„Die Leute sollen bestellen, weil sie es geil finden“
Sascha Mozdzierz umschifft mit seinen Friseursalons und einem Barbershop die Corona-Klippen. Im Interview erläutert er, warum er auf die Anordnung zur Schließung hoffte, wie er schnell zwei erfolgreiche Onlineshops eröffnete, aber nicht um Kunden bettelt und weshalb die Aufbauarbeit nicht verpufft ist – trotz der Barbershop-Schließung nur wenige Tage nach Neueröffnung
diwe
29.04.2020 | 13:00
// Wie fühlen Sie sich in der aktuellen Situation, persönlich und wirtschaftlich?
Sascha Mozdzierz: Tatsächlich recht entspannt. Momentan wird deutlich, unsere Branche hat nicht nur Nachteile hat - die Terminbücher füllen sich massiv. Gott sei dank! Außerdem hat unsere Mentalität immer einen Schritt weiter zu sein oder einen Plan B in der Schublade zu haben, massiv geholfen.
// Wie haben Sie wirtschaftlich auf die Krise reagiert?
Mozdzierz: Wir haben unsere Mitarbeiter nach Schließung der Standorte in die Kurzarbeit geschickt und für die "Uschi"-Salons auch Soforthilfe erhalten.
// Kann der weggebrochene Umsatz der vergangenen Wochen überhaupt wieder erwirtschaftet werden? Zumal auch die kirchlichen Feiertage und Hochzeiten ausgefallen sind...
Mozdzierz: Das wird sicherlich schwer. Vor allem in den "Uschi"-Salons. Sechs Wochen keine Haare schneiden sind eben sechs Wochen keine Haare schneiden. Das wird schlichtweg am Jahresende fehlen. Ich bin gespannt wie viel wir davon wieder reinholen können, aber ganz so einfach wird das nicht.
Für "Uschi" haben wir die Zeit genutzt und einige Lehren aus der Situation gezogen. Wenn ich in wenigen Jahren zurückschauen kann und sehe, dass es gewisse Entwicklungen ohne Corona gar nicht gegeben hätte, würde mich das sehr freuen. Die nächsten beiden Jahre werden aber auf alle Fälle recht spannend – und abgerechnet wird ohnehin am Ende.
// Nur wenige Tage vor der Schließung haben Sie Ihren Barbershop "Klaus" in Nagold um ein Shop-in-shop-Konzept mit Bekleidung erweitert, zuvor bereits den "Uschi"-Standort in Rottenburg mit der Marke "Aprilmädchen" um ein Café ergänzt. All die Aufbauarbeit ist verpufft?
Mozdzierz: Ganz im Gegenteil! Ein Teil des neuen "Klaus" Konzeptes war ein angedocktes Onlinekonzept, das im Herbst 2020 hätte starten sollen. Wir haben zu keinem Zeitpunkt den Kopf hängen lassen und sind direkt am Tag der Schließung mit allem was wir hatten in die Onlinegeschichte gestartet. Heraus kam ein Onlineshop für Männer mit den Bereichen Klamotten sowie Haar- und Bartpflege sowie eine feine Auswahl an Spirituosen. Da hatten wir richtig viel zu tun und sind erst vor kurzem fertig geworden.
Mein Geschäftspartner Dominic Hammer und ich haben ja erst vergangenes Jahr den "Klaus" in eine gemeinsame OHG gepackt und zum Jahresanfang die Geschäfte aufgenommen – da war es natürlich völlig surreal nach vier Monaten Umbau und der Eröffnung am 7. März unsere Mitarbeiter am 14. März die Erklärung zur Kurzarbeit unterschreiben zu lassen. Gut, dass wir genug Schnaps im Haus hatten! (lacht)
Aprilmädchen hätte im April mit einem neuen Standort in Nagold eröffnen sollen, das blieb leider aus. Dafür haben wir eben mehr Zeit für den Umbau und Nagold bekommt nach Corona das schönste Café weit und breit! (lacht)
Unterm Strich kann ich sagen das wir im Team eine richtig starke "JETZT ERST RECHT" Mentalität an den Tag gelegt haben!
// Bei "Aprilmädchen" kann man Gutscheine im Internet bestellen, unter der Marke "Schwarzwald's Finest" gibt es wie erwähnt rund um den Barbershop ein Onlineangebot – das wird aber allenfalls ein Zusatzgeschäft sein?
