„Glauben Sie nicht Gerüchten!“
Willi Balz und Walter Döring über die milliardenschweren Geschäfte ihrer Windreich AG. Von dem Wolfschlugener Unternehmen, das weltweit Windparks projektiert, handelt die aktuelle Econo-Titelstory.
diwe
29.05.2012 | 12:28
Herr Balz, wie bewerten Sie die aktuelle Studie des Karlsruher Instituts für Technologie im Auftrag der IHK'n im Land, die unter anderem die Energiewende in Frage stellt und bis zu 70 Prozent höhere Strompreise vorhersagt?
Willi Balz: Ich halte die Studie für manipuliert. Wie Sie sicher wissen wurde am 1. Oktober 2009 das Karlsruher Institut für Technologie als Zusammenschluss des Forschungszentrums Karlsruhe und der Universität Karlsruhe gegründet. Wer sich schon länger mit Energieerzeugung beschäftigt der weiß auch, dass das Forschungszentrum Karlsruhe früher das Kernforschungszentrum war.
Herr Dr. Döring, die Windreich AG hat Genehmigungen für insgesamt 23 Offshore-Windparks beantragt. Damit hätten Sie am Ende jeden zweiten Park auf deutscher See. Wie schafft man das?
Walter Döring: Es ist ohne Frage außerordentlich ambitioniert. Unser Vorgehen basiert auf den Erfahrungen an Land. Vorstandschef Willi Balz hat 1999 mit Onshore-Windkraftanlagen begonnen – allerdings ohne sich im großen Stil Land zu sichern. Jetzt sind wir mit hängender Zunge hinter Flächen her, denn der Wettbewerb ist riesig. Daraus hat Herr Balz für den Offshore-Bereich gelernt.
Aber wie um alles in der Welt wollen Sie diese Projekte alle stemmen?
Balz: Ein Offshore Windpark Projekt mit 400 MW hat eine Durchlaufzeit von elf bis zwölf Jahren. Das heißt, dass wir mit einigen Parks schon 8 Jahre und mehr hinter uns haben und kurz vor der Errichtung sind. Unser im letzten Jahr ausgesprochenes Ziel, pro Jahr einen Park ans Netz zu bringen, können wir aktuell übertreffen. Mittlerweile zeichnet sich klar ab, dass wir Global Tech I im Jahr 2012/2013 und in den Jahren 2013/2014 mit zwei weiteren Parks, MEG und Deutsche Bucht, parallel in die Errichtungsphase eintreten werden.
Aktuelle Studien zum Offshore-Projekt Alpha Ventus sprechen von deutlich mehr Ertrag, aber auch von deutlich mehr Aufwand unter anderem für den Unterhalt. Hat das Einfluss auf Ihre Offshore-Projekte?
Balz: Die ganz aktuellen Zahlen von Alpha Ventus sind noch einmal angestiegen und zwar sowohl in Bezug auf die Verfügbarkeit, inbesondere aber auch in Bezug auf die Volllaststunden. Von deutlich mehr Aufwand im Unterhalt kann überhaupt keine Rede sein. Das erkennen Sie ja auch an den Verfügbarkeitszahlen von rund 98 Prozent.
Anlagen, die nur zu zwei Prozent des Jahres stehen, bieten gar keine Chancen, Kosten zu verursachen, weil man laufende Anlagen nicht begehen kann. Glauben Sie auch hier nicht Gerüchten! Wir liegen mit den Instandhaltungsaufwendungen, die bisher in der Praxis sichtbar wurden voll im grünen Bereich. Unsere konservativen Wirtschaftlichkeitsberechnungen haben hier deutlich Luft.
Es kann also nicht sein, dass Sie am Ende nur versuchen, Genehmigungen mit Gewinn zu verkaufen?
Balz: Nein, garantiert nicht! Wir bauen selbst! Wem sollen wir denn unsere Genehmigungen verkaufen, wenn wir offensichtlich nahezu die Einzigen sind, die in der Lage sind diese Windparks im Zeit- und Budgetplan zu errichten und auch das hierfür erforderliche Eigen- und Fremdkapital einzusammeln?
Manchmal haben wir das Gefühl, wir müssen mit wenigen respektierten Kollegen zusammen die Energiewende nahezu im Alleingang schaffen. Künftig auch mit anderen Finanzierungsquellen bezüglich des Eigenkapitals, also neben Stadtwerken künftig auch Versicherungen, Pensionskassen und industrielle strategische Investoren, welche im Hinblick auf CO2-Vermeidung oder eMobilität an Investments bei der Windreich AG gar nicht mehr vorbei kommen.
Dennoch erscheint es zumindest seltsam, dass ein einzelner versucht, sich knapp die Hälfte der Flächen auf See zu sichern. Sind Sie so gut vernetzt?
