In schwerer See
Bei der Volksbank Friedrichshafen rebelliert der Vorstandsvorsitzende Edmund Dengler. Die Folge: eine Schlammschlacht. Dabei hat das Haus sich gerade erfolgreich saniert.
diwe
27.08.2011 | 13:51
Foto: Voba Friedrichshafen
Friedrichshafen. Diese kleine Pause im Redefluss von Peter Engler zeigt seine ganze Pein. Engler ist der Bereichsleiter Marketing bei der Volksbank Friedrichshafen. Er ist ein Volksbänkler durch und durch. Seit Jahren arbeitet er bei den Häflern. Man glaubt sofort, welchen Stellenwert das Genossenschaftliche für ihn hat.
Deshalb sind diese Tage Mitte Mai für ihn besonders schwer. Eigentlich hat Engler gerade Besseres zu tun. Eigentlich möchte er sich darüber Gedanken machen, wie er die guten Zahlen des Jahres 2010 richtig anpreist. Denn: Nach sieben Jahren Sanierung haben die Friedrichshafener Genossen endlich mal wieder etwas, worauf sie stolz sein könnten. Das ist für diese Volksbank schon ein riesiger Schritt. Details verrät Engler nicht. Erst am 29. Juni sollen sie im Rahmen der Vertreterversammlung vorgestellt werden.
Aber eigentlich interessieren die Zahlen in diesen Tagen ohnehin niemanden. Dafür sind die Vorgänge viel zu bemerkenswert. Die Volksbank Friedrichshafen hat sich selbst in schwere See manövriert. Eine Rettung? Schwer möglich. Deshalb macht Engler diese kleine Pause, bevor er auf die Pressemitteilungen verweist.
Die Schlammschlacht. In aller Kürze lassen sich die Chaostage am See so umschreiben: Der Vorstandsvorsitzende Edmund Dengler und ein Teil der Belegschaft können den anderen Vorstand Paul Anton Huber und die übrige Belegschaft nicht riechen. Man bläst zur Revolution – und fordert obendrein die Absetzung des Aufsichtsrates samt außerordentlicher Vertreterversammlung. Das Ganze per Ultimatum auf Freitag, 13. Mai, um 12 Uhr. High Noon.
Für eine Genossenschaftsbank ungewöhnlich theatralisch.
Was genau in dem Vorstandsvorsitzenden Edmund Dengler vorgeht, als er am 5. Mai das Schreiben an den Aufsichtsrat mit unterzeichnet, lässt sich nicht sagen. Die Konsequenzen, die er damit auslöst, müssen ihm aber sehr bewusst gewesen sein.
Dengler rechtfertigt sich damit, das Schreiben stamme nicht von ihm, sondern von „geplagten Mitarbeitern“. Es wird von Tränen der Verzweiflung, von Krankmeldungen, ja sogar von Mobbing und „Stasi-Banking“ gesprochen. Dengler verbreitet solche Anschuldigungen zusammen mit dem Betriebsratsvorsitzenden Nicola Tarantino und Prokurist Siegmund Reiser in aller Öffentlichkeit.
Das Trio lässt keinen Zweifel zu: Denglers Vorstandskollege Paul Anton Huber sei der Auslöser des Unmuts. Er habe die Belegschaft gespalten.
Die Mission: Huber muss weg.
Jeder, der das genossenschaftliche Prinzip kennt, weiß, was nun folgen muss: Am Mittwoch, 11. Mai, erhält Dengler um 17 Uhr seine Abberufung. Er hat damit rechnen müssen. Schließlich sollte man nicht in dieser Form seinem Aufsichtsrat ans Bein pinkeln, zumal wenn der Vorsitzende ein gestandener Unternehmer ist wie IHK-Vizepräsident Peter Hüni.
Deshalb kommentiert der Aufsichtsratsvorsitzende der Volksbank Friedrichshafen den Vorgang nur mit zwei knappen Sätzen: „Das ist anmaßend. Darauf kann es nur eine Antwort geben.“ Punkt.
