG). Die Facebook-Seite hat aktuell rund 13?000 Fans, den Twitter-Feeds aus dem Gebirge folgen mehr als 1100 Nutzer. Zudem gibt es einen eigenen YouTube-Kanal und eine Rubrik auf dem Bilderdienst Flickr. Auch Jacobsen stellt fest, dass diese Kanäle mehr und mehr die fast schon als klassisch zu bezeichnenden Medien wie Website und E-Mail ersetzen. „Wir bekommen über Facebook komplette Anfragen, etwa für Hotelreservierungen“, stellt er fest. „Und natürlich antworten wir auch darauf“, sagt er. Die interne Vorgabe lautet: innerhalb von 24 Stunden.
Vor drei Jahren ist der YouTube-Kanal der HTG an den Start gegangen. „Für uns ist das auch ein bisschen Talent-Scouting“, so Jacobsen. Man lasse auch Einflüsse von außen zu und finde so neue Wege, den Schwarzwald darzustellen. Der Vorteil liegt auf der Hand: Man muss die Kunden nicht mehr ins Reisebüro lotsen, wo sie dann auch die weißen Strände der Südsee vor Augen haben, sondern kann schon im Wohnzimmer oder in der Straßenbahn mit der Erholungsqualität von hier punkten.
Wer lernen will, wie man von seinen Kunden lernt, der muss in der Regel bei den Unternehmen suchen, die Endverbraucher zum Kunden haben.
Die Karlsruher Drogeriekette DM etwa sucht über ihre Facebook-Seite nach Produkttestern. Das ist Marktforschung mit jedermann im Dienste der eigenen Handelsmarke. „Wir haben unsere mehr als 600?000 Fans auf Facebook schon mehrmals in Produkttests oder Aktionen zur Produktentwicklung eingebunden“, berichtet Laura Laubinger, bei DM verantwortlich für Markenkommunikation und Digitale Medien. So haben die Nutzer etwa an der Entwicklung eines Spülmittels mitgewirkt.
Das Thema soziales Netzwerk ist bei DM zur Kernkompetenz geworden. Eine eigene Abteilung mit 15 Mitarbeitern kümmert sich um die Auftritte bei Facebook, Twitter und YouTube. Und neben dem Konzern sind hier sogar einzelne Marken vertreten, etwa die Naturkosmetik.
Dass der Aufwand etwas bringt, sieht Laubinger unbestritten. Dabei kann man unmöglich feststellen, ob die Facebook-Freunde von DM öfter oder mehr in den Läden einkaufen als die anderen Kunden der Kette. Doch, so Leibinger, darum geht es auch nicht: „Facebook ist für uns kein Vertriebs-, sondern ein Kommunikationskanal. Wir sehen, was unsere Kunden bewegt. In der Möglichkeit, mit unseren Kunden in Dialog zu treten und ihre direkten Impulse aufzunehmen, liegt für uns der wesentliche Wert.“
Dennoch suchen nicht viele den Kontakt zu ihren Kunden so direkt wie DM oder die HTG. „Die Unternehmen werden nicht freiwillig die Hoheit über ihre Produkte abgeben“, vermutet Oliver Speck von der Karlsruher Werbeagentur Specktakulär. Wie man eine Maschine baut oder eine Software programmiert – das berät man lieber nichtöffentlich.
Unsachliche Kritik bräuchten die Unternehmen aber nicht zu fürchten, glaubt Jacobsen. „Wir hören im Grunde nur Gutes“, sagt der HTG-Online-Manager. „Und falsche Gerüchte regelt die Community selbst.“