Paukenschlag im Hess-Prozess

Den angeklagten ehemaligen Vorstände des insolventen Leuchtenherstellers winkt eine Verständigung mit dem Gericht – Insolvenzverwalter Volker Grub zeigt sich "nicht überrascht" / Jetzt gab es eine Einigung

 
Foto: Hess AG
 

VS-Villingen/Mannheim. Die beiden Angeklagten im Hess-Prozess haben einer Einigung mit der Großen Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Mannheim zugestimmt. Demnach erwarten das Duo anstatt Haftstrafen "nur" noch Bewährungsstrafen – die aufgrund des sich über Jahre hinziehenden Verfahrens auch noch verringert werden. Von einem ganzen Strauß an Vorwürfen in der Anklage von Untreue über Betrug bis zur Bilanzmanipulation bleibt damit am Ende im wesentlichen noch die "unrichtige Darstellung nach dem Handelsgesetzbuch" übrig. Auch die Staatsanwaltschaft hat der Einigung bereits zugestimmt. Die Urteilsverkündung wird für Mai erwartet.

// Die Wende zeichnete sich seit einigen Prozeßtagen ab, nun scheint die tatsächlichen Einigung nur noch von Detailfragen abzuhängen: Die beiden ehemaligen Vorstände des insolventen Leuchtenherstellers Hess, Christoph Hess und Peter Ziegler, können im Rahmen einer Verständigung mit Freiheitsstrafen von wenigen Monaten zur Bewährung rechnen – dabei fuhr die Anklage schwere Geschütze wie Betrug, schwere Untreue, Marktmanipulation oder auch Kreditbetrug auf. Mehrjährige Haftstrafen standen im Raum.

Es ist ein Paukenschlag in einem Verfahren, dessen Auslöser vor beinahe acht Jahren die spektakuläre Pleite von Hess nur wenige Monate nach dem Börsengang war (hier können Sie die Details noch einmal in einem Dossier nachlesen).

Die Ermittlungen hatten sich aus unterschiedlichen Gründen über Jahre hingezogen, am Ende lag eine Anklageschrift als Zusammenfassung von 155 Ordnern Ermittlungsakten vor, deren Verlesung zu Prozessbeginn Mitte Oktober 2020 allein zwei Stunden benötigte. Und von deren Inhalt auch Insolvenzverwalter Volker Grub und sein Kanzleikollege Martin Mucha in einem econo-Interview überzeugt waren: "Es liegt eine glasklare Anklageschrift vor, dazu die Verurteilungen in Zivilsachen. Die Lage ist eigentlich eindeutig…" (Lesen Sie hier noch einmal das Interview.) Zudem wurden Teilaspekte des damaligen Hess-Skandals sogar in die Fachliteratur als Musterbeispiele für Betrug aufgenommen.

Doch die Anwälte von Hess und Ziegler schafften es, im Verlauf des durch Corona sich hinziehenden Verfahrens Stück für Stück die Beweise zu zerpflücken. Überspitzt lässt es sich so formulieren: All das, was Insolvenzverwalter Grub als "Schattenwirtschaft" und "System Hess" darstellte, war ihrer Ansicht nach in weiten Teilen legal. Angezweifelte Lieferungen wurden geliefert, angezweifelte Entwicklungskosten waren rechtens, angezweifelte Lagerbestände waren vorhanden. Obendrein schossen die Anwälte nicht nur gegen Grub Breitseiten ab, sondern auch gegen die Ermittler, denen man zumindest teilweise Voreingenommenheit unterstellte. Im Gegenzug räumten Hess und Ziegler in Details ein, nicht sauber genug gearbeitet zu haben – auch, weil unter anderem im Zuge des Börsengangs eine gewisse Euphorie geherrscht habe.

Die Große Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht Mannheim zog daraus Konsequenzen, stellte das Verfahren gegen eine dritten Angeklagten ein und signalisierte laienhaft ausgedrückt Zweifel an den Anklagepunkten. Deshalb wird nun eine Verständigung angestrebt, die in wenigen Tagen erreicht sein könnte.

Haben die beiden Angeklagten als ganz bewusst einen schmalen Pfad in Sachen Finanzierung und Bilanzierung gewählt, da sie genau wussten, wo man gerade noch hintreten darf?

Insolvenzverwalter Grub will darauf auf econo-Anfrage erst dann ausführlich antworten, wenn das Urteil vorliegt. Er hat den Prozess zudem nicht näher verfolgt – und Grub war nach eigener Aussage auch nicht als Zeuge geladen.

Dennoch gibt er eine kurze Stellungnahme zur aktuellen Entwicklung: "Die umfangreichen Verstöße gegen Bilanzierungsvorschriften, die komplexen Bilanzierungsfragen, der Umstand, dass die Verstöße zwischen neun und 16 Jahren zurückliegen, macht es für ein Gericht schwer, zu einer Klärung zu kommen. Wir haben diese Erfahrung schon in den Zivilprozessen gemacht und deshalb unsere Schadensersatzansprüche recht und schlecht verglichen. Die sich andeutende Entwicklung im Strafprozess kommt deshalb nicht überraschend."

Während in lokalen Zeitungsberichten zu lesen ist, die Angeklagten "kämpfen sich ins Leben zurück", wirft der Paukenschlag des Hess-Prozesses auch ein Schlaglicht auf eine andere Gruppe: Mehrere Handwerker und Unternehmer wurden bereits vor Jahren verurteilt oder haben Strafbefehle akzeptiert, weil sie vom "System Hess" profitiert haben sollen – und wieder andere wie ein Architekt warten nach eigener Aussage seit mehr als acht Jahren auf Honorare.

Klarstellung: Die insolvente Hess, von der in diesem Prozess die Rede ist, hat operativ nichts mit dem heutigen Unternehmen Hess zu tun. Im Zuge der Insolvenz wurde der Betrieb durch andere Eigentümer neu aufgestellt, Leuchten sind aber weiterhin das Kerngeschäft.

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