"EnBW braucht dringend frisches Kapital"

Die EnBW steckt in der Krise. Im Interview fordern die Analysten Manfred Mühlheim und Jens Berner eine zügige Kapitalerhöhung. Zudem üben sie scharfe Kritik an der strategischen Ausrichtung.

 
 

Stuttgart. Analysten beurteilen den Zustand der EnBW mit Sorge. Die Südwestbank-Experten Manfred Mühlheim und Jens Berner üben im Interview mit Econo Online scharfe Kritik an der strategischen Ausrichtung der EnBW und erklären, warum der Einstieg des Landes ein großes Risiko war.


Die EnBW schlingert dem Jahresende entgegen: Die Besitzer sind heillos zerstritten. Die Beteiligungen des Konzerns drohen zum mehrere Milliarden Euro teuren Bumerang zu werden. Steht es um die EnBW aus Analystensicht wirklich so schlimm?


Manfred Mühlheim: Der EnBW mangelt derzeit aus unserer Sicht an einer nachhaltigen strategischen Ausrichtung. Das manifestiert sich auch am Gang vors Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe, wo die EnBW gemeinsam mit RWE gegen den Atomausstieg klagen will. Das zeigt deutlich das Problem der EnBW: Sie ist noch sehr stark auf die Atomenergie fokussiert und hat vor allem im Bereich der Erneuerbaren Energien kein schlüssiges Konzept parat. Auch der Ausbau der Zusammenarbeit mit den Stadtwerken wurde versäumt. Und deshalb schmelzen die Erträge der EnBW derzeit wie Schnee in der Sonne. Die EnBW hat sich durch strategische Defizite in der Vergangenheit in diese Lage manövriert.

Was ist zu tun?

Mühlheim: Die EnBW muss strategisch völlig neu ausgerichtet werden. Daran müssen jetzt auch die Anteilseigner wie das Land und die OEW arbeiten. Das ist eine mittelfristig äußerst schwere Aufgabe

In der Bilanz der EnBW lauern derzeit viele Gefahren...


Jens Berner: Es wird zu Gewinneinbußen kommen, das ist sicher. Und diese rückläufigen Gewinne sind für die Eigner ein Grund zur Sorge. Zudem wird der Umbau des Konzerns weitere massive Kosten verursachen. Die EnBW ist im Vergleich zu den anderen beiden großen Energiekonzernen ins Hintertreffen geraten. Auch bei einem Blick auf wichtige Aktienkennzahlen erscheinen Eon und RWE deutlich günstiger. Das Verhältnis Buchwert zu Eigenkapital beträgt bei Eon unter 1, bei RWE knapp über 1, bei der EnBW dagegen 1,7. Selbst 2010 war die Ertragslage der EnBW im Verhältnis zu den beiden anderen Großen unterdurchschnittlich: Die Dividende betrug 1,53 Euro je Aktie, die Rendite lag, gemessen am derzeitigen Kursniveau, bei 4,3 Prozent. RWE erwirtschaftete eine Rendite von mehr als zwölf, Eon von mehr als neun Prozent. Nicht zuletzt der Streit unter den EnBW-Aktionären und die in der Luft liegende Kapitalerhöhung werden weiter auf der Kursentwicklung lasten.

Die Landesregierung kritisiert vor allem den Kauf von EWE-Anteilen vor drei Jahren. Ist die Kritik aus Analystensicht berechtigt?

Berner: Rückblickend war der Preis von 2,1 Milliarden Euro für 26 Prozent der Anteile an der EWE deutlich zu teuer. 

Die EnBW plant zudem den Verkauf der Anteile am österreichischen Energieversorger EVN, für die der Konzern 1,8 Milliarden Euro gezahlt hat. Ist es sinnvoll, durch einen defizitären Verkauf Geld für den Umbau eines Konzerns zu generieren?

Berner: Prinzipiell darf man einen Verkauf nicht vom damaligen Kaufpreis der Beteiligung abhängig machen. Der Ausstieg bei EVN kann durchaus Sinn machen, auch wenn der Erlös nicht stimmt. Für die EnBW ist derzeit vor allem die Restrukturierung wichtig. Es ist an der Zeit, ein schlüssiges Konzept zu finden. Auch wenn eine klare Strategie in diesem Fall zugleich einen harten Schnitt bedeutet.

Ein harter Schnitt bei den Kosten wird nicht ausreichen...

Mühlheim: Das Unternehmen braucht dringend frisches Kapital, um sich strategisch neu auszurichten. Die Anteilseigner sind gut beraten, eine maßvolle Kapitalerhöhung vorzunehmen. Und das sollte zügig vollzogen werden.

In der Landesregierung ziert man sich noch mit einer Kapitalerhöhung. Zudem wird auch ein Verkauf der Anteile an der EnBW erwogen. Ist das nachvollziehbar?

Mühlheim: Es ist sinnvoller, die EnBW jetzt mit frischem Kapital auszustatten, sie strategisch neu auszurichten und dann zu einem späteren Zeitpunkt zu verkaufen. Es ist wichtig die Braut schön zu schmücken, bevor man sie feil bietet. Dazu gehört nicht nur frisches Kapital, sondern auch ein schlüssiges Konzept. Man hat nun die Chance, das Unternehmen zu drehen, den Fokus weg von Atomenergie hin zu den Erneuerbaren Energie zu richten, die Kooperation mit den Stadtwerken zu forcieren.

Die Landesregierung ziert sich noch mit einer Kapitalerhöhung, will damit noch bis zur Hauptversammlung im kommenden Jahr warten...

Mühlheim: Das ist meines Erachtens zu spät.

Wie beurteilen Sie den Umgang der Landesregierung mit der EnBW?

Mühlheim: Die Landesregierung hat das Problem mit der EnBW von Anfang an unterschätzt.

Manfred Mühlheim ist Bereichsleiter Asset Management bei der Südwestbank.

Jens Berner ist Filialbetreuer Wertpapiermanagement bei dem Stuttgarter Institut und zuständig für Produktbewertungen, -informationen und -research.

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