„Die Auszahlung muss ohne überzogene Prüfung erfolgen“
Schnelle Hilfe in der Corona-Pandemie? Der Steuerfachmann Winfried E. Schmid von der Kanzlei WSS Aktiv Beraten hat teilweise andere Erfahrungen gemacht: „Viele Anforderungen sind kontraproduktiv.“ Im Interview spricht er über Kaffeesatz-Leserei, was wirklich helfen würde und lobt dennoch die Politik
diwe
30.03.2020 | 17:45
Villingen-Schwenningen/Rottweil. Ein Unternehmer sprach gegenüber econo über eine Warnung durch seinen Steuerberater: Er solle die Anträge auf Bundes- und Landesmittel bloß nicht alleine ausfüllen, die Risiken seien zu groß. Wie schätzen Sie diese Aussage ein??
Winfried E. Schmid: Vor dem Wochenende hätte ich Ihre Frage noch anders beantwortet, da war das Ausfüllen der Anträge für die Corona-Soforthilfe tatsächlich sensibel. Aber die Landespolitik hat innerhalb von drei Tagen auf die Kritik reagiert, nun sollen die Hilfsgelder ohne Prüfung des privaten Vermögens ausbezahlt werden. Das ändert die Lage bei der Soforthilfe grundlegend und für diese schnelle Reaktion muss man die Politik loben.
Warum war die Änderung wichtig?
Schmid: Es kann nicht sein, dass diejenigen, die sich in der Vergangenheit gewisse Rücklagen für Investitionen oder ähnliches geschaffen haben, nun die Benachteiligten wären.
Wie hätte man einfacher vorgehen können?
Schmid: Ich hätte mir ein deutlich vereinfachteres Verfahren mit der Möglichkeit der Überprüfung durch die Finanzbehörden gewünscht. Unter Umständen wäre die ausschließliche Koppelung der Auszahlungen an den entstandenen Liquiditätsengpässen ausreichend und richtig gewesen, vor allem bei den Unternehmen die ihre Geschäfte schließen mussten. Ohne Wenn und Aber.
Blicken Sie bitte in die Glaskugel: Wie lange hält die Wirtschaft die aktuelle Lage durch?
Schmid: Leider habe auch ich keine Glaskugel, denn das ist die nach dem Gesundheitsthema die am meisten diskutierte Frage derzeit und kann seriös nicht konkret beantwortet werden. Die Lage ist ernst, sehr ernst sogar. Die Überbrückung der nach dem Krieg noch nie da gewesenen Notlage kann nur geschafft werden, wenn die von der L-Bank und der KFW großzügig zur Verfügung gestellten Mittel auch ohne überzogene Prüfungen der Banken bei den notleidenden Unternehmen ankommen.
Was meinen Sie damit konkret?
Schmid: Aktuell werden, und das von Bank zu Bank unterschiedlich, Liquiditäts- und Ertragsplanungen eingefordert. Teilweise unter Forderung auf persönliche Haftungsübernahmen. Das ist in der Lage kontraproduktiv und Planungsrechnungen sind nichts anderes als Kaffeesatz-Leserei und ein wesentliches Hemmnis für die Kreditgewährungen. Dabei kommt es auf schnelle unkomplizierte Hilfe an, dann ist wenn alle an einem Strang ziehen selbst diese Krise zu meistern.
Wie gehen Sie in der Kanzlei vor, um die derlei Klippen zu umschiffen?
Schmid: Wir wenden bei der Corona-Soforthilfe ein von einem Steuerberater und Kooperationspartner entwickeltes Exceltool an, um die Fragestellungen richtig beantworten zu können. Ohne solche Hilfsmittel wird es schwierig, wenn man es wirklich richtig machen will.
Gilt Ihre Kritik an den Anforderungen für Soloselbstständige, Künstler und Gastronomen wie für produzierende Unternehmen und andere größere Firmen gleichermaßen?
Schmid: Das kann man so nicht pauschal sagen. Die Soforthilfe soll für die kleineren Unternehmen, die vor allem auch von den Schließungen der Geschäfte betroffen sind, eine Überbrückung und Liquiditätshilfe darstellen. Das jetzt geänderte Programm ist dafür geeignet. Bei den produzierenden Unternehmen sind die Herausforderungen allerdings um einiges komplexer. Hier kommt es jetzt vor allem auf die schnelle, unbürokratische Kreditgewährung durch die Banken und Weitergabe der Fördergelder des Bundes und der Länder an.
Und die Alternative zu diesem Szenario?
Schmid: Wirtschaftlich ist das derzeitige Vorgehen alternativlos. Insgesamt geht es jetzt darum zusammen zu stehen, den Egoismus hinten anstellen und uns auf unser christliches Wertesystem zu besinnen. Einander helfen und für den da zu sein, dem es schlecht geht – Nächstenliebe zu zeigen, darauf kommt es in den kommenden Monaten besonders an.??
Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Schmid!
Winfried E. Schmid ist Gründungspartner der WSS Aktiv Beraten Steuer- und Wirtschaftsberatung in Rottweil. Mit mehr als 60 Mitarbeitern und Partnern gehört die Gesellschaft zu den führenden Kanzleien im Südwesten.