Querkopf mit Format

KIT-Präsident Horst Hippler polarisiert. Er ist unbequem und beharrlich. Deshalb ist der Physiker einer der wichtigsten Manager der Wissenschaft im ganzen Land. Ein Porträt.

 
Foto: Jigal Fichtner
 

Karlsruhe. Horst Hippler hat alle genervt. Sagt er selbst. Er hat alle genervt mit seinem unbändigen Interesse an der Natur. „Sie hat mich von klein auf fasziniert. Ich war neugierig, habe immer gefragt, warum was wie funktioniert. Ich habe nie etwas geglaubt, bis ich es kapiert habe“, erzählt Hippler: „Das war etwas, was viele Leute genervt hat.“ Der einzige Ausweg für ihn und sein Umfeld: das Studium der Physik. Heute leitet er als Präsident des KIT die größte Forschungs- und Lehrinstitution im Südwesten.

Der 65-Jährige sitzt in seinem Büro im KIT-Campus Süd. Dunkle Holzmöbel stehen hier, moderne Kunst hängt an den Wänden, fast zwanzig Kladden liegen auf dem Schreibtisch, daneben steht ein silberner Audi im Miniaturformat. Aus dem leidenschaftlichen Naturwissenschaftler ist einer der wichtigsten Wissenschaftsmanager des Landes geworden: Initiator und Chef des KIT, der bundesweit einmaligen Fusion von Universität und Forschungszentrum. 9000 Mitarbeiter beschäftigt er mit seinem Ko-Präsidenten Eberhard Umbach. Mehr als 22?000 Studenten forschen und lernen hier. Doch der Weg von der Vision zur Umsetzung „hat viel Kraft gekostet“, sagt Hippler. „Als wir die Idee entwickelt haben, haben manche gesagt: ‚Der Hippler spinnt.‘“ 

Hippler und seine Mitstreiter stört das nicht. Auch als sie im Bundesministerium eindringlich gebeten werden, das Wort Fusion nicht in den Mund zu nehmen, es gehe doch nur um eine strategische Partnerschaft, halten sie an der Idee fest. Hippler geht es bei der Idee nicht um persönliche Eitelkeiten oder Erfolge, sondern ausschließlich um die Sache. „Nur durch die Fusion haben wir die Chance, uns im internationalen Wettbewerb zu behaupten.“  

Große Worte sind nicht Hipplers Sache. Ruhig und besonnen wägt er seine Aussagen ab, untermalt sie mit dezenten Gesten. Hippler kommt es auf die Inhalte an. Beispiel: Die Forschung am KIT wird zu mehr als zwei Dritteln mit öffentlichen Geldern finanziert. Die Forderung, die Hochschulen im Land mögen sich noch stärker über Geld aus der Wirtschaft finanzieren, sieht Hippler mitunter skeptisch. „Wissenschaft und Forschung muss unabhängig bleiben. Das heißt aber nicht, dass wir im Elfenbeinturm sitzen. Gerade mit dem Mittelstand aus der Region forschen wir an vielen interessanten Projekten.“ Was kaum jemand weiß: Zwei Drittel der wirtschaftlichen Zuwendungen am KIT kommen inzwischen von kleineren und mittleren Unternehmen. „Das ist es, was die Region Karlsruhe so stark macht.“ 

Aber auch darauf will sich der KIT-Präsident nicht ausruhen. „Die Kooperation funktioniert richtig gut. Das heißt aber nicht, dass wir es nicht noch besser machen können.“ Deshalb haben er und Amtskollege Umbach gemeinsam mit der IHK Karlsruhe die Innovationsallianz ins Leben gerufen. Mittelstand und KIT sollen noch enger vernetzt werden.

Dennoch: Hippler ist ein Querkopf, einer, der von sich und seiner Sache überzeugt ist. Und Meinungen vertritt, die nicht immer populär, dafür aber seine eigenen sind. „Ich polarisiere immer gerne. Wenn Sie nicht polarisieren, bekommen Sie auch keine Resonanz.“ Im vergangenen Jahr etwa hat er den umstrittenen Energiepolitischen Appell unterschrieben. Die vier großen Kraftwerkbetreiber hatten die Aktion initiiert, was Hippler auch Kritik einbrachte. 

„Mir ging es um die Sache. Deutschland hatte damals kein schlüssiges Energiekonzept. Jetzt wird daran zwar eifrig gearbeitet, aber technologisch ist es noch ein weiter Weg zur Energiewende.“ Auch das Hypethema E-Mobilität hinterfragt er mitunter kritisch: „Wenn man Elektroautos entwickelt, aber gleichzeitig nicht weiß, wie Elektrizität ohne Erdöl oder Kohle erzeugt wird, dann haben wir nichts gewonnen.“

Die Energiewende indes versteht Hippler als Auftrag der Gesellschaft an die Wissenschaft – und als Ausdruck eines veränderten Verhältnisses der beiden Welten. „Früher hat die Forschung mit ihren Innovationen die Gesellschaft verändert. Heute fordert die Gesellschaft stattdessen Innovationen aus der Wissenschaft, um sich zu verändern.“ Hippler mahnt deshalb etwa eine engere Vernetzung von Geistes- und Naturwissenschaften an.

2013 endet seine Amtszeit. Der Ruhestand wartet auf den Rastlosen. Und dann? „Dann habe ich meinen Ruhestand verdient. Ich werde meine Beine hochlegen und nachdenken. Im Ernst: Ich weiß nicht, was passiert. Niemand kann sich vorstellen, dass ich auf der Couch liege und nichts tue. Meine Frau nicht. Und ich auch nicht.“

Zur Person:

Horst Hippler wird 1946 in Göttingen geboren. Dort studiert er Physik, promoviert 1974 in Lausanne, arbeitet danach als Postdoc bei IBM in San Jose (USA). 1993 folgt der Ruf nach Karlsruhe, wo er eine C4-Professur antritt. Nach „sieben Jahren fröhlichen Forschens“ (Hippler) wird er zunächst Prorektor, dann, 2002, Rektor der Universität Karlsruhe. Hippler treibt die Fusion von Uni und Forschungszentrum zum KIT jahrelang voran. 2009 wird er zum Präsidenten des KIT gewählt. „Das muss man auch erst mal schaffen“, sagt Hippler und lächelt. Derzeit führt er das KIT zusammen mit Eberhard Umbach. 2013 endet seine Amtszeit.

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