"Es ist lästig, aber es geht nicht anders"

Franz Loogen nimmt als Chef der Landeslotsenstelle Transformationswissen BW bei einer Veranstaltung des Vereins "H2 Regio SBH+" die Zulieferer in die Pflicht: "Das Jammern über E-Autos ist erstaunlich. Schließlich gibt's da was zu verdienen!"

 
Foto: oh
 

Villingen-Schwenningen. Nein, auf Milde durften die rund 80 Teilnehmer an der Corona-bedingt reduzierten Veranstaltung "Transformation gestalten – den Mittelstand fördern" des Vereins "H2 Regio SBH+" nicht hoffen. Dafür versteht Franz Loogen, Geschäftsführer der Landestochter E-Mobil BW sowie der neuen Landeslotsenstelle Transformationswissen BW, sowohl zu viel von den Mechanismen der Branche, wie von Impulsvorträgen: "Wir erleben gerade Zukunftsängste bei Unternehmern, die Zukunftsmärkte erschließen wollen!" Dabei seien Elektroantriebe und Wasserstofftechnologien geradezu prädestiniert, um die entscheidende Frage zu beantworten: "Wo ist da der Euro, den ich verdienen kann?"

Von derartigen Nadelstichen setzt Loogen in der "Neckarhalle" einige. So in Richtung der allfälligen Kritik an Elektrofahrzeugen: "Das Jammern ist erstaunlich. Schließlich gibt's da was zu verdienen! Alle andere Märkte sind doch gesättigt und es herrscht enormer Preisdruck." Oder der auffälligen Angst vor Veränderungen: "Wir leben doch in der Kraftfahrzeugtechnik ohnehin in permanenter Veränderung. Oder wer ist heute mit einem Fahrzeug mit Trommelbremsen und mechanischem Vergaser gekommen?" Oder dem Schimpfen auf sich ändernde Märkte: "Ja, das ist lästig! Jeder verkauft gerne die Produkte, die er schon immer verkauft hat. Aber das geht nun eben nicht mehr." Oder auch eine mögliche positive Seite von Konjunkturdelle und Kurzarbeit: "Wie viele haben denn die Zeit genutzt für Fortbildungen und neuem Wissen zu Zukunftsthemen?"

Und Loogen machte klar: Die aktuellen Herausforderungen für die Zulieferer sind erst der Anfang – aus vier Gründen:

# Die Autmobilhersteller holen im Zuge der Elektrifizierung des Antriebsstranges stetig mehr Fertigungstiefe zurück in die eigenen Werke.

# Im Land wie in ganz Deutschland werden immer weniger Fahrzeuge gebaut, stattdessen immer mehr in anderen Teilen der Welt. Ergo müssten sich die Zulieferer entweder internationalisieren oder neue Geschäftsmodelle suchen. Oder beides.

# Durch die Digitalisierung wird der Elektronikanteil in Fahrzeugen ständig weiter zunehmen, ergo werden immer mehr klassische Bauteile mit entsprechender "Intelligenz" angereichert. Wer bestehen will, der muss hier liefern können.

# Das übergeordnete Thema der Transformation ist der Klimawandel und das Erreichen des Zwei-Grad-Zieles. Von diesem Maßstab aus lässt sich alles herunterbrechen: Vom Ziel 95 Milligramm CO2-Ausstoß bei Neufahrzeugen über die Notwendigkeit von zehn Millionen elektrifizierten Fahrzeugen bis 2030 oder auch das inzwischen in vielen Ländern und Kommunen weltweit angesetzte Verbot von Verbrennern in einigen Jahren.

Damit waren die Nadelstiche und Notwendigkeiten von Loogen klar gesetzt und benannt. Doch als guter Impulsgeber wusste er gekonnt zu motivieren: "Die Zulieferer haben nicht verstanden, wie im Detail die Verbrennung im Zylinder abläuft. Aber sie haben dennoch verstanden, wie man dafür perfekt die notwendigen Teile herstellt." Genauso gelinge es mit der Transformation: Die Unternehmen müssten über Kooperationen und Vernetzungen das in der ganzen Bandbreite vorhandene eigene Knowhow mit dem von anderen Firmen und Startups verknüpfen. Loogen: "Das Ziel muss es sein: Ein Blechteil in Verbindung mit der Software-Applikation eines Gründers wird das nächste Bauteil, das Tesla unbedingt haben will."

Um das zu erreichen, müsste aber ein Mentalitätswandel her, mahnte Loogen an: "Wir brauchen eine Stimmung wie in einer Softwarebude oder in einem der gut 300 E-Auto-Startups in China. Vor allem aber brauchen wir den Willen, an der neuen Welt und dem Zukunftswohlstand mitzubauen."