Balz: Lassen Sie uns lieber von einem Drittel, statt knapp der Hälfte sprechen. Das liegt nicht an der Vernetzung, sondern an der langjährigen Vorarbeit und frühen hohen Investitionen in der Deutschen Nordsee.
Der erste Windreich-Park Globaltec 1 soll ein Investitionsvolumen von 1,8 Milliarden Euro haben. Mit Verlaub: Für ein Unternehmen mit 120 Millionen Euro Umsatz drehen Sie allein damit schon ein ganz schön großes Rad.
Balz: Ihre Frage zeigt, dass wir es bislang nicht geschafft haben unser Geschäftsmodell den Kapitalmärkten zu erläutern. Die Fremdfinanzierung in Höhe von 1,047 Milliarden Euro steht und wurde von PFI als Projektfinanzierung des Jahres ausgezeichnet.
Schon vorher war es erforderlich, das entsprechende Eigenkapital von rund 800 Millionen Euro einzusammeln, welches uns problemlos mit lediglich fünf Investoren aus dem Süddeutschen Raum und der Schweiz gelungen ist und zwar schon vor Fukushima! Als Umsatz bei der Windreich AG erscheint nur die Handelsspanne der Werterhöhung der GmbH-Anteile der Projektgesellschaft, also quasi der Nettogewinn.
Mit Global Tech 1 wollen Sie zum Jahreswechsel ans Netz. Nicht nur Experten bezweifeln, dass Ihnen das gelingen wird.
Balz: Wir liegen mit dem Projekt weiterhin, zugegebenermaßen fast als einziger Marktteilnehmer neben der Trianel Gruppe mit Borkum West II, voll im Plan und haben aktuell keine Hinweise darauf, nicht wie geplant Ende 2013 mit dem kompletten Park am Netz zu sein. Damit werden dann 1 Mio. Menschen mit CO2 freiem erzeugten, sauberen Strom versorgt.
Noch steht aber kein einziges Windrad.
Balz: Ja, das stimmt, aber das liegt voll im Plan. Für die pünktliche Errichtung trägt das weltweit größte Bauunternehmen, die Hochtief AG die Verantwortung. Hochtief AG hat sich sogar in der Branche erstmalig bereiterklärt das Wetterrisiko zu übernehmen. Dies und andere hervorragend verhandelte Verträge waren Grundlage für die weltweit bislang größte Projektfinanzierung, welche wir schon im Jahr 2011 geclosed haben.
Sie haben die Frist für den Baubeginn auf 31.12.2012 verlängern lassen. Sie sind im Verzug!
Balz: Ja das stimmt, der Antrag für die Verlängerung wurde aber schon am 23.02.2010 beim BSH eingereicht und am 25.02.2010 genehmigt. Wir sind überhaupt nicht im Verzug, im Gegenteil. Es ist circa eine Milliarde Euro bereits in die Komponenten mit länger Vorlauf Zeit, also Tripode, Windkraftanlagen und Rotorblätter investiert.
Was geschieht denn im Moment konkret?
Balz: Das Umspannwerk vom Alstom wird pünktlich ausgeliefert und steht zur Verschiffung bereit sobald sich eine entsprechende ruhige Wetterlage andeutet. Auch hier liegen wir voll im Plan.
Um Beispiel beim Netzanschluss, für den ja der niederländische Stromnetzbetreiber Tennet zuständig ist.
Döring: Unser Kabel ist rechtzeitig fertig, weil früh genug beantragt. Die
HVDC (Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung, d. Red.) existiert bereits und wird von Bard (ein Windreich-Wettbewerber aus Emden; d. Red.) schon benutzt.
Als nächstes sollen die Parks MEG1 und Deutsche Bucht1 drankommen. Wie ist der Stand?
Döring: Bei MEG 1 laufen jetzt die Bestellungen an. Die Genehmigung liegt vor und damit die Netzzusage. Und Sie bekommen eine Genehmigung nur, wenn Sie nachweisen, dass Sie auch realisieren können. Bei der Deutschen Bucht sind wir fast genauso weit, die Genehmigung liegt auch dort vor. Ich kann so viel verraten, dass sich ein großer Anlagenhersteller beteiligen wird.
Sie haben angekündigt, in mehr als 120 Onshore-Anlagen allein in Baden-Württemberg investieren zu wollen. Ist das nun Ausdruck von Goldgräberstimmung nach den politischen Weichenstellungen oder ein Ausweichen durch Verzögerungen beim Offshore-Ausbau?
Balz: Von Ausweichen kann überhaupt keine Rede sein! Onshore betreiben wir schon seit 14 Jahren erfolgreich Anlagen, auch in Baden-Württemberg. Insgesamt wurden durch uns und unsere Tochtergesellschaften schon mehr als 1000 Onshore-Windanlagen aufgestellt. Gerade jüngst haben wir den größten Windpark Bayerns an der Autobahn Nürnberg-Hof in Betrieb genommen, an welchem sich auch die Daimler AG beteiligt hat, um das Thema CO2-freie Mobilität zu realisieren.
