Schweizer und die China-Hoffnung

Der Leiterplattenhersteller SEAG nimmt sein neues Werk in Betrieb. Bis jetzt wurden 100 Millionen Euro investiert, um zwei Welten zu vereinen. Derweil überlegt der Vorstand, in ein umstrittenes Geschäftsfeld einzusteigen

 
Foto: Schweizer Electronic AG
 

Schramberg. Nach anderthalb Jahren Bauzeit hat die Schweizer Electronic (SEAG) nach eigenen Angaben das neue Produktionswerk in China in Betrieb genommen. Rund 100 Millionen Euro wurden in den Neubau rund 200 Kilometer östlich von Shanghai investiert. "Die Kunden, die bisher das Werk besichtigen konnten, waren von dem integrierten Produktionskonzept begeistert", berichtete Alfred Pang, SEAG-Geschäftsführer in China.

Diese Begeisterung kann man anhand der Dimensionen durchaus nachvollziehen: Die Produktion ist fünf Mal so groß wie die am Stammsitz in Schramberg – und das hiesige Werk ist immerhin die größte Leiterplattenfertigung in Europa. Im Endausbau sollen in China pro Tag mehr als 7000 Quadratmeter Leiterplatten gefertigt werden können. Zugleich seien sowohl die Anlagentechnologien wie das Maß an Maschinenintegration und der Automatisierungsgrad "bisher einzigartig", so SEAG. Wobei bereits die Maschinen in Schramberg beispielsweise beim Bohren in die Leiterplatten am Rand des physikalisch Machbaren arbeiten.

Durch die Verknüpfung der beiden Standorte soll den Kunden ein "Höchstmaß an Liefersicherheit" gewährleistet werden. Zugleich seien die Maschinen so ausgelegt, dass von einfachen Leiterplatten bis hin zu hochmodernen Chip-Embedding Technologien alles abgebildet werden können. Letztere Technologien kommen hauptsächlich im Hochtechnologiebereich zum Einsatz, beispielsweise in autonomen Fahrzeugen.

Allerdings haben die Vorstände Nicolas Fabian Schweizer und Marc Bunz noch eine weitere Branche im Visier: Wie Schweizer im Rahmen einer Schaltkonferenz bestätigte, will sich die SEAG künftig auch im Bereich der Rüstungsindustrie nach Kunden umschauen. Da das Unternehmen beispielsweise für die Luftfahrt zertifiziert ist – und diese Branche aktuell darbt – erhofft man sich hier einen guten Einstieg.

Wobei mit dem Hochfahren der Produktion in China die Investition dort längst nicht abgeschlossen ist: Der Vorstand kündigt für das laufende Jahr weitere 17 Millionen Euro an, die dorthin fließen, im Jahr 2021 könnte es noch einmal so viel werden. Das Geld soll unter anderem aus dem Einbehalten der Dividende stammen, die der Vorstand der Hauptversammlung vortschlägt.

Die guten Nachrichten aus China kann die SEAG aktuell gut gebrauchen. Nach dem sich die schlechten Zahlen für das Jahr 2019 bestätigten – der Umsatz fiel um 5,3 Millionen Euro auf 120,7 Millionen, das Ergebnis ruschte auf -5,6 Millionen Euro, nach 0,5 Millionen im Vorjahr – verlief auch das erste Quartal 2010 suboptimal: Unter Strich schreibt die SEAG mit -1,1 Millionen Euro weiterhin rote Zahlen. Nach Angaben der Vorstände Schweizer und Bunz hängt dies unter anderem mit einem Forderungsausfall ebenso zusammen wie mit Aufwendungen für Restrukturierungen.

Denn das Stammwerk in Deutschland ist bereits seit vergangenem Jahr nur "schwach ausgelastet". Das Vorstands-Duo spricht von "bereits eingeleiteten umfangreichen Kosteneinsparungen", die sich "erst im Jahr 2020 voll auswirken" werden.

Allerdings sollen die Maßnahmen nicht allein bei den Mitarbeitern hängen bleiben: Die Vorstände sowie die oberste Führungsriege verzichten aktuell auf Teile des Festgehalts sowie die Auszahlung von Boni für das vergangene Jahr.

Generell ist es wenig verwunderlich, dass die Vorstände in verschiedenen Szenarien das laufende Jahr durchgespielt haben: im schlimmsten Fall wird der Umsatz um 25 Prozent einbrechen. Das klingt dramatisch, Analysten haben der AG dennoch das Vertrauen ausgesprochen. Kurz gesagt sei der Weg zwar hart, aber der Leiterplattenhersteller können ihn aufgrund seines Know-hows bewältigen.

Die Schweizer Electronic geht auf die Gründung eines Uhrenzulieferers in Schramberg im Jahr 1849 zurück. Heute ist die börsennotierte SEAG der größte Leiterplattenhersteller in Europa und gilt als einer der Innovationstreiber der Branche.

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