Gas-Alarm am Bodensee
Zwei britische Firmen haben Konzessionen zur Gassuche am Bodensee. Die Aufregung darüber zieht Kreise. Auch wegen des Worts Fracking.
diwe
13.07.2012 | 14:17
Axel Brasse ist Abteilungsdirektor im Referat 97 des Regierungspräsidiums Freiburg, der Landesbergdirektion. Er ist ein ruhiger Mann. Fragen beantwortet er klar und deutlich. Aber Fragen gibt es derzeit viel mehr, als er Antworten geben kann. Das hängt mit Konzessionen zusammen, die sein Amt für drei Tausende Quadratmeter große Flächen westlich und nördlich des Bodensees vergeben hat. Zwei britische Firmen dürfen nach Kohlenwasserstoffen im Boden fahnden. Sprich: Sie prüfen, ob es Erdgas gibt. In einer Menge, die sich zu fördern lohnt. Mit der Fracking-Methode.
So die Theorie. Sie ist das Problem.
Die Ausgangslage. Bereits im Jahr 2009 hat die Parkyn Energy Germany (PEG), eine Tochter der 3Legs Resources plc. Company, eine Erlaubnis zur Aufsuchung von nichtkonventionellen Gasvorkommen in den Konzessionsgebieten „Konstanz“ und „Biberach“ beantragt. Und die Aufsuchungserlaubnis erhalten. Ebenso die Bell Exploration für das Gebiet „Saulgau-Wangen“. Damals nahm die Öffentlichkeit kaum Notiz.
Erst 2011 schlug der Grünen-Landtagsabgeordnete Siegfried Lehmann Alarm, allmählich formierte sich der Widerstand. Der nahm noch einmal Fahrt auf, als PEG vor wenigen Wochen die Verlängerung der Lizenz beantragte. Inzwischen ist der Protest länderübergreifend, Landwirte reihen sich ebenso wie Bürger ebenso wie die Vereinigung der Wasserversorger ebenso wie Politiker ein, man fordert das Aus für das Fracking. Der Landtag debattiert kurz nach Redaktionsschluss über die umstrittene Methode (siehe auch Seite 39 unten). Kurzum: Es herrscht Gas-Alarm!
Die Methode. Wasser, das aus einem Hahn kommt, brennt. Offensichtlich ist es mit Gas versetzt. Es sind Bilder wie diese aus den USA, in die Welt getragen durch den Film Gasland und auf Youtube Tausende Male angeklickt, die das Bild des Fracking dominieren. Und Ängste auslösen.
Fachleute wie Brasse können Ängste verstehen. Sie blicken aber auch hinter die Methode. Die wird seit gut 50 Jahren eingesetzt, um ansonsten nicht förderbare Gasvorkommen beispielsweise in Schieferschichten zu lösen. Brasse: „Allein in Norddeutschland gibt es Hunderte Fracks.“ Keiner ist verunglückt.
Doch das will nichts heißen. Zumal die Förderfirmen sehr sparsam mit Informationen darüber sind, was sie neben den gut 90 Prozent Wasser ansonsten dem Gemisch beifügen. Von Diesel über Pestizide bis hin zu radioaktiven Stoffen reicht die Einschätzung von unabhängigen Fachleuten.
Für Abteilungsdirektor Brasse ist die Sachlage recht schlicht: „Ausnahmslos jede Technik birgt ein Restrisiko.“ Und die Gesellschaft müsse entscheiden, bis zu welchem Grad sie das Risiko mittragen wolle. Punkt.
Der Markt. Doch ganz so einfach ist die Lage nicht. Restrisiko hin oder her. Man darf an dieser Stelle die sich abzeichnende Ressourcenknappheit nicht außer Acht lassen. Der Höhepunkt der Erdgasförderung ist weltweit überschritten, jedenfalls der konventionell förderbaren. Laut einer Studie des Bundesamtes für Geowissenschaften reichen die bekannten Vorräte weltweit noch für 64 Jahre. Die Preise steigen längst entsprechend. Das macht teure Methoden wirtschaftlich – auch wenn es keine verlässlichen Aussagen darüber gibt, ab welchem Preis sich Fracking rechnet.
Dennoch, dank Fracking ließe sich der Zeitraum dehnen, könnten noch weitere Lagerstätten ausgebeutet werden. In den USA ist darüber Goldgräberstimmung ausgebrochen, ebenso in Polen. Dort erträumt man sich die Unabhängigkeit vom Nachbarn Russland, jedenfalls bei den Gas-Importen. 110 Konzessionen haben die Polen schon vergeben, zwei auch an 3Legs Resources.
Auch in Deutschland herrscht ein kleiner Boom, vornehmlich in Norddeutschland. Das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) hat jetzt eine neue Studie vorgestellt: Demnach sollen 13 Billionen Kubikmeter Schiefergas unter Deutschland schlummern, zehn Prozent sind unkonventionell förderbar. Das reicht laut BBR aus, um den hiesigen Verbrauch 13 weitere Jahre zu sichern.
Die Konzessionen. Für die drei Felder am Bodensee und in Oberschwaben bedeutet das zunächst – nichts. Die bislang erteilten Aufsuchungserlaubnisse – jede kostete wohl einen sechsstelligen Betrag – stecken lediglich den Claim ab. Die Erteilung ist mit einem „Arbeitsprogramm“ verbunden, das die Firmen abarbeiten müssen. Zugleich prüft die Bergbehörde, ob die Firmen fachlich und finanziell das Vorhaben stemmen können. Sie können.
Dennoch scheitern sie bislang dem Vernehmen nach. Denn in dieser ersten Phase werden zunächst vorhandene Daten ausgewertet. Und die gibt es reichlich. Zur Erinnerung: Zwischen 1962 und 1997 wurde unter anderem bei Pfullendorf von Wintershall Öl gefördert! Und im Juni 1981 schickte Exxonmobil ein Sonarboot zur Ölsuche über den Bodensee. Das war dem „Spiegel“ eine Meldung wert. Daten gibt es also. Nur zieren sich die Firmen, diese rauszugeben. Man kann auch sagen: Sie spekulieren damit.
Die Zukunft. Nach Aussage von Brasse dauert es noch Jahre und braucht weitere Genehmigungen, bis „überhaupt mal ein Stein vor Ort in die Hand genommen werden wird“. Nicht einmal dann lässt sich mit Sicherheit sagen, ob es überhaupt Vorkommen gibt. Für Probebohrungen braucht es wieder eine Genehmigung. Und die echte Förderbohrung durchläuft noch einmal ein komplett gesondertes Verfahren. Das dauert alles. Zehn Jahre sind schnell rum.
Zudem gibt es in der Bergbehörde in Freiburg ohnehin einen Antragsstau. Erdwärmebohrungen am Oberrhein fordern die Geologen und Fachleute. Akten stapeln sich. Und dann ist da das Erdöl. Am Rhein nördlich und südlich von Karlsruhe wird ein großes Feld vermutet, ähnlich dem, wie es bei Speyer entdeckt wurde. Goldgräberstimmung! Brasse sieht es mit gespannter Ruhe. Denn der Run auf die Rohstoffe hat eben erst begonnen.