Shampoo rettet Dübel
Dank dem Querdenken von Chef Leonard Diepenbrock hat Tox den Verlust eines Kunden überstanden – die neue Tochter wächst und wächst und braucht nun Platz
red
29.10.2020 | 09:00
Krauchenwies. So richtig ernst hat Leonard Diepenbrock vor sieben Jahren niemand genommen. Damals legte er den Grundstein für die vegane Körperpflege-Serie "Jean und Len". Nicht, weil Diepenbrock dieser Branche besonderes zugeneigt wäre – es war eher eine Überlegung aus der Not heraus: "Zu der Zeit ist uns ein wichtiger Kunde weggebrochen und ich habe mir überlegt, was wir bei Tox richtig gut können", erinnert sich der Geschäftsführer im "Südkurier".
Dazu muss man wissen: Tox produziert seit 1941 Befestigungstechnik, speziell Dübel. Das Familienunternehmen gilt sogar als Erfinder eines Allzweckdübels. Vor allem bei Handwerkern sind die meist in leuchtendem rot hergestellten Kunststoffteile beliebt – produziert ausschließlich in Deutschland, genauer in Krauchenwies. Allerdings ist Tox mit mehr als 20 Millionen Euro Jahresumsatz am Markt der sprichtwörtlich kleine Fisch. Die Fischer Gruppe erwirtschaftet insgesamt 887 Millionen Euro Umsatz und ist der sichtbarste Player in der Branche. Würth (14,27 Milliarden Euro Umsatz) hingegen ist der Primus bei Befestigungssystemen – und allen möglichen Produkten und Dienstleistungen darüber hinaus.
Klar ist, in dieser Konstellation erfordert das Wegbrechen eines Kunden Querdenken, um eine Lösung zu finden. Eine Disziplin, die Chef Diepenbrock aus dem Effeff beherrscht. Schließlich stammt er aus einer Welt, in der es bunt und laut zugeht, bei der es aber vor allem auf Spontanität ankommt: Der heute 48-Jährige arbeitete als Musikproduzent und mehr noch als Moderator unterschiedlicher, vor allem unterhaltender Sendungen bei RTL – unter anderem im Jahr 2008 "Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!", besser bekannt als Dschungel-Camp.
Allerdings hatte der studierte Betriebswirtschaftler da bereits seit zwei Jahren die Geschäftsführung von Tox von seinem Schwiegervater übernommen. Vor sieben Jahren kam es dann eben zu besagter Sondersituation durch das Abspringen des Kunden. Querdenken war gefragt, Diepenbrock stellte die angeführten Überlegungen an und kam zu dem Schluss: "Wir können all die Prozesse richtig gut, die nötig sind, um den Handel zuverlässig zu beliefern. Ich dachte mir, das können wir auch für andere Warengruppen nutzen."
Zusammen mit einem Freund aus Studienzeiten kam dann die Idee einer vegangen Kosmetiklinie auf – der Name: "Jean und Len", abgewandelt von den beiden Vornamen. Drei Jahre benötigte die Aufbauarbeit, mitfinanziert durch Tox. Produziert werden die Produkte an verschiedenen Standorten in der Bundesrepublik, zu finden sind sie inzwischen bei tausenden Drogerie- und Supermärkten sowie im eigenen Flagshipstore in Köln und Online.
Sorgen, sich in einen weiteren Markt mit großen Playern zu wagen, hatte Diepenbrock nicht: "Den Mut und die Unerschrockenheit es mit den Großen in der Branche aufzunehmen, den brauchte ich ja auch bei Tox schon." Zudem sei es im Kosmetikbereich für einen Newcomer durchaus leichter, weil man "sympathischer und glaubwürdiger" rüberkommen könne.
Allerdings, ganz so klein ist die eigenständige "Jean und Len" inzwischen nicht mehr. 35 Mitarbeiter hat das Unternehmen, die Umsätze haben sich von Beginn an jährlich verdoppelt. Heuer soll die Marke von zehn Millionen Euro übersprungen werden – die dahinterstehenden Produkte sorgen zudem für die erhoffte Auslastung in der Tox-Logistik.
Wobei das Konstrukt nun an seine Grenzen stößt. Deshalb sucht Diepenbrock nach einem Standort für einen Neubau. Dabei denkt er allerdings nicht quer, sondern ganz bodenständig: Es soll möglichst in der Nachbarschaft zum Stammsitz sein, der Synergien wegen.