Hoffnungsträger
Der KSC ringt um seine Zukunft - und setzt dabei alles auf das neue Präsidium um Ingo Wellenreuther. Econo bat den neuen Mann an der Spitze zum Interview.
rosc
30.08.2011 | 16:13
Foto: Jigal Fichtner
Karlsruhe. Freitagabend, Flutlicht: Fußball-Zweitligist Karlsruher SC startet in die vielleicht wichtigste Rückrunde seiner Vereinsgeschichte. Tabellenkeller, fehlende Einnahmen und das erschütterte Vertrauen von Anhängern und Sponsoren machen die Aufgabe für den neuen Präsidenten Ingo Wellenreuther nicht gerade einfacher. Im Interview mit Econo erklärt der CDU-Bundestagsabgeordnete, wie er das schlingernde Schiff wieder auf Kurs bringen will.
Herr Wellenreuther, der KSC hängt im Abstiegssumpf der Zweiten Liga, er wird die Saison mit einem Minus beenden, die Lizenz für die kommende Saison ist noch nicht gesichert. Warum haben Sie sich das Amt des Vereinspräsidenten überhaupt angetan?
??Das ist eine gute und berechtigte Frage. Nachdem zwei Drittel des Präsidiums zurückgetreten sind, hat das Amtsgericht einen Notvorstand bestellt und ist dabei auf mich gekommen. Ich bin seit Jahrzehnten KSCler, habe selbst in der Amateurmannschaft gespielt. Ich habe als Notpräsident viele Gespräche geführt mit dem Hauptziel, dass der KSC handlungsfähig bleibt. Es ist viel Porzellan kaputtgegangen durch das öffentliche Auftreten in den vergangenen Jahren.
Sie meinen Ihren Vorgänger Paul Metzger …
??Die Arbeit des früheren Präsidiums werde ich nicht kommentieren. In den Gesprächen mit den Banken und der regionalen Wirtschaft wurde häufig der Wunsch geäußert, mit einer seriösen Vereinsführung zusammenzuarbeiten. Und auch der Wunsch, dass ich mich der Wahl stellen soll. Ich habe die Verantwortung gespürt und konnte mich dem nicht entziehen. Auch wenn mir klar ist, dass die Präsidentschaft für mich als Person ein Risiko darstellt. Ein bisschen Mut habe ich schon gebraucht.
Der KSC hat das Nachlizensierungsverfahren durch die Deutsche Fußball-Liga (DFL) im November nur mit Mühe überstanden. Im Etat fehlen noch immer zu Saisonbeginn sicher geglaubte Einnahmen. Wie schlimm steht es wirklich um den Verein?
??Wir haben das Verfahren ohne Auflagen oder Strafen überstanden. Die DFL prüft nicht, ob ein Verein Verlust macht, sondern ob er über ausreichend Liquidität verfügt. Das haben wir geschafft. Uns ist es in
kurzer Zeit gelungen, rund 300 000 Euro zusätzliche Einnahmen während der Saison zu generieren. Zudem haben wir die Kosten reduziert.
Am Ende der Saison wird der KSC dennoch Verluste schreiben …
??Das stimmt. Wir werden zwar ein negatives Ergebnis erwirtschaften, aber wir werden am 30. Juni besser dastehen als zunächst befürchtet.
Wie groß ist das Minus?
??Zahlen nenne ich nicht. Den KSC zu konsolidieren ist aber eine große Aufgabe. Es gibt einige Dinge, die erledigt werden müssen. Aber wir sind auf einem guten Weg, ein Beispiel dafür ist das Nachwuchszentrum, das derzeit gebaut wird.
Statt der nationalen Marke Tempo, die als Hauptsponsor im Gespräch war, prangt seit Saisonbeginn der regionale Markisenhersteller Klaiber auf den Trikots. Damit fließt auch erheblich weniger Geld in die Kassen. Von den anvisierten fünf Millionen Euro Sponsoringeinnahmen pro Saison ist der Verein meilenweit entfernt. Wie wollen Sie die Marke KSC wieder zum Funktionieren bringen?
??Der KSC ist ein Traditionsverein mit einer 116-jährigen Geschichte. Der Verein hat einen guten Namen. In Deutschland und Europa. Aber wir stehen nicht da, wo wir mit unserer Tradition eigentlich stehen sollten. 2010 war ein turbulentes Jahr für den Verein. Es geht nun erst mal darum, Vertrauen zurückzugewinnen. Dazu gehört auch ein ordentliches Geschäftsgebaren, etwa seriöse Verträge zu schließen, die unseren Möglichkeiten und unserem Potenzial entsprechen.
Das müsste eigentlich selbstverständlich sein.
??So ist es. Die Führung eines Profivereins erfordert Professionalität.
Die anvisierten fünf Millionen Euro hat das frühere Präsidium nicht erreicht. Welche Ziele haben Sie sich gesetzt?
??Für exakte Zahlen ist es zu früh. Wir haben Verträge mit Sportfive, die die Vermarktung für den KSC übernimmt. Insofern sind die Möglichkeiten auch an Sportfive gebunden.
Wie zufrieden sind Sie mit der Arbeit von Sportfive?
??Ich äußere mich generell nicht zur Arbeit von Vertragspartnern.
Anders gefragt: Wurde das Vermarktungspotenzial des KSC für diese Saison ausgeschöpft?
