"Sprechen wir über das Grundeinkommen"

GFT-Chef Ulrich Dietz im großen Econo-Interview über seine Zukunft, was die Digitalisierung mit Firmen und Gesellschaft macht – und was das mit der Wahl von US-Präsident Donald Trump zu tun hat.

 
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Stuttgart. Herr Dietz, Sie haben Ihren Rückzug als CEO der GFT zum 31. Mai angekündigt: Warum zu diesem Zeitpunkt?

Ulrich Dietz:
Vorausgegangen ist eine längere Überlegungsphase. Klar war, die Verantwortung des CEO soll in die Hände eines Mitarbeiters gelegt werden. Marika Lulay ist nun bereits seit zwölf Jahren bei uns im Management, sie kennt GFT bestens und für sie war am Ende auch eine persönliche Perspektive wichtig. Deshalb entschied der Verwaltungsrat, ihr den Posten zu übergeben. Zudem leite ich in 2017 die Firma im 30. Jahr, das ist doch ein schöner Zeitpunkt für einen Wechsel - schöner als 31 Jahre (schmunzelt). Außerdem habe ich noch so viele andere Ideen, die ich verwirklichen möchte.

In der Mitteilung zum Rückzug steht, Sie möchten sich verstärkt der Digitalisierung der Wirtschaft und der Technologiepolitik widmen. Entwickeln Sie politische Ambitionen?

Dietz:
Nicht direkt. Aber das Thema Digitalisierung bietet vielfältige Chancen und wirft viele Fragestellungen rund um den Mittelstand auf. Da werde ich meine langjährigen, weltweit gesammelten Erfahrungen stärker einbringen und Landes- und Bundespolitik Anregungen geben. Es gibt so viel Nachholbedarf! Künftig kann ich mich viel freier zu diesen Themen äußern und wenn jemand zuhört, freut's mich.

Sie bieten sich als Experte an?

Dietz:
Experte ist ein großes Wort. Ich bin einfach jemand, der Spaß daran hat, über gesellschaftspolitische Themen nachzudenken und Lösungsvorschläge zu entwickeln.

Eine aktive Rolle in der Politik streben Sie aber nicht an?

Dietz:
Nein. Zudem habe ich ab dem 31. Mai als Vorsitzender des Verwaltungsrats von GFT noch genügend zu tun. Wir wollen gemeinsam das Unternehmen in die nächste Dimension führen und planen einen Innovationscampus in Stuttgart.

Eine künftige Tätigkeit haben Sie noch nicht genannt: Sie möchten verstärkt als Privatinvestor auftreten?

Dietz:
Das ist richtig. Wir bekommen aktuell viele Bewerbungen von Start-ups, die bei uns in die Code_n Spaces einziehen möchten und in die wir investieren könnten oder sollten. Dieses Engagement passt aber nicht wirklich zum GFT-Kerngeschäft und als CEO könnte ich da eventuell in einen Interessenkonflikt geraten. Deswegen werde ich mir über den Sommer hinweg Gedanken machen und in Ruhe ein geeignetes Modell entwickeln.

Wo steht aus Ihrer Sicht der Mittelstand in Sachen Digitalisierung?

Dietz:
Das ist ein breites Feld. In der Prozesstechnik sind viele schon sehr weit fortgeschritten. Bei neuen, disruptiven Produkten und digitalen Geschäftsmodellen ist noch ein sehr großer Nachholbedarf. Man braucht hier andere Fähigkeiten, Technologien und Methoden, in die man sich erst einarbeiten muss. Das dauert Jahre, deshalb wäre hier ganz klar mehr Dynamik nötig.

Ruhen sich die Unternehmer zu sehr auf dem Erreichten aus?

Dietz:
Das hängt ganz klar wie immer von der Persönlichkeit des Unternehmers ab! Progressive haben die Chancen schon erkannt und probieren aus. Die anderen benötigen vielleicht noch einen Schubs oder es wird sie nicht mehr geben. Ich habe neulich den Inhaber eines Zerspanungsunternehmens mit zehn Mitarbeitern kennengelernt, der sich seit drei Jahren intensiv mit dem Thema 3D-Druck beschäftigt. Dieses Geschäftsfeld wächst inzwischen deutlich schneller als der Zerspanungsbereich. Das zeigt: Die Digitalisierung bietet große Chancen, wenn man das Thema aktiv anpackt.

Ist das eine Generationenfrage?

Dietz:
Ganz klar. Aber Generation ist hier keine Frage des Alters, sondern der Mentalität.

Damit sind wir bei einem Kernthema: Wie verändert die Digitalisierung unsere Gesellschaft?

