Gehe zurück nach der Badstraße!
Ob man dort schwimmt, spielt oder gesund wird, ist völlig egal. Alle Bäder stehen vor demselben Dilemma – den Kosten. Philipp Peters über den Kampf der Bäder mit den Defiziten.
12.08.2011 | 12:49
Foto: Michael Bode
Freiburg/Bad Krozingen. Er hat keine Kristallkugel auf dem Tisch stehen. Aber Rolf Rubsamen weiß schon jetzt, wie im Thermalbad von Bad Krozingen das Jahr 2012 beginnen wird – mit teureren Eintrittskarten. „Wir erhöhen jedes Jahr die Preise“, sagt der Chef der Kur- und Bädergesellschaft, zu der auch das Thermalbad Vita Classica gehört. „Das müssen wir. Mindestens um die Höhe der Inflationsrate.“ Wird investiert, kommt es noch teurer. In diesem Jahr sind die Tarife quer durch alle Bereiche um vier Prozent gestiegen.
Auch Detlef Sacker ist kein Prophet. Aber der Freiburger Architekt hat schon einiges erlebt in den vergangenen Jahren. Vor allem, wenn es um öffentliche Bäder geht. „Darauf haben wir uns ein wenig spezialisiert“, sagt er. Er hat in der Region unter anderem das Bad in Höchenschwand saniert und auch das Eugen-Keidel-Bad in Freiburg. Und so kennt Sacker mittlerweile die Probleme, die die Bäder und ihre Betreiber haben. Meist sind es überall die gleichen, völlig egal ob es nun ein schlichtes Bad zum Schwimmen ist, ein ins Wasser gebauter Vergnügungspark oder ein Thermalbad wie in Bad Krozingen, Bad Säckingen, Badenweiler oder eben das Eugen-Keidel-Bad in Freiburg. Die meisten Bäder haben Probleme mit der Bausubstanz. „Jetzt ist die Zeit, da etwas getan werden muss“, mahnt Sacker. Und es ist ein bisschen wie mit dem überfälligen Besuch beim Zahnarzt: Man weiß, dass der Zahn ein Loch hat. Aber man geht so lange nicht hin, bis es gar nicht mehr geht. Und je länger man wartet, desto unangenehmer, sprich: teurer, wird es dann auch.
Rubsamen lässt sich davon nicht schocken. Er zuckt nur mit den Schultern. „Nun ja, Architekten“, sagt er. Seine Stimme drückt aus, dass er das Urteil Sackers als nicht ganz falsch einschätzt. Wohl aber, dass er etwas gegen Pauschalisierungen hat.
Immerhin wurden auch in Bad Krozingen gerade 6,4 Millionen Euro in das Bad und seine Infrastruktur investiert. In neue Räume, neue Technik und so weiter. Die Summen wachsen schnell. Im von Sacker geplanten Eugen-Keidel-Bad ist die Investitionssumme sogar auf mehr als zehn Millionen Euro geklettert. Jetzt kommt der Umbau nach zweijähriger Bauzeit zum Abschluss.
Detlef Sacker hat während des Projekts stets auf weitere Mängel hingewiesen. „Es passiert immer wieder, dass die Bauherren das Vorhaben ein wenig zu leicht nehmen“, sagt Sacker. Nicht mit Blick auf das Freiburger Thermalbad, sondern eher als eine allgemeine Analyse. Denn vielen Bädern fehlt es schlicht am nötigen Kapital. Sind sie doch mindestens mehrheitlich in kommunaler Hand. So ist es in Freiburg, so ist es auch in Bad Krozingen. Doch die Zeiten, da die Städte und Gemeinden willens waren, ohne Weiteres große Summen in ihre Vorzeigebäder zu stecken, sind lange vorbei.