??Das mit Sicherheit nicht. Aber da sind auch eine Menge von verschiedenen Faktoren zusammengekommen. Der Vertrag mit Klaiber, unserem Trikotsponsor, kam zum Beispiel erst kurz vor Saisonbeginn zustande.
Die regionale Wirtschaft hält sich bei der Unterstützung des Vereins zurück, die Querelen um Ihre Vorgänger und den Verein allgemein haben deutliche Spuren hinterlassen, mancher Sponsor beklagte sich sogar öffentlich über den Verein. Wie schwierig ist es, die Unterstützung der Firmen zurückzugewinnen?
??Es ist ein Geben und Nehmen. Jeder, der den KSC unterstützt, soll auch entsprechend behandelt werden. Wie gesagt: Wir arbeiten hart daran, das Vertrauen zurückzugewinnen.
Sie haben mit Cronimet-Gründer Günter Pilarsky einen Unternehmer als Vizepräsidenten an Ihrer Seite. Wird er der Dietmar Hopp von Karlsruhe?
??So einfach kann man sich das nicht machen. Das darf nicht die Erwartungshaltung sein. Dennoch wird Günter Pilarsky den Verein unterstützen, so wie er es derzeit wieder beim Nachwuchszentrum macht. Wir als Verein müssen unsere Hausaufgaben machen und künftig solide wirtschaften. Deshalb habe ich neben Pilarsky noch Georg Schattling als Vizepräsidenten.
Seit Jahren fordern Sie den Neubau eines Stadions. Jetzt, da Sie Präsident sind, wäre doch die Zeit gekommen …
??Jetzt eine neuerliche Stadiondebatte zu entfachen, käme zur Unzeit. Fakt ist: Ein neues Stadion an der Autobahn erhöht die Attraktivität der Stadt und ist für den KSC in der Zukunft überlebenswichtig. Wir werden uns zusammensetzen, wenn die schwierige aktuelle Situation bewältigt und der KSC wirtschaftlich konsolidiert ist.
Sportlich läuft es überhaupt nicht. Der KSC steckt im Abstiegskampf der Zweiten Liga. Wäre eine wirtschaftliche Konsolidierung in der Dritten Liga überhaupt möglich?
??Natürlich nicht. Aber dort gehören wir auch nicht hin. Wir werden nicht absteigen. Unsere derzeitige Situation hat viele Gründe. Die Verletztenmisere, unter der wir leiden, ist ungewöhnlich. Uns fehlt eine komplette Elf. Aber die Mannschaft hat viel Potenzial. Und mit Uwe Rapolder den richtigen Trainer zu richtigen Zeit. Wichtig ist, unsere Heimstärke auszubauen. Dann springt der Funke auch auf die Zuschauer über. Die Fans haben frustrierende Jahre hinter sich.
Die Zeit der Oliver Kahns und Mehmet Scholls, die in Karlsruhe das Fußballspielen gelernt haben, scheint vorbei. Die Talente gehen lieber nach Freiburg oder Hoffenheim, dort lockt entweder eine klare Vereinsphilosophie oder Geld, in der Ersten Liga spielen beide. Wie kann der KSC im Kampf um die Talente dagegenhalten?
??Im Jugendbereich leistet der Verein hervorragende Arbeit. Alle unsere Mannschaften sind in den obersten Ligen vertreten. Was wir bieten müssen, ist eine Perspektive. Mit dem Nachwuchszentrum haben wir den ersten Schritt gemacht. Unser Ziel ist es, Profifußballer auszubilden. Dazu muss es angemessene Bedingungen geben.
Sie haben nach Ihrer Wahl eine Analyse der Vereinsstruktur angekündigt …
??Wir können nicht alles sofort auf null stellen, wir müssen schließlich den Verein führen. Aktuell geht es darum, die Arbeitsabläufe zu optimieren. Parallel arbeiten wir natürlich an einem Konzept. Das setzen wir dann um, wenn die Voraussetzungen gegeben sind.
Wird die Profiabteilung aus dem Verein ausgegliedert, wie es bei Erstligisten gang und gäbe ist?
??Das ist für uns mit Sicherheit eine Option. Aber die Voraussetzungen dazu müssen erst geschaffen werden.
Zurück zu Ihnen: Sie sind Bundestagsabgeordneter, Stadtrat und Vereinspräsident in Personalunion, pendeln zwischen Berlin und Karlsruhe und in Karlsruhe zwischen Wildpark und Rathaus. Was sagt Ihre Frau dazu?
??Meine Frau ist Kummer gewohnt. Aber jetzt im Ernst, so dramatisch ist das nicht: Mein Beruf ist Bundestagsabgeordneter. Daneben bin ich ehrenamtlich Stadtrat und Präsident des KSC. Andere Abgeordnete sitzen in mehreren Aufsichtsräten oder arbeiten zum Beispiel als Anwälte neben dem Mandat. Die fragt auch niemand, wie sie das alles hinkriegen. Der KSC ist mein Hobby - und meine Leidenschaft.
Letzte Frage: Glauben Sie, dass die Karlsruher im kommenden Jahr auch den Präsidenten eines Vereins aus der Dritten Liga zu ihrem neuen Oberbürgermeister wählen würden?
??Der KSC bleibt in der Zweiten Liga und deshalb stellt sich diese Frage nicht.
Und Sie werden Oberbürgermeister von Karlsruhe?
??Kopfschmerztabletten nehme ich dann, wenn ich Kopfschmerzen habe, nicht vorher.