EnBW testet "Nezzy" auf See
Der Energieversorger will die Offshore-Windenergie noch profitabler machen – und zugleich in einen ganz neuen Markt vorstoßen
red
05.06.2020 | 08:00
Karlsruhe. Das seltsam anmutende Konstrukt existiert zwar bislang "nur" im Maßstab eins zu zehn – beeindruckend schaut es dennoch aus: Der Energiekonzern EnBW testet zusammen mit dem Ingenieurunternehmen Aerodyn Engineering auf einem Baggersee bei Bremerhaven eine neuartige Windenergieanlage. Die Anlage mit dem Projektnamen "Nezzy" besteht aus zwei Rotoren (aktuell nur 18 Meter hoch, im Realbetrieb dann 180 Meter) sowie einer schwimmenden Plattform.
Diese Schwimmfähigkeit kann für die Branche einen Durchbruch bedeutet – und damit auch für die EnBW als einen der größten Betreiber von Offshore-Windparks: Bislang müssen die Anlagen nämlich aufwändig und damit teuer im Meeresboden verankert werden. Bei 50 Metern Tiefe ist bislang technisch Schluss, was die nutzbaren Flächen einschränkt. Branchenkenner rechnen damit, dass die Schwimmtechnologie die Kosten für die Installation einer Anlage um bis zu 60 Prozent drücken könnte.
Die Stromproduktion würde damit noch ertragreicher, diese Kraftwerke gehören bereits jetzt zu den effizientesten. Kein Wunder, dass Hannah König, Leiterin Wind- und Maritime Technik der EnBW, durchaus ins Schwärmen gerät: "Das Potenzial ist riesig. Mit der neuen Technologie kommen Länder und Meeresflächen mit großen Wasserflächen in Frage und erweitern so die Möglichkeiten der regenerativen Energiegewinnung."
Allerdings testet die EnBW nicht allein das Potenzial: Auch die Versorger Innogy beziehungsweise RWE und Shell haben derartige Technologien in der Erprobung.
Die Karlsruher legen deshalb ein forsches Tempo vor: Während aktuell noch auf dem Baggersee geprobt wird, soll sich "Nezzy" bereits im Sommer auf der Ostsee bei Wind und Wellen bewähren. Bei der EnBW denkt man das Projekt aber bereits jetzt größer – wenn die Test erfolgreich ablaufen, soll sich die Anlage in Originalgröße in China bewähren. In diesem Markt sieht man in Karlsruhe demnach das größte Potenzial für derlei Anlagen. Für die EnBW wäre das zugleich der Einsteig in einen ganz neuen Markt.