Ist Hoffnung noch grün?

Mit Windrädern gegen Atomkraft – das bringt Aufwind für die Grünen. Bringt es sie auch an die Macht? Econo-Herausgeber Klaus Kresse hat erhebliche Zweifel

 
 

Kann Erfolg verderblich sein? Die Geschichtsbücher geben uns die Antwort: Ja. Und sie nennen uns auch ein Beispiel: den Molosser-König Pyrrhus, der sich zu Tode siegte.

So übel wird es den Grünen nicht ergehen. Aber die Parallele zu Pyrrhus drängt sich in diesen Wochen auf. Die Grünen eilen deutschlandweit von Erfolg zu Erfolg. Sie stürmen die Umfrage-Charts. Und könnten sich genau damit selbst ein Bein stellen.

Allein werden sie auf absehbare Zeit nicht regieren können. Das schaffen nicht einmal mehr die beiden großen Volksparteien CDU/CSU und SPD. Aber jetzt geht ihnen mit hoher Wahrscheinlichkeit auch noch ihr Lieblingspartner, die Sozialdemokratische Partei Deutschland, verloren.

Die SPD hatte genau so lange Gefallen an einem Bündnis mit den friedensbewegten Ökologen, wie von Rot-Grün die Rede war. Den Juniorpartner in einer grün-roten Koalition zu geben, hat viel weniger Charme.

Genau das aber wäre die Perspektive in Berlin und in Baden-Württemberg.
In Berlin liegen die Grünen in den Umfragen bei 27 Prozent und damit vor dem Wunschpartner SPD. Womit der Regierende Bürgermeister nicht Klaus Wowereit, sondern Renate Künast hieße.

Auch im Südwesten lägen die Grünen – wenn morgen Wahl wäre – vor der SPD. Ob das im kommenden Frühjahr auch so sein wird, weiß niemand. Aber wenn es den Grünen gelingen sollte, das Thema Stuttgart 21 weiterhin am Kochen zu halten, stehen ihre Chancen nicht schlecht.

Und im Bund? Da haben die Grünen die SPD zwar noch nicht über-, aber immerhin eingeholt. Sagt die jüngste Forsa-Umfrage. Beide Parteien liegen demnach bei 24 Prozent. Da die Union nur noch auf 29 Prozent käme und die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern könnte, hätte Rot-Grün – oder Grün-Rot – die Mehrheit.

Tatsächlich könnten sich die Grünen vor die Sozialdemokraten schieben. Denn der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel fährt einen verwegenen Kurs und treibt mit seinen Anti-Kernkraft-Kampagnen die Wähler geradewegs ins Lager der Grünen. Forsa-Chef Manfred Güllner: „Er verbrüdert sich mit ihnen gegen Atomenergie. Da gehen viele derjenigen SPD-Anhänger, die gegen Kernkraft sind, lieber gleich zum Original.“

Denn wer nicht regiert, kann gut Original sein. Keine Kompromisse. Eindeutige Positionen.

So gesehen stecken die Grünen also in einem doppelten Dilemma: Sie sind auf dem besten Weg, dem Wunschpartner SPD zu mächtig zu werden. Und wenn sie wegen des wachsenden Zuspruchs auf Regierungsbänken landen sollten, holt sie die Realität ein. Dann wäre Schluss mit der reinen Lehre. Ganz so wie zu Zeiten von Rot-Grün unter Gerhard Schröder.

Ob das dem Klientel der Bündnis-Grünen gefiele?
Die SPD weiß, wie verheerend der Zusammenprall von Wunsch und Wirklichkeit sein kann. Hartz-IV wirkt bis heute nach. Den Grünen aber wird noch vieles nachgesehen: etwa, dass sie dem Bundeswehreinsatz auf dem Balkan zustimmten oder dass der einstige -Straßenkämpfer und Vize-Kanzler Joschka Fischer die Konzerne Siemens, BMW und RWE berät.

Selbst Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin erscheint in mildem Licht. Nur wenn er in Talkshows gelangweilt-zynisch den Mund verzieht, werden Erinnerungen an den Unsympathen mit dem Kotzbrocken-Image wach. Dass Trittin einst strammer Ideologe beim Kommunistischen Bund war, wissen hingegen nur wenige.
Für wen sind die Grünen attraktiv? Vor allem für Frauen, Gebildete und gut verdienende Beamte, Freiberufler und Angestellte. Also für Menschen, wie man sie in der Freiburger Wiehre findet.

Eigentlich sollte man wünschen, dass die Grünen den Regierungschef stellen. Dann platzten die Illusionsblasen ganz schnell. Nur kämen dann auch Leute vom Schlag eines Boris Palmer ans Ruder. Und die sind unkalkulierbar.

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