Die Autokalypse muss warten

Autohändler sind von der Zukunft des stationären Verkaufs überzeugt – Messe in Freiburg

 
Foto: Peters
 

Freiburg. Die Messe „Automobil“ ist für den Freiburger Autohandel wie Weihnachten für den Einzelhandel. Der Gabentisch ist prall gedeckt, in diesem Fall mit 300 Neufahrzeugen von 40 verschiedenen Marken. Die Kunden haben die freie Auswahl und greifen seit Jahren kräftig zu. Hunderte Autos werden hier bis Sonntagabend verkauft. Doch welche Trends prägen das Geschäft?

Das Geschäft auf dem deutschen Automarkt verläuft gemischt. Bundesweit wurden 2017 etwa 3,44 Millionen Autos verkauft – so viele wie seit acht Jahren nicht mehr und 2,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Das Geschäft mit den Gebrauchten lahmt jedoch. 7,4 Millionen Pkw wechselten 2017 den Besitzer – ein Rückgang um 1,4 Prozent. Der Umsatz im gesamten Kfz-Gewerbe, also einschließlich der Werkstätten, ist ebenfalls um 1,4 Prozent gesunken – auf 174,4 Milliarden Euro. Diese Zahlen nennt der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggebwerbe (ZDK).


Die Stimmung ist gut
Die Händler aus Südbaden sind trotzdem gut gelaunt. Kein Wunder: Auf der Messe, die bis Sonntag dauert, machen sie gute Geschäfte. „Letztes Jahr haben wir auf der Messe 186 Autos verkauft“, sagt Peter König vom Ford-Händler Ernst + König. Beim Händler der Volkswagen-Gruppe, BHG, waren es 67 Fahrzeuge – vom Kleinwagen bis zum Transporter.

Keiner der ausstellenden Händler kommt ohne Diesel-Modell zur Messe. Stattdessen bemühen Verkäufer wie Hersteller sich, das Dieselgate vergessen zu machen. „Wenn man lange Strecken fährt, ist Diesel immer noch das effizienteste Antriebsmodell“, sagt etwa Wolfgang Köpplin, Geschätsführer der Ford-Werke.

Fakt ist aber auch: Diesel war 2017 der große Verlierer. Der Anteil am deutschen Pkw-Markt ist 2007 von 46 auf 39 Prozent gesunken. Die alternativen Antriebe wie Elektro oder Hybrid haben davon aber weniger profitiert als klassische Benziner. Bundesweit liegt der Marktanteil der alternativen Antriebe bei gerade mal 3,5 Prozent. „In der Region Freiburg sind es sechs Prozent“, sagt Sascha Mattes, der mit seiner Firma Invention2Go vor allem Firmenkunden berät, die ohne Verbrennungsmotor Auto fahren wollen.

Nichts ersetzt eine Probefahrt im neuen Porsche
Ein weiteres großes Thema der Messe ist die Digitalisierung. So wie man längst seine neue Küche zu Hause am Computer aussuchen, personalisieren und kaufen kann – so geht das im Prinzip auch beim Fahrzeug. Ein Auto kaufen, ohne ein Mal ins Autohaus zu gehen? „Damit müssen wir rechnen“, sagt Peter Kraft vom Porsche-Zentrum in Freiburg. „Aber es macht lange nicht so viel Spaß wie eine echte Probefahrt.“

Die Händler sind sich einig, dass Autos mit Emotionen verkauft werden. Das Auto sehen, anfassen und fahren – ohne das komme auch das Autohaus der Zukunft nicht aus. Aber ohne digitale Unterstützung geht es auch nicht mehr. Über große Computerbildschirme oder Virtual-Reality-Brillen kann man das Auto seiner Wahl aussuchen. Ein Klick verändert das Sitzpolster oder den Autolack. Soundanlagen simulieren den lauteren Auspuff. „Die Kunden nehmen diese digitalen Systeme an“, sagt auch Timo Schwörer vom Volvo-Händler Kollinger. Und Jürgen Dreger vom Multi-Marken-Händler BHG ergänzt: „Digitalisierung wird groß geschrieben – aber die Händler sind deswegen nicht wegzudenken.“

Schon der Weg zum Autohaus ist digital. Probefahrten, Werkstatttermine – kaum einer lässt hier die Unterstützung durch ein Computersystem aus. 

Autonomes fahren wird die Regel. Autonomes Verkaufen bleibt die Ausnahme.
So wie es scheint, ist aber das autonome Fahren deutlicher näher als das autonome Verkaufen. „Wenn Sie wollen, können Sie heute schon ohne eizugreifen mit einem Auto von Freiburg nach München fahren“, sagt Alexander Hildebrandt. Er ist Leiter des Produktmanagements bei BMW und damit der Mann mit der Kristallkugel. Gebremst werde das autonome Fahren zurzeit nicht von der Technik, sondern von der Gesetzgebung. Wer trägt denn die Verantwortung, wenn der fahrerlose Wagen einen Unfall verschuldet? Der Fahrer, der daneben sitzt? Der Hersteller des Autos? Der Hersteller der Software? Hildebrandt rechnet mit einer Klärung durch den Gesetzgeber innerhalb des nächsten Jahres.

Wenn Elektroautos ins Rollen kommen sollen, brauchen sie aber auch eine bessere Infrastruktur. Fahrer konventionell angetriebener Autos müssen sich kaum sorgen, in fünf Jahren noch eine Tankstelle zu finden. Vier große Hersteller – BMW, Ford, Mercedes und VW – haben sich darum zusammengetan. Spätestens alle 120 Kilometer eine Schnellladesäule, die die Autobatterie in 20 Minuten auflädt – so lautet das gemeinsame Ziel. Hier auf die Politik zu warten, sei nur eine Ausrede, sagt Berater Mattes. Schon heute könne man Autos mit jeder Steckdose in 16 Stunden aufladen. 65.000 Menschen pendeln täglich nach Freiburg zur Arbeit – viele davon mit Auto. Sie brauchen Ladestation, wenn sie eine Steckdose in der Garage haben. „Eine eigene Schnellladesäule zu bauen, kostet auch nur 1500 Euro“, so Mattes.

Die Umweltprämie, die es für alternative Antriebe gibt, steht wohl auch unter der nächsten Bundesregierung nicht zur Disposition. Die SPD hat sogar ins Spiel gebracht, sie für gewerbliche Zwecke auszubauen. Bis zu 8000 Euro zusätzlich soll es geben, wenn etwa ein Taxi-Unternehmer oder ein Pizzabote ein elektrisches Fahrzeug kauft. Mattes wendet ein: „Das ist ein alter Hut. In Baden-Württemberg gibt es das bereits.“ Car-Sharing-Anbieter, Pflegeunternehmen, Taxis und auch Kurierdienste – egal ob Pizza oder Pakete – bekommen vom Land 6000 Euro Zuschuss. Zusätzlich zu der Umweltprämie von 4000 Euro, die sich Bund und Hersteller teilen. Das einzige Problem: „Es dauert Monate, bis der Antrag durch ist“, so Mattes.

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