Die SPD und das liebe Geld
Es hört sich überraschend an. Aber sie kann tatsächlich damit umgehen. Doch nur unter ganz bestimmten Umständen, meint econo-Herausgeber Klaus Kresse
klkr
19.08.2011 | 13:04
Norbert Blüm. Den kennen Sie doch noch, oder? Das war der Unionspolitiker, der vor seiner Zeit als Kabarettist die Nation mit der Botschaft überraschte: „Die Rente ist sicher.“
Das war, mit Verlaub, unseriös. Doch selbst solche Luftnummern lassen sich noch toppen. Die SPD jedenfalls kriegt das hin.
Mehrfach sogar. Als Serientäter sozusagen.
Das ist so gravierend, dass wir es nachzeichnen müssen. Beginnen wir im Jahr 1997. Da regierte in Berlin noch eine schwarz-gelbe Koalition unter Kanzler Helmut Kohl. Union und Liberale einigten sich darauf, in die Rentenformel einen demografischen Faktor einzubauen. Die Renten sollten fortan weniger stark erhöht werden als ursprünglich geplant. Damit wollte die bürgerliche Koalition dem Umstand Rechnung tragen, dass es bei uns immer weniger Nachwuchs gibt und deshalb immer weniger Menschen immer mehr Ruheständler finanzieren müssen.
Ein richtiger, konsequenter Ansatz. Der nur einen Nachteil hatte: Er passte nicht ins sozialdemokratische Weltbild. Denn da haben die Wünsche meist Vorrang vor den Realitäten.
Ergebnis: Nachdem 1998 die Kohl-Truppe von Rot-Grün abgelöst worden war, ließ die neue Regierung unter Gerhard Schröder den demografischen Faktor schlicht unter den Tisch fallen.
Was das Problem mit der maroden Rentenkasse natürlich nicht lösen konnte. Aber der kleine Wohlstandsgewinn per Kabinettsbeschluss tat einfach der sozialdemokratischen Seele gut. Und er verbesserte die Beziehungen zu den Gewerkschaften.
Wie sich die Bilder gleichen: dasselbe Spiel in diesem Sommer! Obwohl der Rentenkasse immer mehr Steuergelder zugeführt werden müssen, ermogeln sich die Sozialdemokraten wieder Beifall von den Gewerkschaften.
Wüsste man es nicht besser, dürfte an der Intelligenz von SPD-Chef Sigmar Gabriel gezweifelt werden. Aber der Mann ist nicht irrational. Er weiß, was er tut.
Dass es schwachsinnig ist, den Einstieg in die Rente mit 67 vorerst einmal auszuhebeln und um mindestens drei Jahre zu verschieben, müsste ihm daher klar sein. Zumal die SPD genau dieses Rentenalter in der Großen Koalition mitbeschlossen hatte. Selbst die sonst SPD-affinen Grünen können sich da nur wundern. Die grüne Fraktionssprecherin Kerstin Andreae: „Der feste Fahrplan für die Rente mit 67 muss bleiben. Ein Herumdoktern mit Jahren und Monaten verschiebt das Problem in die Zukunft.“
Das schert den Populisten Gabriel sicher nicht. Im Gegenteil. Er weiß sich im engen Schulterschluss mit Leuten wie Frank Bsirske, dem Gewerkschafts-Boss von Verdi. Denn der urteilte jüngst: „Die Rente mit 67 ist Mist!“
So weit also der Vorgang, der das sommerliche Nachrichtenloch füllte. Er nahm immerhin so viel Raum ein, dass eine andere Information fast unterging – die Meldung, die unter der Zeile „SPD-Medienholding will beim Personal sparen“ durch Fachblätter lief.
Schieben wir kurz ein, um was es sich bei dieser Holding handelt. Die SPD ist traditionell stark im Mediengeschäft engagiert und hält über dieses Konstrukt, die Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft (DDVG), Anteile an zehn Zeitungshäusern – unter anderem an „Frankfurter Rundschau“, „Westfälische Rundschau“, „Hannoversche Allgemeine“ und „Sächsische Zeitung“. Hinzu kommen Mehrheits- oder alleinige Anteile an „Vorwärts“ und „Öko-Test“ sowie an Druckereien.
Sparen oder sterben: Das ist für DDVG-Geschäftsführer Jens Berendsen das Motto. Bei den heutigen Personalkosten würden die meisten Regionalverlage die nächsten vier Jahre nicht überleben. Deshalb gehörten die Personalkosten „strukturell auf den Prüfstand“. Logisch, denn über Zahlen kann man nun mal nicht diskutieren.
Das lehrt uns: Sozialdemokraten können sehr wohl mit Geld umgehen. Aber nur, wenn’s ihr eigenes ist.