Rolle rückwärts

Wie wirkt sich die Corona-Epidemie auf die Lieferketten aus? Eine Modellrechnung der Hochschule Karlsruhe gibt darauf eine klare Antwort: Es kommt darauf an

 
Foto: Tobias Schwerdt
 

Karlsruhe. Die weltweite Corona-Pandemie hat ungeahnte Auswirkungen auf die globale Wirtschaft, wie es einer Mitteilung der Hochschule Karlsruhe heißt – allerdings zeigten die großen Unterschiede in den Szenarien der verschiedenen Institute zugleich das große Maß an Unsicherheit. Auch der Einfluss der umfassenden Störungen globaler Lieferketten auf transnationale Geschäftstätigkeiten ist hochgradig ungewiss.

Eine Einschätzung der Auswirkung der Lieferkettenprobleme auf lokale und globale Produktionsstrategien lässt aber laut Mitteilung eine bereits im vergangenen September und Oktober durchgeführte Online-Umfrage der Hochschule bei 655 produzierenden Unternehmen aus 16 führenden Industrienationen  zu: "Demnach wirken sich die Störungen globaler Lieferketten insbesondere auf die Neigung der Unternehmen aus, Produktion aus dem Ausland zurück an den heimischen Standort zu verlagern", so der Leiter der Studie, Steffen Kinkel, Professor an der Fakultät für Informatik und Wirtschaftsinformatik der Hochschule Karlsruhe und Leiter des Instituts für Lernen und Innovation in Netzwerken: "Von den befragten Unternehmen, die einen ziemlich hohen bis sehr hohen Einfluss der Störungen globaler Lieferketten auf ihre Geschäftstätigkeit erwarten, gehen fast 50 Prozent davon aus, dass sie in den kommenden Jahren Teile ihrer Produktion aus dem Ausland wieder ins Inland zurückverlagern werden. Bei Unternehmen, die einen geringen bis mittelmäßigen Einfluss der Störungen globaler Lieferketten auf ihre Geschäftstätigkeit erwarten, sind dies nur etwa 15 Prozent. Demnach ist infolge der Corona-Epidemie, die umfassende Störungen der globalen Lieferbeziehungen mit sich bringt, mit einer Zunahme der Rückverlagerungstätigkeiten zu rechnen."

Aktuelle Meldungen zu möglichen Rückverlagerungen betreffen insbesondere die Herstellung medizinischer Produkte, Medikamente und ihrer Wirkstoffe. Auch die Modellrechnungen der Hochschule Karlsruhe zeigen, dass insbesondere Sektoren der Grundversorgung wie die Hersteller von Nahrungsmitteln, Bekleidung, Chemie und Pharmazie zukünftig verstärkt Rückverlagerungen in Erwägung ziehen.

Indes zeigt sich kein signifikanter Einfluss der Störungen globaler Lieferketten auf die Wahrscheinlichkeit, dass Unternehmen Teile ihrer Produktion ins Ausland verlagern. Vermehrte Auslandsverlagerungen infolge der Corona-Krise sind daher unwahrscheinlich. Bei der Frage nach den Strategien zum Ausbau lokaler oder globaler Lieferketten infolge der wahrgenommenen Störungen sind die Ergebnisse differenzierter. "Wird ein sehr hoher Einfluss der Lieferkettenstörungen auf die Geschäftstätigkeit erwartet, dann wirkt sich dies sowohl signifikant positiv auf den weiteren Ausbau lokaler Lieferketten als auch globaler Lieferketten aus", so Kinkel: "Die Unternehmen scheinen dann eine Dual-Sourcing-Strategie mit sowohl inländischen als auch transnationalen Lieferantenbeziehungen anzustreben, um sich von den globalen Verwerfungen der Lieferketten unabhängiger zu machen."

Insgesamt lassen die Modellrechnungen der Hochschule den Schluss zu, dass die im Zuge der Corona-Krise zunehmenden Verwerfungen der globalen Lieferketten in absehbarer Zeit zu verstärkter Rückverlagerung von Produktionsaktivitäten aus dem Ausland sowie zum parallelen Ausbau lokaler und globaler Lieferketten beitragen dürften. Damit reagieren die Unternehmen auf die zunehmende Unsicherheit in der grenzüberschreitenden Belieferung, um ihre Produktion nach Wiedererstarkung der Wirtschaftstätigkeiten im Inland zügig wieder anfahren zu können.

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