Die Spurensuche. 15 Jahre arbeiten Dengler und Huber Tür an Tür als Vorstände. Man muss sich dabei nicht lieben, aber eine solide Grundlage braucht eine solche Partnerschaft. Doch die gibt es von Beginn an nach Einschätzung von Kennern nicht. Ganz allmählich schaukelt sich da etwas hoch.
Dazu kommt die wirtschaftliche Lage der Genossen am See. Immer wieder gibt es Krisen. Mal muss ein Vorstand gehen, mal beschreiten Filialleiter mit Kundengeldern eigene Wege. Der schwerste Fall dann 2003: Der Mitarbeiter Theo S. baut eine Bank in der Bank auf. Eigentlich sei er ein sehr biederer Mann gewesen, wundern sich Insider noch heute. 20 Millionen Euro kostet das Desaster, ohne den Einlagensicherungsfonds der Genossenschaft wäre die älteste Bank Friedrichshafens – gegründet im Jahr 1864 – Geschichte gewesen. Die Folgen sind aber auch so hart: Die Bilanzen der vergangenen Jahre sind belastet, die außerordentlichen Ergebnisse sprechen Bände. Und sind nur deshalb einigermaßen erträglich, weil die Friedrichshafener offensichtlich ihr Tafelsilber en gros verkauften.
Die Bilanzsumme wächst im Jahr 2009 zwar auf 350 Millionen Euro, doch das Eigenkapital dümpelt bei 18 Millionen Euro. Es bleibt nichts hängen. Zudem arbeiten die Häfler wenig effizient. Eine Cost-Income-Ratio weit jenseits der 70 Punkte spricht Bände, zehn Punkte weniger gelten unter den Genossen als annehmbar.
Natürlich ist all das dem Aufsichtsrat um Peter Hüni nicht entgangen: „Wir waren schon länger unzufrieden damit, dass die Bank ihr großes Marktpotenzial in Friedrichshafen nicht genutzt hat.“ Eine Klatsche für den Vorstand. Pikant dabei: Seit März verhandelte Hüni hinter den Kulissen mit Vorstand Huber über den Übergang in den vorzeitigen Ruhestand. Die Gespräche sollen auf einem guten Weg gewesen sein. Ende 2011 wäre Huber weg gewesen. Diese Nachricht zusammen mit dem offenbar guten Geschäftsjahr 2010 hätte unter den rund 90 Mitarbeitern der Volksbank für beste Laune sorgen können. Die Bank wäre gleichsam wieder in einem sicheren Hafen, bereit für neue Ziele. Doch es kam anders, Dengler preschte vor.
Warum? „Dummheit“, kommentieren das Genossen.
Die Zukunft. Aktuell ist Peter Hüni auf Personalsuche. Zwar wurde Dirk Bogen, Bereichsleiter für Finanzen und Organisation, für sechs Monate zum Vorstandsmitglied bestellt. Um das Vier-Augen-Prinzip zu wahren, bleibt auch Huber im Amt, obschon er im Urlaub ist. Generell sucht der Aufsichtsrat „mit Hochdruck nach zwei Persönlichkeiten“. Eine interne Lösung, so viel ist klar, kommt in der Situation nicht infrage.
Wobei man sich in genossenschaftlichen Kreisen ohnehin die Frage stellt, ob eine eigenständige Volksbank Friedrichshafen weiterhin sinnvoll ist. Zu groß könnte der neuerliche Vertrauensverlust sein. Zudem ist die Bank mit 350 Millionen Euro Bilanzsumme eigentlich zu klein, um im Konzert der 15 Banken in Friedrichshafen gehört zu werden. Eine Fusion als Rettungsanker in schwerer See? Hüni äußert sich dazu nicht. Und Marketingmann Engler sagt: „Eine Fusion ist kein Thema. Wir schaffen das allein.“ Es soll zuversichtlich klingen.