Ein Gedankengang, den Frank Allmendinger als Vorsitzender des Vereins "H2 Regio SBH+" aufgriff: "Die Corona-Krise hat gezeigt, dass wir können wenn wir müssen: schnelle Entscheidungen treffen." Auch er machte den Zulieferer Mut und zeigte auf, dass im Wasserstoff-Ökosystem rund um die Brennstoffzelle ganz viele Stanz-, Biege-, Dreh- und Frästeile nebst allen möglichen anderen Komponenten benötigt wird – "alles was es in der Region und im Land in Hülle und Fülle in höchster Präzision gibt." Deshalb sein Appell: "Wir müssen die Technologie jetzt an den Markt bringen."

Wie man die Transformation positiv angehen kann, zeigte eine Diskussionsrunde, die Christian Klaiber als Leiter der Geschäftsstelle des Vereins und Mobilitätsberater führte:

# Bei Marquardt begann die Zukunft bereits vor 20 Jahren, als erste Sensoren in Schalter für Hausgeräte eingebaut wurden und vor zehn Jahren mit der Identifizierung der Elektromobilität als Geschäftsfeld, wozu inzwischen auch die Brennstoffzelle gezählt wird. Heute liefert das Unternehmen nach Angaben von Wolfgang Häusler, Produktmanager Innovationen, für alle Hersteller Batteriemanagement-Systeme für E-Fahrzeuge. Die größte Herausforderung für Marquardt? Häusler: "Man braucht Mitarbeiter, die Veränderung wollen. Dann benötigt es nur einen Zündfunken."

# Auch bei der Eto Gruppe, einem der führenden Hersteller von Magnetventilen, hat man bereits vor sechs Jahren damit begonnen, für die Zeit nach dem Verbrenner zu planen. Inzwischen hat man nach den Worten von Bereichsleiter Technologie Oliver Thode im Bereich E-Antrieb mitsamt Wasserstoff-Komponenten eigene Kompetenzen aufgebaut. Die größte Herausforderung dabei? Thode: "Kein Automobilhersteller bezieht uns ein. Wir mussten selbst den Mut haben." Vor diesen Hintergrund nutzt man bei Eto alle Möglichkeiten der Vernetzung bis hin zur Mitgliedschaft im H2-Verein.

# Die Schwäbischen Werkzeugmaschinen haben sich ebenfalls auf dem Weg der Transformation gemacht – bei 80 Prozent Kundenanteil aus dem Automotivebereich kein Wunder. Laut Markus Mixner, Leitung Forschung & Versuch, wurden in einem ersten Schritt Bauteile für Fahrzeugbatterien als strategische Bauteile identifiziert und nun mit Bauteilen für Wasserstoff-Systeme als "logische Ergänzung" angereichert.

# Beim Versorger Energiedienst sieht man speziell in der vielfältigen Nutzungsmöglichkeit des Wasserstoffs bis hin als Speichermedium das große Pozenzial, wie Projektbetreuer Wasserstoff Peter Trawitzki ausführte. Deshalb wurde am Hochrhein in einen Elektrolyseur zur Erzeugung von Wasserstoff investiert und ein eigenes Team rund um das Thema aufgebaut. Zudem wird laut Trawitzki weiter in die Produktionskapazitäten investiert. Und die Herausforderungen dabei? Trawitzki: "Die Genehmigungsverfahren sind langwierig und nicht standardisiert."

# Bei Elring-Klinger hat man bereits vor 20 Jahren begonnen, die eigenen Kompetenzen auf die Zeit jenseits des Verbrenners abzuklopfen. Inzwischen hat das Unternehmen nach Einschätzung von Peter Schweizer, Vice President Sales Product Lines, im Bereich der Brennstoffzelle eine klare Kernkompetenz: "Wir haben einen Stand erreicht, mit dem wir den Verbrenner ablösen können." Zudem ist er sicher, dass bis hin zu jeder einzelnen Schraube die Brennstoffzelle mit Unternehmen aus dem Land in Kooperation gebaut werden kann. Was es dafür braucht? Schweizer: "Wir müssen die Ärmel aufkrempeln!"

Dass dieses Ärmel aufkrempeln gelingen kann, davon zeigte sich Villingen-Schwenningens OB Jürgen Roth in seiner Botschaft an die "Zukunftsgestalter" in der Halle überzeugt: Das Oberzentrum sei das beste Beispiel für eine gelungene Tranformation von der einstmals größten Uhrenstadt hin zum breit aufgestellten Hochschul- und Technologiestandort. Aber: "Bislang zog sich eine Transformation über Jahrzehnte hin, heute sehr viel schneller. Wir müssen im Zeitraffer daran arbeiten", so Roth.

Transparenz: Der noch junge Verein "H2 Regio SBH+" hat sich der Transformation der Zulieferindustrie mit praxisnaher Unterstützung verschrieben. Econo-Geschäftsführer Dirk Werner ist Schriftführer in dem Netzwerk und steht für Rückfragen zur Verfügung.

Teilen auf

Das könnte Sie auch interessieren