Auch unsere ausländischen Onshore-Aktivitäten kommen gut voran, so haben wir beispielsweise mit hervorragenden Ergebnissen seit einiger Zeit einen großen Park in der Proviz Ontario am Netz, welcher jetzt in den Verkauf geht. Wie Sie sehen, geben wir auf beiden Gebieten Vollgas. Ausweichen tun nur die drei Großen Energiekonzerne vor der Realität, da sie auf beiden Gebieten, Onshore wie Offshore, hinterher hinken anstatt vorweg zu gehen.
Sind die auch durch andere Investoren für Baden-Württemberg angekündigten Zubauten an Windenergieanlagen überhaupt realistisch, auch angesichts der Diskussionen an der Basis bei den Bürgern?
Balz: Natürlich gibt es auch hier wie auf jedem Mark einen Kampf um Marktanteile. Man wird sehen, welcher Projektentwickler am Schluss wie viele Anlagen aufstellt. Die negativen Auswirkungen für alle Marktteilnehmer sind allerdings stark steigende Preise. Und damit eine Reduzierung der Wirtschaftlichkeit.
Die übliche Finanzierung eines Windparks soll zu einem Drittel aus Eigenkapital bestehen. Bei Globaltec1 sind es nach Ihren Zahlen 45 Prozent. Wollten die Banken zusätzliche Sicherheiten?
Balz: Es handelt sich hierbei um die Bauzeitfinanzierung. In der Betriebsphase wird sich das Eigenkapital auch aufgrund der hervorragenden Betriebsergebnissen von Alpha Ventus deutlich reduzieren.
Herr Dr. Döring, auf der jüngsten Windkonferenz in Norddeutschland sollen Sie arg gegen die Banken gewettert haben. Worüber haben Sie sich denn so aufgeregt?
Döring: Ich habe nicht gewettert sondern lediglich darauf hingewiesen, dass wir für Global Tech I insgesamt 16 Banken am Tisch hatten. Das ist eine sportliche Herausforderung.
Aber was ist daran ärgerlich?
Döring: Wir haben eine 250-Millionen-Bürgschaft von der KfW. Hinzu kommen 500 Millionen von der Europäischen Investitionsbank. Bleibt ein Kreditbedarf zwischen 250 und 300 Millionen Euro. Ich kann keine Begeisterung mitbringen, wenn ich dafür 16 Banken brauche. Vor der Finanzkrise wäre das mit der Hälfte machbar gewesen. Die Bereitschaft der Banken sollte größer sein.
Eine der beiden Anleihen der Windreich AG, die an der Börse Stuttgart gelistet sind, notieren derzeit nur noch bei etwa 50 Prozent des Nennwerts. Warum stuft der Markt Ihr Unternehmen als so riskant ein?
Döring: Wir können uns leider nicht freimachen vom negativen Trend der Solarbranche. Zudem ist der Markt von vielen oft falschen Pressemeldungen zum Thema Offshore beeinflusst. Die Zinszahlung ist jedenfalls pünktlich erfolgt. Alle Projekte liegen im Plan, hohe Werte wurden geschaffen. Wir sind voll dabei die Energiewende umzusetzen.
Je weiter man von der Küste weggeht, desto größer wird das Risiko der Naturgewalten. Die Hälfte der Flächen, für die Sie Anträge gestellt haben, befindet sich in der dritten Reihe. Analysten halten das für sehr riskant.
Balz: Was Sie als Naturgewalten bezeichnen ist unser Treibstoff. Wir wollen den größten Windertrag haben. Und der Ertrag ist mit zunehmender Küstenentfernung logischerweise höher und auch gleichmässiger.
Aber draußen ist das Risiko durch die Naturgewalten größer.
Döring: Wenn Sie die Energiewende schaffen wollen, können Sie in Deutschland nicht nur küstennah errichten. Zudem tragen nicht wir das Errichtungsrisiko, sondern Hochtief.
Herr Dr. Döring, was hat Sie eigentlich dazu bewogen, zur Windreich AG zu kommen? Immerhin galten Sie in Ihrer Zeit als Wirtschaftsminister keineswegs als Freund von Ökostrom.
Döring: Ich kam vor fünf Jahren zur Windreich AG. Erst als Beiratsvorsitzender, dann als Aufsichtsratsvorsitzender. Vor zwei Jahren wurde ich in den Vorstand gebeten. Das Thema draußen auf dem Meer ist so bedeutend, das fasziniert mich.
Außerdem haben wir in Baden-Württemberg über 300 Unternehmen, die mit Windenergie zusammen mehr als eine Milliarde Euro Umsatz erzielen. Und das freut auch den früheren Wirtschaftsminister.
Herr Balz, Herr Dr. Döring, vielen Dank für das Interview.