Kämpfer mit Herz
2007 hat Econo den Rheinfeldener Unternehmer Peter Osypka porträtiert. Am Donnerstag erhielt er das Bundesverdienstkreuz. Ein guter Grund, die Geschichte aus dem Archiv zu holen.
31.08.2012 | 09:58
Foto: Archiv
Rheinfelden im Frühjahr 2007. Mit seiner Technik schenkt er Menschen ein längeres Leben. Mit seinem Unternehmergeist hat er seine Firma wieder zum Leben erweckt: Peter Osypka. Ein Porträt von Andreas Dörnfelder (Text) und Jigal Fichtner (Foto).
Cocktailpartys sind gar nicht sein Ding. Zu viele Menschen. Zu viel Trubel. Da zieht es den Rheinfeldener Unternehmer Peter Osypka eher ihn in einsame Gegenden. In die Berge. In die Wüste. Oder ins Kloster. „Ich liebe die Einsamkeit. Denn dann sehe ich, was das Leben ausmacht.“
„Materielle Dinge bedeuten mir nichts“, sagt der Mann, der als Kind im Krieg drei Mal miterlebt hat, wie seine Familie alles verloren hat. Osypka, der gläubige Katholik, der jede Woche in die Kirche geht. Der Lexus fährt statt Mercedes. Der mit seiner Medizintechnik glücklich geworden ist, weil sie Menschen hilft.
Sein Büro befindet sich im Erdgeschoss. Im Gebäudeteil „Anna“, das wie alle anderen nach einem seiner Enkel benannt ist. Sein Schreibtisch ist voll. In einer Ecke steht ein Mikroskop, ganz vorne ein Modell eines menschlichen Oberkörpers. Es ist durchsichtig, so dass man die Organe sehen kann. Die Organe, die Osypkas Produkte am Leben erhalten, wenn es für den Patienten ernst wird.
Forschen und entdecken – das steckt schon immer in dem heute 72-Jährigen. Während sein älterer Bruder zu Hause Bücher wälzt, verbringt der junge Peter die meiste Zeit draußen. Bei seinen Entdeckertouren stößt der Bub auf Bomben und Granaten aus dem Krieg. „Wir Kinder sind damit nicht zimperlich umgegangen. Aber Gott sei Dank:?Wir hatten Glück.“
Viel zu oft in seinem Leben hat Peter Osypka aber kein Glück. Dann muss er kämpfen. Und er kann gut kämpfen. In Dresden will man ihn nicht studieren lassen – also flüchtet er aus der DDR?nach Braunschweig. Die Niedersachsen erkennen seine Abiturprüfung nicht an – also legt er sie nochmal ab. Und um sein Ingenieurs-Studium zu finanzieren, arbeitet er nebenher. Als Taxifahrer. Oder im Gemüseladen. „Ich habe mir mein gesamtes Studium selbst verdient“, sagt Osypka und klingt
dabei ein wenig stolz. „Und dafür habe ich alles gemacht.“
Wenn er so von der Vergangenheit erzählt, dann schauen die blauen Augen über die randlose Brille hinweg und der Blick geht gegen unendlich. Die Stimme klingt ruhig und wenn man mit ihm spricht, hat man den Eindruck, dass Peter Osypka einer ist, der besonders gut zuhört.
So war das auch 1999. Drei Jahre zuvor hatte er sein kerngesundes Medizintechnik-Unternehmen verkauft. An Sulzer. Doch die verkaufen das Unternehmen weiter. Plötzlich gibt es amerikanische Eigentümer, die nur das Know-how interessiert und denen die Firma Osypka mit ihren 180 Arbeitsplätzen egal sind. Ein verzweifelter Mitarbeiter wendet sich an den Gründer. Der nimmt sich Zeit. Hört zu. Und beschließt, sein Lebenswerk zurückzukaufen.
„Ich wollte das Unternehmen in die Hände eines Käufers legen, der so groß ist, dass meine Mitarbeiter eine sichere Zukunft haben“, erklärt er rückblickend. Osypka ist Techniker. Tüftler. Mittelständler. Kein aalglatter Betriebswirt. „In erster Linie zählt der Mensch in der Firma“, hat er mal gesagt. Das gilt auch heute.
„Was nach dem Verkauf mit meinem Unternehmen passiert ist, hat mich erschüttert.“ Er faltet die Hände. Und dann kommt wieder dieser Blick. Als ob sich vor seinen Augen ein Film abspielt. „Als ich zurückkam, gab es Freudentränen bei den Mitarbeitern.“ Osypka erzählt das nicht von sich aus, sondern nur, wenn man ihn danach fragt. So bescheiden ist er. Hat er selbst auch geweint? „Nein“, sagt er und lächelt. „Aber mich hat das sehr bewegt.“
Innerhalb eines Jahres führt der Kämpfer seine Firma aus dunkel-roten Zahlen zurück in die Gewinnzone. Und dann regelt er erneut die Nachfolge: Tochter Nicola kümmert sich um Marketing und Vertrieb. Dr. Rolf Strittmatter wird neuer Geschäftsführer. An einen Verkauf denkt Peter Osypka nicht mehr.
Inzwischen steht Nicola Osypka an der Spitze des Unternehmens. Gemeinsam mit Achim Kitschmann bildet sie den Vorstand der Osypka AG. Peter Osypka ist Vorsitzender des Aufsichtsrates.