„Ein Schrank für 39 Euro <br>treibt manche in den Ruin“

INTERVIEW: Ralf Jourdan, Chef des Möbelherstellers Nolte, über den Preisdruck in der Möbelindustrie, die Zukunft des Stammwerks in Germersheim, und eine mögliche Zusammenarbeit mit Ikea

 
 

Herr Jourdan, Ihr Unternehmen hat in der Wirtschaftskrise sehr gelitten. Von einst 900 Arbeitsplätzen im Möbelwerk in Germersheim sind noch knapp 700 übrig. Ist das schlimmste damit überstanden?

Im Mai haben wir die Kurzarbeit bei Nolte Möbel beendet. Davor gab es Phasen, in denen pro Woche nur an drei Tagen gearbeitet wurde. Unser Ziel ist es, im vierten Quartal 2011 wieder in einen normalen Rhythmus zu kommen. Ich hoffe, dass uns die Konjunktur dabei helfen wird.

Als Sie vor zwei Jahren Geschäftsführer wurden, lag der Umsatz der Nolte-Gruppe bei rund 550 Millionen Euro. Welchen Wert peilen Sie im laufenden Jahr an?

2011 rechnen wir mit einem Umsatz von knapp 600 Millionen Euro. Das entspricht dann einem Wachstum in den Jahren 2010 und 2011 von jeweils vier Prozent. Die Möbelindustrie ist traditionell eine nachlaufende Industrie. Deshalb spüren wir den Aufschwung etwas später als beispielsweise die Autohersteller.

In den vergangenen Jahren war Ihre Gewinnspanne extrem gering. An 100 Euro Umsatz hat die Nolte-Gruppe vor Steuern nur etwa einen Euro verdient.

In der Möbelindustrie ist es schwierig, schnell reich zu werden. Die Branche ist von einem hohen Kostendruck geprägt. Nicht zuletzt aufgrund der Marktmacht des Handels.

Ihnen macht zu schaffen, dass sich die Möbelhändler mit ihren fünf großen Einkaufskooperationen knapp zwei Drittel des deutschen Marktes aufteilen.

Aus meiner Sicht ist der Anteil sogar noch größer.

Wenn ein Möbelhersteller die Preise der Händler nicht akzeptiert, riskiert er, ausgelistet zu werden. Das erinnert an das knallharte Geschäft der Lebensmittelindustrie.

Es ist in der Tat so hart. Der Handel hat in der Möbelbranche eine sehr hohe Marktmacht. Aber die Händler können es sich auch nicht leisten, jeden Hersteller einfach auszulisten. Ganz ohne Hersteller geht es nämlich nicht. Dennoch wollen die Händler ihre gute Wettbewerbsposition erhalten. Zum einen über das Preisniveau, zum anderen durch Importe von Möbeln aus dem Ausland.

Welche Rolle spielen dabei Importe aus Asien?

Eine bedeutende Rolle. Wenn Sie im Möbelmarkt einen Schrank für 39 Euro sehen, fragen Sie sich: Wie soll das funktionieren? Deutsche Hersteller können da kaum mithalten, manche treibt das sogar in den Ruin.

Dennoch geben Deutsche Haushalte mit rund 360 Euro pro Jahr europaweit am meisten Geld für Möbel aus.

Deswegen ist die Deutsche Möbelindustrie ja auch mit Abstand die größte in Europa.

Die Verbände der Holz- und Möbelindustrie melden weiter steigende Materialpreise. Einzelne Vorprodukte sind mehr als zehn Prozent teurer als im Vorjahr. Der Kostendruck verschärft sich offenbar noch.

Richtig. Hinzu kommen Tarifabschlüsse von vier Prozent. Das macht es für uns nicht gerade einfach. Und: Wenn Sie ein Nolte-Produkt mit einem Produkt des Wettbewerbs vergleichen, muss das Nolte-Produkt besser sein. Dieser Anspruch erfordert aber einen hohen Materialaufwand.

Was tun Sie, um den Kostendruck in den Griff zu bekommen?

Material- und Energiekosten können wir kaum beeinflussen. Entscheidend ist daher, dass wir so effizient wie möglich produzieren. Das Werk in Germersheim ist europaweit einzigartig. Auf einer Fahrbahn fährt ein Lkw mit Waldholz ein, auf der anderen Fahrbahn fährt ein Lkw mit fertigen Möbeln raus. Dazwischen sind modernste Maschinen im Einsatz.

Versuchen Sie auch, neue Märkte zu erschließen?

Ja. Derzeit erzielen wir rund 40 Prozent unseres Umsatzes außerhalb Deutschlands. Noch entfällt der Großteil auf Nachbarstaaten wie Frankreich, Belgien oder Österreich. Künftig wollen wir den Exportanteil auf 50 Prozent ausbauen, um weniger von den gesättigten Märkten in Europa abhängig zu sein.

Schielen Sie dabei auf China?

Ja. Wir hoffen, dass wir im kommenden Jahr zehn Prozent unseres Exportgeschäfts in China machen. Dort sind deutsche Produkte sehr beliebt. Und die Kunden sind auch bereit, dafür zu zahlen. Die Marke „Made in Germany“ wird im Ausland mehr geschätzt als bei uns. Das schlägt sich teilweise auch in höheren Gewinnspannen nieder.

Der weltweit größte Möbelhändler Ikea lässt auch in Deutschland Möbel herstellen. Produziert die Nolte-Gruppe für Ikea?

Nein. Wir reden zwar immer mal wieder miteinander. Bisher haben wir uns aber mit Ikea nicht auf eine Zusammenarbeit einigen können.

Herr Jourdan, vielen Dank für dieses Gespräch.


ZUR PERSON:
Ralf Jourdan, 44, ist seit zweieinhalb Jahren Geschäftsführer der Nolte-Gruppe mit Sitz in Germersheim. Das Familienunternehmen ist der drittgrößte Möbelhersteller in Deutschland. Nolte stellt unter anderem Schlafzimmermöbel, Küchen, Spanplatten, Trennwände und Discount-Möbel zum Selbstaufbauen her. Die Nolte-Gruppe beschäftigt bundesweit rund 2900 Mitarbeiter an vier Standorten.

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