Gesund ist hier gar nichts

Unser Gesundheitswesen – ein Fall für die Intensivstation. Econo-Herausgeber Klaus Kresse fordert: Runter mit der rosaroten Brille! Und mehr Ehrlichkeit, wenn es um Geld geht

 
 

Gesundheitswesen. Kein schönes Wort. Aber ein beruhigendes. Das klingt nach: Alles in Ordnung. Wir dürfen uns wohlfühlen. Und wenn wir doch mal krank sind, werden wir schnell wieder gesund.

Wir vielleicht. Aber wie steht es um das Gesundheitswesen?
Nicht gut – um es auf einen kurzen Nenner zu bringen.

Das Einzige, was stimmt, sind die medizinischen Leistungen. Ansonsten knirscht und klemmt es.

Beginnen wir mit den Patienten. Eine unglückselige Allianz von Politikern, Medizinern und Krankenhausträgern gaukelt ihnen vor, in Deutschland gebe es keine Zwei-Klassen-Medizin. Obwohl jeder weiß, dass wir die schon lange haben. Sicher, jeder bekommt die notwendige Versorgung. Aber schon bei den Terminen wird oft zwischen gesetzlich Versicherten und Privatzahlern unterschieden. Und manche Kliniken nehmen Kassenpatienten gar nicht erst auf – es sei denn, sie zahlen privat.

Oder betrachten wir das Verhältnis Arzt–Patient. Eine jüngst vom Wissenschaftlichen Institut der Techniker-Krankenkasse vorgelegte Studie besagt: Die Patienten finden ihre Ärzte richtig gut. 95 Prozent erklären, sie seien „insgesamt sehr zufrieden“ oder „eher zufrieden“. Ebenfalls 95 Prozent sehen sich von ihrem Arzt „als Mensch und nicht als Nummer behandelt“.

Das wäre wunderbar, gäbe es nicht noch eine ganz andere Sicht. Die internationale Deloitte-Studie „2010 Global Survey of Health Care Consumers“ jedenfalls kommt zu viel schlechteren Ergebnissen. Im Vergleich zur Schweiz, zu Frankreich, dem Vereinigten Königreich, Kanada und den USA wird Deutschland zwar ein „hochwertiges Angebot an Gesundheitsdiensten“ attestiert.

Aber: Dieser Studie zufolge geben nur 17 von 100 Deutschen unserem Gesundheitssystem die Note „sehr gut“ oder „gut“. Vor allem, so die Studie, wollen „die Deutschen zunehmend als Kunden und nicht mehr als Patienten behandelt werden“.

Kunden. Bei diesem Wort schüttelt es viele Dienstleister im Gesundheitswesen. Denn Kunde – das klingt für sie nach Markt und Marketing, nach Profit und Betriebswirtschaft. Doch spätestens, wenn Ärzte im Porsche Cayenne zur Demo reisen und für ihre pekuniären Forderungen protestieren, wird das zum Treppenwitz.

Denn Medizin hat nicht nur mit dem Eid des Hippokrates, sondern schlicht mit Geld zu tun. Niemand neidet seinem Arzt ein gehobenes Einkommen. Es kommt auch keine Häme auf, wenn niedergelassene Ärzte bis ins hohe Alter arbeiten müssen, weil der Verkauf ihrer Praxis nicht mehr genügend Geld für den Ruhestand bringt. Nur: Warum wird das alles verbrämt?

Die heftigsten Verwerfungen freilich gibt es bei den Kassen und den Krankenhäusern.

Die ersten Krankenkassen stehen vor der Insolvenz. Weshalb „Der Spiegel“ fragt: „Steht die Branche vor einer Pleitewelle?“ Weil Fachleute für 2011 mit einem Defizit von elf Milliarden Euro rechneten, kam die schwarz-gelbe Koalition auf eine grandiose Idee: Anstelle einer echten Gesundheitsreform werden die Krankenkassen-Beiträge angehoben. Auf 15,5 Prozent. Heller Wahnsinn!
Auch viele Kliniken in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft sind Kandidaten für die Intensivstation. Weil betriebswirtschaftliches Denken und intelligentes Marketing bei der Mehrzahl der Träger als Teufelszeug gelten, ist der Exitus absehbar. Kommunalpolitiker, die nicht alles durch die rosarote Brillen sehen, geben offen zu: In fünf Jahren wird es für eine große Zahl öffentlich-rechtlicher Häuser eng. Intime Kenner der Szene erwarten den Absturz sogar viel früher.

Nur in einer Gesundheitsdisziplin sind wir noch Weltmeister: Deutsche gehen 18-mal im Jahr zum Arzt. Ein teurer Rekord.

Und nun? Niemand kann die Grundrechenarten außer Kraft setzen. Also Schluss mit den Illusionen! Macht Kassensturz! Schenkt den Leuten reinen Wein ein! Und macht eine richtige Reform!

Teilen auf

NO!