Wer die strukturellen Probleme verstehen will, muss zurückgehen in die 1970er-Jahre. Damals war die ganze südbadische Badstraße eine einzige Baustelle. Aber aus anderen Gründen als heute. Sackers Augen leuchten ein wenig. „Ah, die goldenen Zeiten“, schwärmt er. „Damals war das Geld da. Und es galt als schick, dass jede
Kommune ihr eigenes Bad hat.“ Binnen weniger Jahre wurden die Hallen- und Freibäder nur so aus dem Boden gestampft. „Nur an der nötigen Erfahrung hat es seinerzeit gemangelt“, sagt Sacker. Die Folgen spürt man heute. „Es wurden viele Fehler gemacht.“ Damit meint Sacker nicht Pfusch am Bau. Sondern einfach die Tatsache, dass man noch nicht so recht wusste, wie man ein Bad baut. Jetzt, da die meisten kommunalen Wassertempel mehr als drei Jahrzehnte auf dem Buckel haben, treten diese Mängel immer deutlicher zu Tage.
Wenn Wasser an falsche Stellen kommt, kann es viel kaputt machen. Das weiß jeder Häuslebauer. Doch da, wo mit viel Wasser ein Unternehmen betrieben wird, wird das Problem oft verdrängt, hinausgezögert oder ausgeblendet. Das liegt zum Teil auch daran, dass jeder Bürgermeister längst weiß, wie teuer eine Badsanierung kommen kann. Und wer es immer noch nicht weiß, muss nur in die Zeitung schauen. Dort finden sich derzeit wöchentlich Meldungen über Bäder, die saniert wurden, werden oder werden müssen.
Das größte Sportbad der Stadt Freiburg etwa, das Westbad, hat gerade zehn Millionen Euro verschlungen. Die Regio Bäder GmbH geht erstaunlich offen damit um, dass man während der Sanierung von weiteren Mängeln überrascht wurde. Im Zuge der Bauarbeiten „stellten die Bauleiter fest, dass sich ein Großteil der Fliesen in den Becken gelöst hatte. Die unvorhersehbaren Schäden erforderten zusätzliche Arbeiten“, heißt es in einer Mitteilung der Stadtwerke-Tochter. Auch das städtische Bad in Haslach und das Faulerbad wurden bereits generalüberholt. Insgesamt hat das sechs Millionen Euro gekostet. Plus 20 aus den Baumaßnahmen im West- und Keidelbad.
Auch die anderen Standorte mit Thermalbad greifen tief in die Tasche. Im Balinea in Bad Bellingen wurden jetzt neue Außenbecken in Betrieb genommen.
Dirk Pachera, der Betriebsleiter des Aqualon in Bad Säckingen, hat jetzt die Zusagen seiner Gesellschafter. Was genau getan wird, verrät er noch nicht. Doch Pachera kennt auch ein anderes Problem, das jeder hat, der ein Thermalbad betreibt: das Image.
Thermalbäder werden immer noch als reine Kurveranstaltungen gesehen. Dabei haben die Bäder sich längst breiter aufgestellt. „Wir setzen stark auf Wellness, Fitness und Beauty“, sagt Pachera. Und auch sein Kollege aus Bad Krozingen weiß, dass neben Kur- und Urlaubsgästen vor allem Tagesgäste aus der Region das Geld in die Kasse bringen. „Seit Mitte der 1990er-Jahre stehen bei den Bädern wirtschaftliche Aspekte im Mittelpunkt“, sagt Rubsamen. In Krozingen wurde seinerzeit ein harter Schnitt gemacht. Die Zahl der Mitarbeiter wurde von 120 auf 85 reduziert. „Längst gilt es, auch die Personalkosten im Blick zu haben“, sagt Rubsamen.
Und doch muss man es schaffen, erfolgreich zu wirtschaften. Mehr Gäste anziehen, ständig investieren. Die Krozinger bringen es heute auf 520?000 Besucher im Jahr. Vor zehn Jahren waren es nur halb so viel. Der Erfolg spiegelt sich in den Beschäftigtenzahlen. Die Bädergesellschaft ist wieder auf 120 Mitarbeiter gewachsen. Von einer guten Rendite ist man dennoch weit entfernt, verrät Rubsamen: „Im Schnitt schaffen wir eine schwarze Null.“