Kommentar: Der falsche Robin Hood

Sigmar Gabriel hat ein Feindbild: die Erfolgreichen. Er bläst zur Hatz und will sie noch viel stärker melken. Obwohl er ihnen danken sollte. Meint Econo-Herausgeber Klaus Kresse.

 
 

Die Anrede „Lieber Herr Gabriel“ würde eine Wertschätzung ausdrücken, die ich nicht empfinde. „Hallo Genosse“ kann ich auch nicht sagen, da ich nicht Ihrer Partei angehöre. Bleibt also nur das förmliche „Guten Tag, Herr Parteivorsitzender“.

Es ist mir ein großes Bedürfnis, Ihnen meine Bewunderung aus­zudrücken. Immerhin hat es seit 2004 niemand länger an der Spitze der SPD ausgehalten als Sie. Franz Müntefering, Matthias Platzeck, Kurt Beck, Frank Walter Steinmeier und wieder Franz Müntefering – so liest sich die beeindruckende Abfolge der Frontmänner in nur fünf Jahren. Und dann übernehmen Sie im November 2009 das Steuer – und halten durch bis heute. Ende nicht absehbar. Beeindruckend!

Da drängt sich jedem Betrachter die Frage auf: Wie macht er das bloß? Wie kriegt er es hin, trotz seiner Intelligenz so viel Blödsinn zu verbreiten?

Denn mal ehrlich, Herr Gabriel: Ihr Zweifeln an der Rente mit 67 können Sie doch wohl nicht ernst meinen. Die demografische Entwicklung ist, wie sie ist. Und Sie werden weder willens noch in der Lage sein, künftige Deckungslücken zu füllen. Was also soll das populistische Gerede?

Und was wollen Sie mit dem hinterhältigen Appell bewirken, die „starken Schultern“ müssten mehr tragen als andere. Wer das, wie Sie, als einen neuen Imperativ verkauft und dabei das Gerechtigkeits-Fähnchen hisst, will doch nur den Eindruck erwecken, es sei noch nicht so. Aber, Genosse Gabriel: Die Leistungsträger schultern schon seit Jahrzehnten die größten Lasten. Und das wissen Sie auch. Sie sagen es nur nicht.

Damit sind Sie in puncto Realitätsnähe nicht weit entfernt von Fürstin Gloria von Thurn und Taxis, die bei einem geschätzten Vermögen von rund 500 Millionen Euro der Welt weismachen will: „Wir sind absoluter Mittelstand.“

Wahr ist: Tatsächlich sind in unserem Land die Güter sehr ungleich verteilt. 22,5 Prozent des privaten Gesamtvermögens liegt in den Händen von gerade einmal 0,1 Prozent der Bevölkerung. Umgekehrt halten 50 Prozent der Menschen nur 1,4 Prozent des Gesamtvermögens.

Andererseits wird etwa die Hälfte des Lohn- und Einkommenssteueraufkommen von lediglich zehn Prozent der Steuerzahler erwirtschaftet. Dass Sie denen nicht auch mal danken wollen – geschenkt! Aber dass Sie sie auch noch prügeln, mag verstehen, wer will. Offenbar findet das nicht einmal Ihre Klientel so richtig toll. Oder wie sollte man es erklären, dass die SPD derzeit bei 26 Prozent Wählerzustimmung dahindümpelt, während Angela Merkels Union auf 36 Prozent kommt.

Aber die Neid-Debatte anzukurbeln, dass macht Ihnen erkennbar Freude. Und wenn Sie schon mal verbal zuschlagen, dann sind Sie auch nicht zimperlich. Wie unlängst, als es pauschal gegen die Geldinstitute ging. Sicher, da wurde vor allem von den Großbanken kräftig gezockt. Selbst die Landesbanken haben im großen Casino kräftig mitgemischt. Aber dass Sie bei Ihrem Rundumschlag gleich auch noch die Sparkassen und Volksbanken vor Ort noch prügeln, ist unverschämt.

Aber irgendwie, das muss ich zugeben, hat das Ganze System: Neid schüren. Gegen Leistungsträger ätzen. Und alle, die mehr haben als der Durchschnitt, zu Schmarotzern stempeln. Das ist die üble Denunziation, der dann fast logisch der Kampfruf folgen muss: Die haben alle zu viel! Bei denen könnt Ihr es Euch holen.

Dumm nur, dass zu den Gescholtenen inzwischen auch der Facharbeiter gehört, der für seine Familie ein Eigenheim erarbeitet hat. Der Handwerker, der drei Gesellen beschäftigt. Und der Arbeitnehmer, der sich per Lebensversicherung eine zusätzliche Säule der Altersversorgung aufbaut. Denn wenn Sie im Aktionsbündnis mit Verdi-Bsirske allen an den Kragen wollen, die ein Vermögen (nicht ein Jahreseinkommen) von mehr als 250?000 Euro haben, sind die alle dabei. Glückwunsch!

Klaus Kresse
kkresse@econo.de

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