Die Corona-Kreativen #2
Angesichts der Pandemie kann man in Schwarzmalerei verfallen oder einfach fassungslos dasitzen. Das hilft aber weder Händlern noch Gastronomen noch Handwerkern – deshalb münzen sie bemerkenswert schnell die Krise zur Chance um
red
17.04.2020 | 09:00
Konstanz/Allensbach/Rielasingen. Dass Corona eine Krise, ja inzwischen eine Frage des (wirtschaftlichen) Überlebens ist, darüber wird hinlänglich berichtet. Wie der Shutdown aber auch kreativ genutzt werden kann – oder sogar zum sprichwörtlichen "Tritt in den Hintern" wird, zeigt eine Auflistung der Handwerkskammer Konstanz. Hier finden Sie übrigens den ersten Teil unseres Überblicks mit weiteren Denkanstößen aus Stuttgart, Villingen-Schwenningen oder auch Karlsruhe.
// Digitale Kundenakademie: Kostenlose Webinare für potenzielle Kunden
Trotz Kontaktverbot neuen Kundenkontakt aufbauen: Wie das funktioniert, zeigt die "digitale Kundenakademie" von Dietenmeier + Harsch Haustechnik. Wer sich für ein neues Bad oder eine Heizungssanierung interessiert, kann sich auf der Unternehmenswebsite für einen halbstündigen Akademie-Termin anmelden. In einer Videokonferenz erläutern Thomas Dietenmeier und seine Kollegen den Teilnehmern dann die wichtigsten Informationen und beantworten alle Fragen der potenziellen Kunden. Auch individuelle Kundenberatungen sind möglich. "Für das Handwerk ist die Digitalisierung, die wir durch Corona noch schneller vorantreiben, eine große Chance", betont Dietenmeier. Dank der digitalen Kommunikationsmöglichkeiten könne man noch flexibler auf Kunden eingehen und gleichzeitig Prozesskosten sparen.
// Prototyp: Neues Produkt sorgt für guten Umsatz
Die Corona-Pandemie hat Martin Bruder innerhalb kürzester Zeit ein neues Geschäftsfeld beschert: Schutzwände aus Acrylglas. Während die Mitarbeiter des Allensbacher Handwerksbetriebs bislang vor allem Leuchtbuchstaben und Werbestelen aus dem Material angefertigt hatten, finden nun individuell gefertigte Schutzwände großen Absatz. "Ein Apotheker hat uns gefragt, ob wir nicht eine Wand für seine Verkaufstheke herstellen könnten", erzählt der Geschäftsführer. Drei Tage später stand der Prototyp und schon kurz nach dessen Auslieferung gingen immer mehr Bestellungen ein – von weiteren Apotheken, Arztpraxen, schließlich auch von Buchläden und Bäckereien. Nur zwei Wochen nach Produktionsbeginn hat das Familienunternehmen 20 neue Kunden beliefert. Zwar werde der Markt gerade von Schutzwänden überschwemmt, so Bruder, aber nur wenige Betriebe böten Sonderanfertigungen an, die sich den Gegebenheiten perfekt anpassen. Und schon jetzt wird an einem weiteren Produkt getüftelt. Der Prototyp diesmal: Eine Schutzmaske aus Polycarbonat für Zahnärzte.
// Online-Shop: Wurstversand per Fahrradkurier und DHL
Einen Lieferservice gibt es bei der Metzgerei Otto Müller schon länger – nur wusste bislang kaum jemand davon. "Ehrlich gesagt, haben wir schon eine Weile mit einem professionellen Online-Shop geliebäugelt", sagt Geschäftsführerin Katharina Müller. Da aufgrund der Corona-Pandemie in allen acht Filialen die Laufkundschaft einbrach, wurde die Idee nun in die Tat umgesetzt. Wenn auch per Zufall: "Max Rimmele, der Sohn unseres Zulieferers, arbeitet im Bereich Onlinemarketing", so Müller. Er fragte die Geschäftsführerin, ob er sich um die Einrichtung eines Online-Shops kümmern solle. Wenige Tage darauf war der Webshop online –- und nur eine halbe Stunde später trudelte die erste Bestellung ein. "Da war ich schon baff", sagt Katharina Müller. Bis heute erstaunt sie die große Resonanz: "Wir haben Bestellungen aus ganz Deutschland, erst heute haben wir eine Bodensee-Salami per DHL nach Köln verschickt." Allerdings liege der Fokus auf der regionalen Auslieferung. Innerhalb der Stadt Konstanz wird die Ware per Fahrradkuriere ausgeliefert, für Lieferungen in die Vororte und auf den Bodanrück kommen die firmeneigenen Lieferfahrzeuge zum Einsatz. "Dass der Online-Shop jetzt so gut läuft, ist für uns ein schönes Erfolgserlebnis in dieser schweren Zeit", freut sich Müller.
