Grünes Misstrauen

Den warmen Worten müssen Taten folgen

 
 

Winfried Kretschmann kommt beim Volk hervorragend an. In kaum mehr als 100 Tagen hat er sich das Image des Landesvaters erarbeitet. Seine Beliebtheitswerte sind sensationell. Von so viel Zuneigung konnten seine beiden Vorgänger Oettinger und Mappus nur träumen. Das Volk mag den neuen Chef. Die regionale Wirtschaft sieht das anders. Laut der Cobus-Umfrage (siehe Seite 72) stellen die Entscheider dem neuen Landesvater und seiner grün-roten Regierung ein eher schlechtes Start-Zeugnis aus. Doch woher kommt diese frappierende Meinungs-Kluft zwischen Volk und Wirtschaft?
Da ist zum einen der schmale Grat zwischen Ausgewogenheit und Wankelmütigkeit. Beispiel Stuttgart 21: Zunächst hatte Kretschmann den Stresstest akzeptiert, um ihn dann wieder anzuzweifeln. Beim Thema Baustopp fällt er nur mit Forderungen an die Adresse der Bahn auf, statt selbst die Inititative zu ergreifen. Seinen Wild-west-Verkehrsminister Winfried Hermann lässt er seit Monaten gewähren. Während beim Volk die eher zurückhaltende Art der Amtsführung ankommt, sind die hemdsärmeligen Macher im Südwesten von ewigen Hin und Her eher genervt. Dazu kommt: Ihm, dem Vorzeige-Grünen, schlägt noch immer das Grund-Misstrauen der Wirtschaft entgegen. Daran ist er selbst schuld. Wenige Tage nach Amtsantritt hat er dem Rückgrat der heimischen Wirtschaft, der Automobilindustrie, die Leviten gelesen: Es gehe nicht darum, mehr Autos, sondern andere Autos zu bauen. Den erhobenen Zeigefinger eines ehemaligen Ethik-Lehrers haben die Macher nicht vergessen. Kretschmann wird von der Wirtschaft nicht an Worten und Ausstrahlung gemessen. Sondern an Taten. Und die sollte er in den weiteren Monaten schnell folgen lassen.

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