Die gute Flasche

Die Bad Dürrheimer Mineralbrunnen ist bundesweit Vorreiter der Branche bei PET-Gebinden: die sind zu 100 Prozent aus Recyclat – aus eigener Forschung und trotz höherer Kosten. Die Herangehensweise ist dabei bemerkenswert

 
Foto: Bad Dürrheimer
 

Bad Dürrheim. Viele Worte muss man über PET-Flaschen und Kunststoff generell nicht mehr verlieren. Die Bilder von vermüllten Stränden sind Legion, die breite Meinung dazu ist eindeutig. Anstrengungen rund um Müllvermeidung und Recycling sind dagegen in der Öffentlichkeit kaum vertreten. Über die Gründe mag man spekulieren – einer wird in drei Absätzen weiter unten thematisiert. Doch zunächst zur Bad Dürrheimer Mineralbrunnen: die haben nämlich in Sachen PET-Flaschen einfach mal gemacht.

Die Ausgangslage.
Bereits seit einigen Jahren füllt der Brunnenbetrieb Getränke in PET-Gebinde mit einem Recyclat-Anteil von 55 Prozent ab, das Petcycle-Kreislaufsystem funktioniert. "Problemlos", wie Geschäftsführer Ulrich Lössl auf econo-Nachfrage betont. Bad Dürrheimer gehört mit 140 Mitarbeitern, 100 Millionen Litern Abfüllmenge und rund 27 Millionen Euro Umsatz pro Jahr nicht nur zu den größten Betrieben im Land, sondern setzt immer wieder Maßstäbe, sei es mit Bio-Wasser, Etiketten aus Recycling-Papier beim kompletten Sortiment, Kooperationen in Sachen Bienenweiden oder auch als nach eigener Aussage "erste vollumfänglich klimaneutrale Mineralwasser-Marke Baden-Württembergs". 

Die Heransgehensweise.
Angesichts dieses immer wieder formulierten Anspruchs gab Lössl ein neues Ziel in Sachen PET aus: 55 Prozent Recyclat-Anteil sind nicht genug. Schließlich sei allen in der Branche klar, dass ein hoher Recyclatanteil deutliche Vorteile in der Ökobilanz bringe. Allein es ging niemand voran.

Hier kommt Tanja Klemens ins Spiel, damals Masterandin, heute Leiterin der Qualitätssicherung. Sie sollte im Rahmen einer Masterthesis aufbereiten, wie sich der erwünschte Sprung um 20 Prozent bewerkstelligen lasse: "Es gab kaum valide Untersuchungsergebnisse über mögliche Folgen. Deshalb ging es darum, ausreichend wissenschaftlich gesicherte Kenntnisse zu sammeln." Gesagt getan. Und schnell war klar: Die 75 Prozent-Variante brachte kaum Abweichungen von den Erfahrungen mit der 55 Prozent-Flasche.

Deshalb formulierte Chef Lössl schnell eine neue Losung: 100 Prozent soll das Ziel sein! Nicht irgendwann, mal schauen oder als Fernziel – sondern in einem Sprung. Also machte Klemens in Abstimmung mit den Preform-Herstellern neue Versuche, die ebenfalls erfolgreich verliefen: "Damit war der Grundstein gelegt, dass wir als erster deutscher Mineralbrunnen den Weg mit der PET-Flasche aus 100 Prozent Recyclingmaterial gehen konnten."

Da sich PET sehr gut und effizient recyceln lässt, ergibt sich dadurch eine echte Kreislaufwirtschaft. Bei Bad Dürrheimer hat man darüber hinaus Prüfinstanzen etabliert, um die 100 Prozent auch in der Praxis gewährleisten zu können, arbeitet zusätzlich an einer speziellen Zertifizierung.

Die Kosten.
Jetzt kommt der Laie ins Spiel: Den Abfall, also die zurückgebrachten Flaschen zu recyceln müsste sich eigentlich auch finanziell für den Brunnen lohnen. Tut es sich aber nicht. Laut Lössl hat Bad Dürrrheimer durch den Einsatz des Recyclats "jährliche Mehrkosten im sechstelligen Bereich".

Oder anders ausgedrückt: Eine Dürrheimer-Recycling-Flasche ist um rund 50 Prozent teurer, wie eine aus PET-Neumaterial. Lössl: "Der Preis für das Neumaterial, einem hochwertigen und limitierten Rohstoff, ist im Grunde viel zu tief." Deshalb gebe es auch immer noch Abfüller, die Flaschen ohne Recyclatanteil anbieten. "Aus ganzheitlicher Sicht ist das in heutiger Zeit nicht mehr tragbar und akzeptabel. Die Vorgaben seitens der Politik müssten wesentlich schärfer werden. Wir zeigen mit unserem Modell was machbar ist", so der Geschäftsführer. Wobei man dazu wissen muss: Bad Dürrheim gehört zu den Premium-Anbietern mit entsprechendem Preisniveau.

Die Branche.
Bad Dürrheimer war der Primus, man sieht sich selbst in einer Vorreiterrolle. Das hat zu ersten Bewegungen bei Mitbewerbern geführt: Auch die Brunnen Romina und Peterstaler haben inzwischen das PET-Sortiment auf 100 Prozent Recyclat umgestellt. Alle drei stehen darüber hinaus im engen Erfahrungsaustausch.

Die Zukunft.
Am Ende bliebt aber angesichts von Bildern vermüllter Strände und sensibilisierter Verbraucher eine Frage: Hat die PET-Flasche eine Zukunft? Die Anteile jedenfalls gehen zurück. Bei Bad Dürrheimer beispielsweise ist der Anteil der Glasflasche in den vergangenen Monaten um zehn Prozent auf rund 70 Prozent gewachsen. Und auch ein weiterer großer Brunnen im Land spürt das geänderte Verbraucherverhalten: Die Winkels Gruppe investiert aktuell 19 Millionen Euro in eine weitere Abfüllanlage für Glasflaschen samt Gebäude.

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