Schaeffler will von Behinderten lernen

Der Konzern sichert sich ein besonderes Know-how der Paravan: Der Spezialfahrzeughersteller baut das weltweit erste digitale Steuerungssystem mit Straßenzulassung – und Millionen unfallfreien Kilometern

 
Foto: pr
 

Pfronstetten. Dass Menschen mit Handicap einmal eine führende Rolle in Sachen automobiler Zukunftstechnologie haben könnten? Daran würden wohl die wenigsten Menschen glauben. Doch genau so ist es: Die in Pfronstetten bei Reutlingen ansässige Firma Paravan hat den "Space Drive" entwickelt und inzwischen in der dritten Generation im Einsatz. Vereinfacht gesagt haben mit dieser drive-by-wire-Lösung Menschen mit einem Handicap die Möglichkeit, Fahrzeuge ganz ohne die üblichen Bedienelemente beispielsweise per Joystick zu fahren. 

Dieses nach Angaben von Paravan "intelligente, digitale und dreifach redundante Steuerungssystem" ist zudem das einzige mit einer weltweiten Straßenzulassung – und mehr als 500 Millionen gefahrenen Straßenkilometern in gut 7000 Fahrzeugen in den vergangenen 15 Jahren der Entwicklung. "Unfallfrei", wie man beim Unternehmen betont. 

Der Zulieferkonzern Schaeffler wird sich nun den Zugriff auf das System sichern und für den Einsatz bei autonom fahrenden Fahrzeugen nutzen. Wie das Unternehmen bekannt gab, habe man mit dem Paravan-Gründer Roland Arnold eine Grundsatzvereinbarung zur Gründung eines Joint-Ventures unterzeichnet. Schaeffler will 90 Prozent an dem neuen Unternehmen halten, wenn die Aufsichtsbehörden zustimmen. Über die Modalitäten wurde wie üblich Stillschweigen vereinbart.

"Für Schaeffler ist die getroffene Vereinbarung ein Meilenstein", kommentiert Peter Gutzmer, Vize-Vorstand der AG das Vorhaben: "Mit der Erwerb der erprobten Technologie erschießen wir der Gruppe eine Schlüsseltechnologie." Kurzum: Das neue Unternehmen werde "uns um Jahre beschleunigen". Paravan-Gründer Arnold sieht in dem Konzern "den idealen Partner, um die einzigartige Technologie weiterzuentwickeln, zu skalieren und zu industrialisieren". 

Paravan hat nämlich mit der Studie "Cloui" auch ein multifunktionales, autonom fahrendes Elektrofahrzeug in der Erprobung. In Ludwigsburg dreht das Fahrzeug bereits seine Testrunden. Schaeffler hat mit dem "Mover" eine ganz ähnliche Studie vorgestellt – also eine klassische Win-win-Situation. 

Arnold gründete Paravan 2005 mit dem Anspruch, Menschen mit Handicap durch Mobilität zu mehr Lebensqualität zu verhelfen. Inzwischen ist das Unternehmen einer der weltweit führenden Hersteller von behindertengerechten Fahrzeuglösungen. Paravan beschäftigt rund 180 Mitarbeiter und setzte 2016 25,8 Millionen Euro um. Seit 2015 hält der Würth-Konzern mit 51 Prozent die Mehrheit an Paravan.

Die Schaufler-Gruppe ist weltweit als Automobil- und Industriezulieferer gefragt. Die AG setzte im vergangenen Jahr mit mehr als 90.000 Mitarbeitern gut 14 Milliarden Euro um – und gilt damit als "weltweit größtes Familienunternehmen". 

Übrigens: Der Markt für kleine Multifunktionsfahrzeuge scheint überaus interessant zu sein. Vor wenigen Wochen erst hat der ZF-Konzern zusammen mit E.Go ebenfalls den Einstieg in das Segment beschlossen.

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