Ja, ich bin suchend

Immer mehr Unternehmen spionieren Bewerber über Facebook aus. Manche sagen: Wer das nicht tut, macht was falsch.

 
 

Christine Lüders hat es schwer. Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes kämpft mit Händen und Füßen für ihre Überzeugung, die da lautet: „Hierzulande geben Bewerber zu viel von sich preis.“ In einer Untersuchung hat Lüders jetzt bewiesen, dass in deutschen Personalbüros - vielleicht unbewusst - immer noch diskriminiert wird. Eine Frau, die ein Kind bekommen könnte? Ein türkisch klingender Nachname? Da fällt man schon mal durchs Raster. Sie will also die anonyme Bewerbung. Aber der Trend geht in die andere Richtung. Bewerber werden immer gläserner.

Dass die Personaler in der Mehrheit gegen anonyme Bewerbungen sind, ist keine Überraschung. Sind diese Verfahren doch aufwendiger und damit auch teurer als die herkömmliche Methode. Doch auch die Job-Suchenden können dem Thema nicht viel abgewinnen.

Laut einer Online-Studie der Universitäten Bamberg und Frankfurt ist nicht mal jeder fünfte Bewerber der Meinung, dass Firmen künftig nur noch anonymisierte Bewerbungen akzeptieren sollten. Zwar ist die Akzeptanz gegenüber dem Vorjahr gestiegen, aber sie liegt immer noch unter 20 Prozent. Für die empirische Studie wurden 10 000 Nutzer der Online-Jobbörse Monster.de befragt.

„Frau Lüders kämpft sicher für eine gute Sache“, sagt Andreas Eckhardt von der Uni Frankfurt. „Aber ich glaube dennoch, dass es im Recruiting dringendere Probleme gibt, etwa den demografischen Wandel.“

So geht der Trend in die andere Richtung: Die Bewerber geben über soziale Netzwerke immer mehr von sich preis. Und die Unternehmen geben immer öfter zu, diese Informationen auch zu suchen. „Wer das nicht tut, macht etwas falsch“, sagt der Stuttgarter Trendforscher Mathias Haas. Bewerber müssen sich über das Unternehmen informieren, für das sie arbeiten wollen. Diese Pflicht hätten die Unternehmen heute auch, sagt Haas aus der Perspektive eines Bewerbers. „Wer das nicht tut, verschwendet meine Zeit.“ Lebensläufe gibt es heute auch im Facebook-Profil oder im Business-Netzwerk Xing, das ja nur zu diesem Zweck existiert.

Bereits drei von fünf befragten Unternehmen geben zu, dass sie in sozialen Netzwerken nach Informationen über Bewerber suchen oder es planen. Für 60 Prozent der Firmen kommt dies nicht infrage.

Auch in der Wirtschaft wird das Thema noch aufgeschoben. „Ganz ehrlich: Wir haben das noch nicht diskutiert“, sagt Hans-Martin Burgbacher vom Automobilzulieferer IMS Gear. Das Unternehmen aus dem Schwarzwald wächst und sucht händeringend Leute. „Da stehen Themen wie Qualifizierung und Weiterbildung an erster Stelle“, so der stellvertretende Personalchef.

International sieht es schon etwas anders aus. „Andere Länder sind da deutlich weiter“, sagt Gerhard Wiesler von Kienbaum Executive Search und nennt als Beispiel die Schweiz oder auch Südafrika. Wiesler sucht oft Entscheider für regionale Mittelständler. Oft werden die Kandidaten dann von Kienbaum anonymisiert, damit die Auswahl auch wirklich objektiv und wasserdicht ist.

Eins ändert sich aber nicht: Ein Foto ist immer gefragt. Die Entscheider wollen den Bewerber erkennen, falls sie ihn kurz vorm Gespräch am Fahrstuhl treffen.

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