Grenke: "ein Schlag ins Gesicht"

Der Leasinganbieter wird mit schweren Vorwürfen konfrontiert – von Betrug und dem "Versagen der Aufsichtsbehörden" ist die Rede. Sogar Parallelen zu Wirecard werden gezogen. Vorstand und Aufsichtsrat wehren sich: "sämtliche Anschuldigungen sind unbegründet". Nun wird ein Sondergutachten erstellt und der Aufsichtsratschef zieht Konsequenzen

 
Foto: Grenke AG
 

Baden-Baden. Die Grenke hat im Ringen mit den Anschuldigungen des Shortsellers Fraser Perring nachgelegt – und eine Reihe Schritte angekündigt, die Beobachter nach der ersten ausführlichen Stellungnahme (siehe unten) noch bemängelt hatten:

# Nun wird zusätzlich eine unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft beauftragt, die "Marktüblichkeit der Franchise-Übernahmen der Vergangenheit und deren Vorteilhaftigkeit für die Grenke zu überprüfen". Am Umgang mit den Leasinggeschäften hatte Perring Zweifel angemeldet.

# Die AG prüft, ob das Franchise-System nicht in den Konzern integriert werden sollte. Hierzu bietet Grenke Gründer Wolfgang Grenke der von der CTP Handels- und Beteiligungs GmbH gehaltenen Beteiligungen zum Kauf an. Auch auf die CTP hatte sich Perring eingeschossen. An dem Unternehmen hält Grenke ebenfalls Anteile.

# Wolfgang Grenke wird sein Aufsichtsratsmandat "vorerst ruhen lassen".

# Die Familie Grenke will "langfristig" das Aktienpaket von 40,84 Prozent an der AG halten.

Die Ankündigungen ließen den Aktienkurs zunächst wieder um gut zehn Prozent einbrechen, bevor sich der Kurs stabilisierte.

// Vorstand und Aufsichsrat der Grenke haben sich in einem fünf Seiten umfassenden Schreiben zu den Vorwürfen des Shortsellers Fraser Perring (siehe unten) geäußert. Gleich im ersten Satz kommt man zu der Aussage "die erhobene Vorwürfe werden mit aller Entschiedenheit" zurückgewiesen. Und weiter: "Nach einhelliger Auffassung des Vorstandes und Aufsichtsrates sind sämtliche Anschuldigungen in allen Themenbereichen unbegründet."

Antje Leminsky, Vorstandsvorsitzende der Grenke, geht noch einen Schritt weiter: "Die Behauptungen in dieser sogenannten Analyse entbehren jeder Grundlage. Wir wehren uns gegen jeglichen Vergleich mit Wirecard. Die Anschuldigungen eines Leerverkäufers, der mit dem von ihm ausgelösten Kursverfall Geld verdient, sind ein Schlag ins Gesicht unserer über 1700 Mitarbeiter, unserer 40.000 Händler und unserer langfristig orientierten Aktionäre."

In der Stellungnahme gehen Vorstand und Aufsichtsrat ausführlich auf einzelne Punkte der Perring Analyse ein, klären über die Zusammenhänge mit dem Unternehmen CTP Handels- und Beteiligungs GmbH auf, erläutern das "Erfolgsmodell Franchise", erklären die hohe Liquidität und die Vorkehrungen gegen Geldwäsche und listen schlussendlich auch die Positionswechsel in Führungspositionen und Aufsichtsrat auf. Alles klar im Ton.

Eine Reaktion von Analysten und Aktionären lag wenige Minuten nach Versand des Schreibens noch nicht vor. An späteren Nachmittag soll noch eine Telefonkonferenz zusätzliche Informationen erhalten.

Um die Verteidigungslinie zu unterstreichen, hat "der Vorstand dem Aufsichtsrat" laut dem Schreiben vorgeschlagen, "ein Sondergutachten erstellen zu lassen". Um "zügig zu Ergebnissen" zu erlagen, sollen die bestehenden Wirtschaftsprüfer von KPMG die Prüfung vornehmen – ob das aus Gründen der Transparenz eine gute Idee ist, werden am Ende die Analysten und Investoren entscheiden.

// Vor dem Hintergrund der schwerwigeneden Vorwürfe (siehe unten) hat sich jetzt erstmals Wolfgang Grenke geäußert. In seiner Stellungnahme geht er insbesondere auf die Anwürfe zu Intransparenz und Unregelmäßigkeiten beim Franchisegeschäft ein. Wolfgang Grenke: "Das Franchisesystem ist einer der Erfolgsfaktoren der Grenke und einer der wesentlichen Treiber für die Expansion der letzten zehn Jahre wie auch für unser künftiges Wachstum."

