„Digitalisierung tut nicht weh“

Julia Mohrbacher vom Digihub Südbaden über den Corona-Effekt auf die Digitalisierung – und was davon übrig bleibt

 
Foto: oh
 

Freiburg. In der Corona-Krise mussten viele Unternehmen sich umstellen: Physische Treffen wurden vermieden, Mitarbeiter ins Home-Office geschickt. Dafür brauchte es neue digitale Lösungen für die Zusammenarbeit. Ist das nur ein Corona-Hype oder bleibt nach der Krise etwas davon hängen? econo-Redakteur Philipp Peters hat darüber mit Digitalisierungs-Expertin Julia Mohrbacher gesprochen.

Frau Mohrbacher, hat die Corona-Krise den Drang der regionalen Unternehmen verstärkt, sich zu digitalisieren?

Julia Mohrbacher: Ja, denn sie mussten es tun. Vor allem das Thema Home-Office hat im Zuge der Kontaktvermeidung viele Unternehmen umgetrieben. Das hat bei vielen zu dem Umdenken geführt, dass die Digitalisierung an sich nichts Schlechtes ist.

Der Digihub unterstützt Firmen bei der digitalen Transformation. Hatten Sie mehr Anfragen in den vergangenen Monaten?

Mohrbacher: Als der Lockdown kam, war bei uns Funkstille. Da war die Soforthilfe wichtiger. Aber dann kamen immer mehr Unternehmen auf uns zu, um sich zu erkundigen: Wie kann ich meine Mitarbeiter gut ins Home-Office schicken? Welche Tools brauche ich dafür? Wie kann ich gut digital führen? Das waren häufige Fragen. Dazu kommen dann die Sicherheitsthemen, weil es ja nicht die beste Lösung ist, jemanden von zu Hause über dessen Internet-Leitung offen irgendwelche Cloud-Anwendungen nutzen zu lassen.

Können Sie schon abschätzen, ob das eine langfristige Veränderung sein wird oder drehen wir das Rad zurück, sobald das öffentliche und berufliche Leben sich normalisieren?

Mohrbacher: Wir hoffen natürlich, dass dieser Schwung zur Teil-Digitalisierung – hier ging es ja vor allem um die Kommunikation – nun dazu führt, dass die Augen geöffnet werden. Digitale Transformation ist ja nicht nur Remote Communication. Die Digitalisierung sollte nicht nur ein Werkzeug zur Prozessoptimierung sein. Sie muss in der DNA und im Geschäftsmodell des Unternehmens verankert werden.

Hat Corona gezeigt, dass das mit der Digitalisierung gar nicht so schlimm ist, wie viele es bisher annahmen? 

Mohrbacher: Ich hoffe es. Aber wie bei jeder anderen Veränderung auch, geht die Digitalisierung oft nur Schritt für Schritt. Vielen hat es jetzt den ersten Schubs gegeben. Wir haben schon Anfragen von Unternehmen bekommen, die jetzt Lust auf mehr haben. Das Interesse an der Digitalisierung ist gestiegen.

Besteht denn auch die Gefahr, dass Firmen die digitale Transformation für sich als erledigt betrachten, weil sie jetzt wissen, was ein Zoom-Call ist?

Mohrbacher: Ja, definitiv. Es bedarf unglaublich viel Aufklärungsarbeit, dass digitale Transformation nicht nur die Einführung eines digitalen Kommunikationssystems ist. 

Es werden Feigenblätter vorgehalten – diese kleine digitale Sache, die man schon hat – damit man sich nicht um das große Ganze kümmern muss. Richtig?

Mohrbacher: Das passiert im Einzelnen. Aber die meisten wissen relativ genau, dass das nur ein kleiner Tropfen ist.

Arbeitnehmervertreter fordern nun das Recht auf Home-Office. Halten Sie das für realistisch?

Mohrbacher: Ehrlich gesagt halte ich das für unrealistisch. Dafür bräuchte es schon ein großes Umdenken und großes Vertrauen in die Mitarbeiter. 

Die Krise hat auch gezeigt, dass es starke strukturelle Defizite gibt, vor allem im ländlichen Raum. Die Schulen waren zum Teil gar nicht darauf vorbereitet, ihren Unterricht digital anzubieten. Tut sich da etwas?

Mohrbacher: Ja, es tut sich was. Wir sind zwar nicht für Schulen zuständig, aber auch wir bekommen mit, dass es nun neue Mittel gibt, um die Schulen mit digitalen Infrastrukturen auszustatten. Aber es fehlen die Kompetenzen. Man darf nicht von jedem Lehrer erwarten, dass er sich diese selbst draufschafft. Ein PDF zu verschicken, bedeutet nicht, dass man den Unterricht digitalisiert hat. Da fehlt mir die einheitliche Vorgehensweise. Schon innerhalb einer Schule gibt es große Unterschiede.

Wie können Firmen nachhaltig von den jetzt angestoßenen Digitalisierungs-Initiativen profitieren?

Mohrbacher: Wir hoffen, dass hängenbleibt, dass Digitalisierung nicht weh tut. Die Firmen müssen es wollen, müssen offen sein für eine Digitalisierungsstrategie. Dann können sie ermitteln, was für sie Sinn macht.

Julia Mohrbacher, 38, ist Projektleiterin des Digihub Südbaden.

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