Mozdzierz: Bei "Aprilmädchen" haben wir mehr oder weniger direkt nach der Schließung ein kleines Onlinekonzept aufgebaut, bei dem man sich eine Cakebox mit den Lieblingskuchen in Mini zusammenstellen und liefern lassen kann. Das Ergebnis ist krass: Meine Frau hat ihre Umsätze nahezu aufrecht erhalten und in den sozialen Medien mehr als 30 Prozent an Follower dazubekommen. Sowohl finanziell wie auch aus Marketingsicht war das super. Wir arbeiten gerade dran, diese Sparte langfristig in das Konzept einzubauen.
"Schwarzwald's Finest" war die perfekte Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt. Wir wollten unter keinen Umständen in die "Support your Local"-bla-bla-Schiene rein und nach Hilfe "betteln" sondern ein Konzept auf die Beine stellen, das eine klare Alleinstellung hat. Die Leute sollen bestellen, weil sie's geil finden! Und genau das funktioniert.
Aktuell haben wir mehr als 15 Kampagnen in den sozialen Medien und Suchmaschinen laufen und können es selbst noch nicht fassen das jeden Tag Menschen aus Nord, Süd, Ost und West Zeugs bei uns bestellen. Da waren bereits Tage dabei, da hätten wir Stationär das Nachsehen in Bezug auf den Umsatz gehabt. Für uns ist klar, das das der spannendste Bereich in den kommenden 24 Monaten wird – dafür haben wir noch einiges in der Pipeline. (lacht)
// Von Seiten der Friseurinnung kam zu Beginn der Einschränkungen eine Mitteilung, laut der man die Anordnung zur Schließung der Salons begrüßen würde, da die Mitarbeiter sich beim Umgang mit den Kunden unwohl fühlen würden. Damals galten Friseure noch als systemrelevant. Wie haben Sie die Lage erlebt?
Mozdzierz: Ganz ähnlich, wie es der Verband beschreibt. Irgendwann hatten wir im Team jeden Abend Diskussionen, warum jeder Zuhause bleiben soll aber unsere Mitarbeiter weiterhin Kunden mit den Händen anfassen sollen. Das war schwer nachvollziehbar und ich war offen gestanden erleichtert, als an einem Freitag Abend die Nachricht kam, wir dürfen endlich zumachen. Die Tage davor waren die verrücktesten im Geschäft, die ich bisher erlebt hatte.
// Wie schätzen Sie generell die aktuellen Vorgaben zur Wiedereröffnung ein? Würden Sie sich klarere Angaben wünschen?
Mozdzierz: Los geht's im "Klaus" und in den "Uschi"-Salons Anfang Mai. Die Vorgaben sind natürlich bescheiden, bei "Klaus" dürfen wir keine Bärte oder Rasuren machen, das ist schade aber nachvollziehbar. Generell denke ich die Situation ist in Anbetracht der Umstände ganz ok – bedingt durch unsere eher großen Standorte können wir relativ einfach jede Maßnahme gut umsetzen und trotzdem die Ästhetik in unseren Läden wahren. Jedoch müssen wir in beiden Firmen einen Corona Zuschlag erheben, da wir's uns nicht leisten können, jetzt auch noch die Rentabilität durch Kosten für Hygiene und Mundschutz und so weiter nach unten zu schrauben.
// Wie würden Sie als Verantwortlicher generell mit der Situation umgehen?
Mozdzierz: Ich glaube die Regierung hat das schon ganz gut gemacht. Die Situation war schnell und gut unter Kontrolle, angekündigte Hilfen kamen auch sofort – das alles muss uns erstmal jemand nachmachen. Unabhängig vom Café meiner Frau finde ich, dass die Gastronomie langsam wieder Fahrt aufnehmen sollte. Wenn man Friseure öffnet und Restaurants nicht, dann stimmt für mich was nicht. Die Branche muss wieder aufgehen.
// Hand aufs Herz: Kann es eine Rückkehr zur früheren Unbeschwertheit geben – sowohl beim persönlichen Umgang in Ihren Salons wie auch überhaupt in der Gesellschaft?
Mozdzierz: Das hoffe ich doch sehr! Genau das persönliche und freundschaftliche war immer unsere Stärke. Der Tag wird kommen, an dem es wieder so sein wird – darauf freue ich mich! (lacht)
Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Mozdzierz!
Sascha Mozdzierz hat 2015 den bundesweit beachteten Barbershop "Klaus" in Nagold eröffnet. Aus dem Salon seiner Mutter wurden parallel unter seiner Regie inzwischen zwei Standorte mit rund 30 Mitarbeitern, die pro Monat gut 1500 Kunden bedienen. Mehr über seine Aufbauarbeit von "Klaus" erfahren Sie hier. Und wie er die sozialen Medien für das Marketing nutzt und warum er in Nagold einen "Kiez" aufgebaut hat, lesen Sie hier.