Kern des Franchisesystems sei weniger die Vereinnahmung von laufenden Franchisegebühren als vielmehr das Recht (nicht die Pflicht) der AG, die Franchisegesellschaften nach Ablauf von vier, fünf oder sechs Jahren zu übernehmen, wie es in dem zweiseitigen Schreiben unter anderem heißt. Das Übernahmerecht sei dabei geknüpft an ein von Anfang an festgelegtes Bewertungsmodell zur Kaufpreisfindung. Weiter heißt es: "Das Modell bietet also den Gesellschaftern des Franchiseunternehmens Aussicht auch auf einen Veräußerungsgewinn und dem Konzern die Möglichkeit, Franchisegesellschaften erst und nur dann zu übernehmen, wenn sich diese im jeweiligen Markt bereits etabliert haben und zudem über erhebliches Wachstumspotenzial verfügen." Das Modell habe sich damit im Vergleich zu der Möglichkeit, konzerneigene Landesgesellschaften von Grund auf selbst aufzubauen, als dynamischer und erfolgversprechender erwiesen. Parallel hat Grenke Beteiligungen offen gelegt und auf die Geschäftsbeziehungen verwiesen.

Die ersten Äußerungen Grenkes haben zumindest die Analysten an der Börse überzeugt, der Börsenindex konnte die Verluste im Verlauf des Donnerstag Nachmittag teilweise wettmachen – nach einem Minus von rudn 50 Prozent ging es um 30 Prozent rauf. Nun steht noch die Stellungnahme der eigens gegründeten Taskforce, die für Freitag angekündigt wurde.

//Die Grenke hat angesichts der schwerwiegenden Vorwürfe eine Taskforce gegründet, "die sich mit der detaillierten Widerlegung der von Viceroy Research gegen das Unternehmen erhobenen Vorwürfe be-fasst", wie es in einer Mitteilung heißt. Auf Basis dieser Arbeit "werden sich am morgigen Freitagnachmittag Antje Leminsky, Vorstandsvorsitzende der AG, und Sebastian Hirsch, Mitglied des Vorstands, gemeinsam mit dem Unternehmensgründer und stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden Wolfgang Grenke und dem Aufsichtsratsvorsitzenden Ernst-Moritz Lipp schriftlich sowie im Rahmen eines Investoren- und Analystencalls zu allen Themenkomplexen äußern: den Vorwürfen des Betrugs, der Bilanzfälschung und der Geldwäsche sowie der Kritik am Geschäftsmodell und der Governance".

Bereits am heutigen Nachmittag wie sich Wolfang Grenke "insbesondere auf die gegen ihn persönlich gerichteten Anschuldigungen und den Themenkomplex Franchise" äußern.

Wobei der Leasingdienstleister auch in der aktuellen Mitteilung betont: "Vorstand und Aufsichtsrat sehen alle diese Vorwürfe weiterhin als unbegründet an." Auch die Einleitung rechtlicher Schritte gegen Viceroy Research wird weiterhin geprüft.

// Es kommt einem Paukenschlag gleich: Der Leasinganbieter Grenke soll in dubiose Geschäfte verwickelt sein, die Bilanz aufgebläht und nicht existente liquide Mittel ausgewiesen haben, wie in einem 64 Seiten umfassenden Dossier aufgeschlüsselt wird. Die Vorwürfe erhebt Fraser Perring, eine in Börsenkreise schillernde Persönlichkeit – er hat mit ähnlichen Anwürfen auch den Fall Wirecard ins Rollen gebracht. Die Vorwürfe der Bilanzunregelmäßigkeiten ähneln zudem denen von Wirecard.

Wobei Perring nicht uneigennützig handelt: Er ist mit seinem Analysehaus Viceroy Research auf Shortselling (Leerverkäufe) spezialisiert, spekuliert mit Aktien, die ihm zum Zeitpunkt der Aktion nur als Option gehören, und wettet damit auf fallende Kurse – und der Kurs von Grenke im M-Dax brach nach Bekanntwerden der Vorwürfe um bis zu 23 Prozent ein.

Das angegriffene Unternehmen Grenke schlägt indes zurück: Man behalte sich rechtliche Schritte vor und "bereitet eine ausführliche Replik zu den Anschuldigungen vor", wie es in einer Stellungnahme heißt.

Parallel geht die AG aber auch in die Offensive: "Ein zentraler Vorwurf lautet, dass von den im Halbjahresfinanzbericht 2020 ausgewiesenen 1.078 Millionen Euro liquiden Mittel ein substanzieller Anteil nicht existiere. Dies ist nachweislich falsch. 849 Millionen Euro, also fast 80 Prozent der liquiden Mittel, befaden sich zum 30. Juni 2020 auf Konten der Deutschen Bundesbank – wie im Halbjahresbericht veröffentlicht. Per heute beträgt das Guthaben bei der Bundesbank 761 Millionen Euro."

Gegenüber dem "Handelsblatt" zeigt sich Shortseller Perring indes von der ersten Replik unbeeindruckt: "Grenke steht für die dunkle Seite des Leasings." Und weiter: "Das Unternehmen arbeitet mit unbesicherten Verpachtungen, veralteten und überteuerten Angeboten und einem Schattennetzwerk von betrügerischen Wiederverkäufern. Hinzu kommt die Bank eines Geldwäschers, die für Anleihen und nicht offengelegten Transaktionen im Wert von fünf Milliarden Euro bürgt. Wir haben hier mal wieder das gesammelte Versagen der Aufsichtsstellen."

Ob das tatsächlich so zutrifft wird sich weisen – auch, wie Grenke am Ende mit den Anwürfen umgeht. Zunächst erscheint der Schlagabtausch als Punktsieg für Perring: der Absturz des Börsenkurses hat seine Wetten garantiert versilbert. 

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