Schutzmasken von Profis

Ein Konsortium unter Führung der Sporlastic produziert zertifzierte FFP2-Filtermasken. Das Projekt mit dem Titel "Fight – Covid 19" ist in Rekordzeit gestartet – dabei wollte der Initiator eigentlich feiern. Jetzt gibt es die Maske auch als Bausatz und ein Bikinihersteller arbeitet mit

 
Foto: oh
 

Nürtingen. Atemmasken haben sich in den vergangenen Wochen zum Renner entwickelt – nicht allein die Wäschehersteller von Trigema bis Mey haben innerhalb kurzer Zeit die Produktion umgestellt. Doch zumeist handelt es sich bei den produzierten Stücken um einfache Produkte, die – Abmahnanwälten sie Dank – noch nicht einmal mit dem Wort "Schutz" in Verbindung gebracht werden dürfen. Schließlich fehlt es den meisten Nase-Mund-Abdeckungen am wichtigsten: einem Filtermaterial.

Unter dem Namen "Fight – Covid 19" hat sich ein Konsortium gebildet, das dieses Problem adressiert: Vor wenigen Tagen hat unter Federführung des Unternehmens Sporlastic die Produktion von bereits durch die Dekra zertifizierten Masken nach dem Standard FFP2 begonnen – mit 150.000 Stück pro Woche. Langfristig sollen daraus 750.000 Stück pro Tag werden. Innerhalb der kommenden Wochen werden zunächst das Land Baden-Württemberg sowie andere behördliche Einrichtungen mit rund zwei Millionen Schutzmasken beliefert werden.

Sporlastic verfügt über die notwendige Expertise mit Medizinprodukten und Stoffen. Deshalb fungieren die Nürtinger schlussendlich auch als sogenannter Inverkehrbringer, den es für ein professionelles Produkt eben benötigt. Zudem kam der Anstoß für die Intiative aus der eigenen Entwicklungsabteilung: Innerhalb von 14 Tagen wurde die FFP2-Atemschutzmaske entwickelt – die Produktionskapazitäten sind in der Näherei vorhanden, da das Kerngeschäft aktuell ohnehin eingebrochen ist.

Gemeinsam mit den Verbänden Südwesttextil und Gesamtmasche sowie dem Beratungsunternehmen Ghezi als Netzwerk- sowie Einkaufs- und Verkaufsmanager wurde das Konsortium gestartet, zu dem unter anderem die RKW-Gruppe gehört, mit 3000 Mitarbeitern und 878 Millionen Euro Umsatz der führende Hersteller von Folien und Vliesstoffen unter anderem für medizinische Produkte. Dazu kommt der Maschinenbauer Reifenhäuser, der wichtigste Hersteller von Maschinen zur Vliesstoffherstellung – in der Versuchsabteilung des Familienunternehmens wird aktuell durchgehend im Schichtbetrieb der Spezialstoff Meltblown produziert, der sehr effizient selbst kleinste Partikel zurückhält.

Aktuell sortiert sich das "Fight"-Netzwerk und nimmt noch weitere Unternehmen auf, die langfristig in die Produktion von professionellen Masken einsteigen wollen – so wie der Bademodenhersteller Maryan Beachwear aus Murg in Südbaden. 20 Nähplätze hat der Spezialist für hochwertige Bikinis und Strandmode zunächst für die Produktion reserviert. Das 1946 gegründete Familienunternehmen beschäftigt 350 Mitarbeiter und liefert sonst seine Waren in 56 Länder weltweit mit einem Exportanteile von 65 Prozent. Wie lange man indes am Hochrhein Mundschutz statt Bikinis nähen wird, dazu gab es zunächst keine Auskunft.

Dass der Bedarf an Material weiter zunehmen wird, davon ist man beim Maschinenbauer Reifenhäuser jeefnalls überzeugt – und hat die Lieferzeiten für Meltblown-Anlagen auf dreieinhalb Monate um die Hälfte reduziert. Einen ersten Vertrag hat der Maschinenbauer dafür bereits unterzeichnet: Im August soll die neue Anlage in Betrieb gehen, die bei einem nicht näher bezeichneten Hersteller dann Vliesstoff für 1,6 Millionen Masken liefert – pro Tag.

Von der Dynamik des "Fight"-Konsortiums zeigt sich Walter Michael Leuthe, zusammen mit seinem Bruder Jürgen Leuthe Geschäftsführender Gesellschafter der hinter Sporlastic stehenden Hauber Gruppe, beeindruckt: "Es ist absolut faszinierend, welche Kräfte und welchen Zusammenhalt diese Krise erzeugen. Wir sind stolz auf unsere Mitarbeiter. Wir sind begeistert von der Kooperations- und Hilfsbereitschaft unsere Partnerunternehmen. Und wir sind beeindruckt vom Willen zur Unterstützung der Behörden."

Ein Problem hatten die Firmenchefs allerdings unterschätzt: "Viele unserer Kunden in Orthopädie- und Sanitätsfachhandel haben uns nach FFP2 Masken gefragt. Bisher mussten wir hier immer absagen, da wir momentan ausschließlich für das Ministerium Baden-Württemberg fertigen." Der Flaschenhals sei momentan die Nähkapazität, sprich: Man kommt mit der Produktion einfach nicht hinterher.Wobei man bei Sporlastic auch dafür eine Möglichkeit gefunden hat: "Da unsere Kunden meistens Nähmaschinen haben, ein hohes handwerkliches Geschick besitzen und auch ein Qualitätsmanagementsystem im Einsatz haben gibt es eine Lösung: Wir bieten unseren Kunden zertifizierte Masken als Nähsets an", heißt es bei Sporlastic.In dem Set werden alle Materialien vom zugeschnittenen Material bis zum Nähgarn enthalten sein, dazu detaillierte Arbeitsanweisungen für die einzelnen Arbeitsschritte. Das Set zur Herstellung filtrierender Halbmasken wird zudem zertifiziert sein.

Sporlastic in Nürtingen ist einer der führenden Hersteller von orthopädischen Bandagen und Orthesen und gehört zur Hauber Gruppe: Mit rund 300 Mitarbeitern und einem veröffentlichten Umsatz von 79,3 Millionen Euro (Geschäftsjahr 2017/2018) ist die Gruppe vor allem für hochwertige Oberbekleidung der Marke "Luisa Cerano" bekannt. In diesem Jahr bereitete man sich eigentlich auf das 150-jährige Bestehen vor, wollte das Jubiläum gebührend feiern – Corona stoppte diese Vorhaben zumindest kurzfristig. Zudem sind die Umsätze wegen der Pandemie drastisch eingebrochen, die Schwesterunternehmen rechnen mit entsprechend hohen Verlusten.

Man darf gespannt sein, ob die "Fight"-Initiative am Ende noch für Feierstimmung sorgen kann.

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