Kampf ums System

Basel III soll die Finanzwelt sicherer machen. Doch die Lehren aus der Krise bedrohen ausgerechnet jene, die damit nichts zu tun hatten.

 
 

An jenem 12. September 2010 – die Bankenkrise scheint überwunden, die drohenden Staatspleiten dominieren längst die Schlagzeilen – sitzen die Chefs der europäischen Zentralbanken und der Bankenaufsichtsbehörden beisammen und beraten über die Lehren der Krise. Mit schärferen Kapital- und Liquiditätsvorschriften, so ist man sich einig, sollen Banken künftig davon abgehalten werden, erneut zu viele Risiken einzugehen und darüber ins Straucheln zu geraten. Allein: Es bleibt ein Versuch. Denn die neuen Regelungen treffen nicht nur die regionalen Genossenschaftsbanken und Sparkassen. Sie könnten auch den Mittelstand im Land mit voller Wucht treffen.

Der Reihe nach: Das neue Regelwerk, Basel III genannt, zwingt die Institute zunächst dazu, mehr Eigenkapital als bislang und einen zusätzlichen Liquiditätspuffer bereitzuhalten, um Verluste möglichst selbst ausgleichen zu können. Damit könnten sie sich – im Fall der Fälle – selbst aus einer etwaigen Krise befreien.

Bislang mussten Kreditinstitute lediglich vier Prozent Kernkapitalquote vorweisen, 2016 sollen es schon sechs Prozent sein. Hinzu kommen von 2016 an 2,5 Prozent eines sogenannten Kapitalerhaltungspuffers. Einzelne Länder können von ihren Banken darüber hinaus einen antizyklischen Puffer von ebenfalls bis zu 2,5 Prozent einfordern, damit nicht zu viele Kredite vergeben werden. Damit soll eine erneute Blase verhindert werden. Aus den zunächst anvisierten vier Prozent wird auf diese Weise schnell weit mehr als das Doppelte – und das stellt gerade die kapitalschwachen Geschäftsbanken vor enorme Herausforderungen.

Bei den Sparkassen und Genossenschaftsbanken im Südwesten gibt man sich bislang zumindest öffentlich noch gelassen. Regelmäßig betonen die Institute auf ihren Bilanzpressekonferenzen, dass Basel III sie nicht schrecke, die Anforderungen bereits jetzt erfüllt werden. Und doch droht vor allem dem Mittelstand Ungemach.

Deshalb schlagen die regionalen Banken im Verbund mit dem baden-württembergischen Handwerks- und dem Industrie- und Handelskammertag Alarm: „Basel III ist auf die Verhältnisse international tätiger Großbanken zugeschnitten“, warnen sie in einer gemeinsamen Erklärung. „Viele Regelungen, die für Großbanken sachgerecht sind, tragen daher unserer mittelständisch geprägten Wirtschaft und den vorwiegend kleineren Kreditinstituten in Baden-Württemberg nicht ausreichend Rechnung.“

Der Teufel liegt im Detail. Zwar erfüllen viele Banken bereits die hohen Kriterien – genau ihret­wegen aber, so fürchten die vier unterzeichnenden Verbände, werden sich Kredite für kleine und mittelständische Unternehmen dennoch verteuern. Zwischen 0,5 und fünf Prozent liegen die Schätzungen der von Econo befragten Banker. In der gemeinsamen Resolution gehen die Unterzeichner von einem Anstieg um etwa 40 Basispunkte aus. Gleichzeitig könnte auch die Kreditbereitschaft der Banken erlahmen – dann gäbe es weniger Kredite. Denn während eine Bank mit einer Million Euro Eigenkapital heute noch 12,5 Millionen Euro Kredite herausgeben könnte, wären es nach den neuen Regeln nur noch 9,5 Millionen Euro.

Zusätzlich müssten verstärkt die Unternehmen das Zinsrisiko tragen. Basel III schränkt die Vergabe langfristiger Kredite mit einem festen Zins deutlich ein. Zinsschwankungen werden sich daher deutlich häufiger auf die Bilanzen von mittelständischen Unternehmen durchschlagen.
Genau das wollen die vier Verbände aber nicht hinnehmen: „Die klassische Unternehmensfinanzierung war weder Ursache der Finanzkrise noch hat sie diese verschärft“, halten sie in ihrer Erklärung fest. „Eine verbesserte Regulierung der Finanzmärkte darf deshalb nicht zulasten der Finanzierungsbedingungen des Mittelstandes gehen, der das Rückgrat unserer baden-württembergischen Wirtschaft ist.“

Und natürlich wollen Volksbanken und Sparkassen auch ein Stück weit sich selbst retten. Sie fürchten sich vor allem vor der in London ansässigen Europäischen Bankenaufsicht (EBA), die die vielen Detailregelungen zur Umsetzung von Basel III erarbeiten wird. Die ist vor allem angelsächsisch geprägt und kennt das deutsche System mit öffentlich-rechtlichen und Genossenschaftsbanken gar nicht. Die kleinen Institute haben deshalb Angst davor, dass die EBA sich bei der Regulierung vor allem an Großbanken ausrichtet. Die kleinen würden dann von der Bürokratie der Detailregelungen erdrückt. Dann stünde Deutschland vor einem Systemwechsel: weg vom dreigliedrigen Bankensystem, hin zum Großbankenmodell. Hin also zu einer Konstellation, die einst Auslöser der großen Krise war.

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