Die Freude am Absurden

Die Konjunktur kühlt ab. Und die Politik ist darauf nicht vorbereitet. Lieber lässt die mit ihrer EU-Kakofonie Zeit verstreichen, meint Econo-Redaktionsleiter Dirk Werner

 
 

Machen wir uns nichts vor. Der Abschwung, der Konjunktureinbruch, sie werden kommen. Schon vor Wochen hat man in Gesprächen mit Geschäftsführern erfahren können, was all die Indizes wie das ZEW-Konjunkturbarometer und das Cobus-­Wirtschaftsbarometer jetzt abbilden: Der Boom geht vorbei. Die Auftragsbücher sind zwar voll, aber es kommt weniger nach.
Das ist auch nicht schlimm. Das ist der Lauf der Wirtschaft.
Man kann es mit Sisyphos vergleichen: Es ist ein stetes Auf und Ab. Ob man will oder nicht. Doch nicht erst seit dem Schriftsteller Albert Camus wissen wir: Trotz seiner absurden Situation ist Sisyphos ein glücklicher Mensch.
Welcher Entscheider in der Wirtschaft wollte dem auch widersprechen?
Also wird im Sinne des Mythos in absehbarer Zeit der Stein wieder nach oben geschoben. Nur – und damit zurück in die reale Welt – die Ausgangslage ist ungleich schwieriger als beim letzten Absturz 2008. Damals haben die Staaten weltweit tief in die Tasche gegriffen, haben Konjunkturprogramme zuhauf gestartet. Erinnert sei an die bundesdeutsche Abwrackprämie oder das Kurzarbeitergeld. Die Notenbanken unterstützten das Treiben mit niedrigen Leitzinsen nahe Null kräftig.
Ob Sinn oder Unsinn: All die Instrumente haben ihre Wirkung (zumindest bei uns) nicht verfehlt.
Doch nun stehen die Staaten von wenigen Ausnahmen abgesehen mit leeren Säckeln da. Griechenland ist da nur ein besonders plakatives Beispiel. Den USA, Italien und Frankreich geht es nur unwesentlich besser. Bei uns Deutschen ist der Schuldenberg ebenfalls gewachsen. Mit den Schlagzeilen von den „Steuermehreinnahmen“ wird das verschleiert.
Genau an dieser Stelle beginnt das Problem: Was machen wir, wenn in zwei, drei, vielleicht auch in sechs Monaten der Einbruch kommt? Die Politik ist in keiner Weise darauf vorbereitet.
Im Sisyphos’schen Sinne ist dann der Stein kaum zu bewegen.
Dabei ist es nicht so, dass von Seiten der maßgebenden Personen wie Angela Merkel und Nicolas Sarkozy nichts getan wurde. Im Gegenteil. Die Politik hat immer wieder etwas getan. So bürgt allein Deutschland aufgrund des Euro-Rettungsschirms bald mit 168 Milliarden Euro, weitere 22 Milliarden Euro müssen direkt nach Brüssel überwiesen werden. Dazu kommt die Europäische Zentralbank, die Mitte August für 20 Milliarden Euro schwächelnde Staatsanleihen aufgekauft hat. Wobei Juristen bezweifeln, dass dieses Vorgehen durch europäische Verträge gedeckt ist.
Das Schlimme an all diesen Milliarden-Schiebereien: Es gibt dahinter kein erkennbares Konzept. Wie will man die Schuldenkrise bewältigen? Wie will man wieder handlungsfähig werden? Um dann beispielsweise bei ­Konjunktureinbrüchen stabilisierender Faktor sein zu können. Oder auch „nur“, um die Haushalte ins Gleichgewicht zu bringen.
Stattdessen gibt es geradezu eine EU-Kakofonie, die Länder sind zerstritten. Und wenn Beschlüsse wie jüngst beim Treffen des Duos Merkel und Sarkozy gefasst werden, dann sind die ungeheuer plakativ. Aber ohne Leben.
Als Beispiel sei nur das Stichwort Schuldenbremse genannt. Bis die, wie vom Duo furioso ersonnen, in den Verfassungen sämtlicher 17 Euro-Länder verankert ist, rollen noch viele Steine die Hänge herab. Wer wüsste besser, wie schwer man sich mit dieser Bremse tut, als wir Deutschen?
Zugegeben: Aus der Schuldenkrise führt kein Königsweg. Schon allein, weil niemand dafür ein Patentrezept hat. Aber es gibt Finanz­instrumente wie Eurobonds oder Schuldenschnitte, die hilfreich sein können. Die sind nicht unumstritten, aber wenn sie jemand mit Rückgrat und im Schulterschluss mit allen Partnern als Mittel der Stunde verkündet, dann beeindruckt das. Genau das fehlt!
Aber damit wäre der Stein des Sisyphos leichter. Und er hätte noch mehr Freude an der Absurdität.

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