// Marketing: Holz-Ostereier für Kinder
Die Auftragsbücher der Schreinerei Sandmann in Konstanz sind in diesen Tagen voller denn je. Trotzdem hat sich Schreinermeister Stefan Kraus eine ganz besondere Osteraktion einfallen lassen: Insgesamt 800 Holz-Ostereier zum Anmalen haben er und seine Kollegen angefertigt und als Geschenk vor die Werkstatt gestellt. "Damit wollten wir Familien ermutigen, zuhause zu bleiben", erzählt Stefan Kraus, selbst Vater von zwei Kindern. Via Instagram und Facebook machte seine Frau auf die Aktion aufmerksam und verkündete, dass unter den eingesandten Fotos der bemalten Eier ein Therme-Gutschein für die ganze Familie verlost würde. "Unser Wunsch war es, mit den Ostereiern die Langeweile zuhause zu vertreiben", so Kraus. Der Plan ging auf: Nach nur wenigen Minuten waren die ersten 200 Holz-Eier vergriffen. Und auch die zweite und dritte Fuhre waren im Nu weg. Der Schreinermeister hofft, mit der Aktion und durch das positive Medienecho bei dem einen oder anderen zukünftigen Kunden im Gedächtnis zu bleiben – denn "wie es nach Corona weitergeht, weiß niemand", sagt er.
// Kreativer Onlineverkauf: Ketten, Gutscheine und Lose
Mitten in der Hochsaison für Eheringe mussten die Goldschmiedemeister Sarah Kessler und Christian Bürger wegen der Corona-Verordnung ihren Laden Bling in der Konstanzer Neugasse schließen. Geschockt, doch unter Hochdruck stellten sie in nur wenigen Tagen einen Online-Shop auf die Beine, arbeiten jetzt abwechselnd in der kleinen Werkstatt und beraten per Telefon oder Instagram. Der Online-Shop führt dabei keineswegs bloß Ketten, Anhänger und Ohrstecker. Als Angebot zahlt man Gutscheine weniger und kann mit dem Kauf eines Gewinnloses sogar auf einen 1.000 Euro-Gutschein hoffen oder bei kleinerem Budget zumindest die Kaffeekasse der beiden Meister füllen. Das kam sofort gut bei den Kunden an, die ja selbst "Angst haben, dass die Stadt nach der Krise eine andere ist und viele kleine Geschäfte weg sind", meint Kessler. Umso schöner, dass die Blings in diesen Tagen häufig erfahren, wie sehr sie geschätzt werden. Denn, so Kessler: "Wir können ackern so viel wir wollen, am Ende brauchen wir einfach den Support unserer Kunden."
// Corona-Tröster: Süße Ablenkung in der Krise
Warum die Krise nicht auch mit Humor nehmen? Das dachten sich die Mitarbeiter der Bäckerei Schoch aus Rielasingen und so liegen seit Beginn der Pandemie täglich Amerikaner mit Mundschutz in der Auslage. Und auch eine Klopapier-Sahnetorte ist zu haben. "Das ist natürlich ein Gag", sagt Geschäftsführerin Isabell Burkart, "aber wir wollen unsere Kunden mit den neuen Gebäckstücken ein bisschen durch die schwere Zeit trösten – deswegen haben wir den Amerikaner auf den Namen Corona-Tröster getauft." In den sieben Filialen der Bäckerei kommt der süße Tröster gut an und sorgt regelmäßig für lachende Gesichter. Die Klopapier-Sahnetorte wurde zunächst nur auf Bestellung produziert, aber aufgrund des großen Interesses haben die Konditoren bereits eine günstigere Variante entwickelt, die seit Ostern in den Verkaufsgeschäften steht.