Dietz:
Wir werden in den kommenden 15 Jahren signifikante Veränderungen erleben, in jeglicher Hinsicht. Einerseits ganz praktisch durch eine Vielzahl an neuen Produkten und Technologien. Andererseits aber auch durch globale Verschiebungen: Bis 2020 wird nahezu jeder Erdenbürger ein Smartphone besitzen. Wenn zusätzlich Milliarden von Menschen in Indien, Afrika oder anderswo durch diese Technik Zugang zu Informationen bekommen, dann wachsen dort die Begehrlichkeiten und es erwacht der Geschäftssinn. Daneben nutzen Populisten intensiv die neuen Möglichkeiten, um ihre negativen Botschaften zu transportieren. Das alles sind Herausforderungen, auf die unsere Gesellschaft reagieren muss.

Wie soll das geschehen?

Dietz:
Derlei technologischen Wandel gab es über die Jahrtausende immer schon, da kann man sich nicht gegen wehren. Deshalb ist es wichtig, eine positive Einstellung zu entwickeln. Es geht dabei nicht um blindes Vertrauen in die Technik, sondern einfach um eine gesunde Aufgeschlossenheit. Dann kann man mit den neuen Technologien anders umgehen, kann sie für sich nutzen und neue Geschäftsmodelle entwickeln oder als Gesellschaft mit aufgeklärten, europäischen Werten Populisten und Fake-News kontern. Dem geht aber natürlich eine intensive Auseinandersetzung mit den neuen Technologien und ihren Möglichkeiten voraus.

Studien zur Entwicklung der Arbeitsplätze in den kommenden zehn, 15 Jahren prognostizieren den Wegfall hunderttausender Arbeitsplätze in Bereichen wie der Verwaltung und gleichzeitig den Bedarf an hunderttausenden Arbeitskräften beispielsweise im Hochtechnologiebereich oder der Pflege. Gesellschaftlich ist das eine gigantische Herausforderung.

Dietz:
Das vollzieht sich glücklicherweise nicht von heute auf morgen. Wir haben als Gesellschaft Zeit, uns auf diesen Wandel vorzubereiten und ihn zu gestalten. Wir müssen dies aber auch tun und über sämtliche Aspekte von der Art zu Arbeiten bis zur Bezahlung diskutieren. Dabei müssen wir auch über ein Grundeinkommen oder den Sinn von Arbeit sprechen. Und der wichtigste Bereich: Bildung, Bildung, Bildung! Wir müssen in den Schulen anfangen, die jungen Menschen auf die neuen Anforderungen vorzubereiten und den Weiterbildungssektor massiv stärken.

Wie groß ist der Handlungsdruck?

Dietz:
Der ist hoch. Wir sollten jetzt damit beginnen, beispielsweise in den Unternehmen die Mitarbeiter aktiv in die Veränderungsprozesse miteinbeziehen und sie auf dem Weg im Umgang mit neuen Technologien weiterbilden. Ein weiterer Aspekt ist: Unsere Gesellschaft muss noch viel aufgeschlossener für neue Technologien werden, um die Chancen nutzen zu können.

Sie sind ein Fan des Grundeinkommens?

Dietz:
Ich halte es für wichtig, dass Menschen etwas Sinnvolles tun. Ansonsten kommt man auf dumme Ideen. Dieses sinnvolle Tun muss entsprechend gefördert, sprich bezahlt werden. Für mich ist aber der Zusatz 'sinnvoll' wichtig, deshalb halte ich auch nicht viel von einem bedingungslosen Grundeinkommen, bei dem man fürs Nichtstun Geld erhält.

Sie fordern eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema?

Dietz:
Ja, das ist absolut sinnvoll. Ein negatives Beispiel, was passiert, wenn man diese Diskussion unterlässt, sind die USA: Dort wurde in den vergangenen Jahren das Outsourcing und der Einsatz neuer Technologien exzessiv vorangetrieben, das Land steht deshalb wirtschaftlich bestens da. Aber die Gesellschaft wurde nicht mitgenommen, breite Bevölkerungsschichten haben nichts mehr zu tun. Das Ergebnis kann man mit der Wahl des Präsidenten Donald Trump sehen.

Was halten Sie von einer Robotersteuer, die in diesem Zusammenhang auch immer wieder ins Spiel gebracht wird?

Dietz:
Davon halte ich nichts. Diese Technologien werden eingesetzt, um unsere Wettbewerbsfähigkeit als Standort zu erhalten. Diesen Vorteil über eine Steuer zu konterkarieren ist Gift.

Wie entwickelt sich Ihrer Ansicht nach die deutsche Start-up-Kultur?

Dietz:
Ausgehend von Berlin und ausstrahlend in andere Städte wie Mannheim, Stuttgart oder Karlsruhe gibt es eine erfreuliche Entwicklung, zwar verspätetet, aber es wird. Man darf jetzt nur nicht nachlassen mit Wettbewerben und Finanzierungsmöglichkeiten. Wenn wir das Tempo beibehalten, dann bieten wir auch dem Mittelstand einen guten Zugang zu neuen Lösungen und Geschäftsmodellen.

Gründer klagen immer wieder, die Wachstumsphase werde noch zu wenig finanziell unterstützt...

Dietz:
Viele Gründer sind aber auch zu blauäugig, das erleben wir auch immer wieder in unseren Code_n Spaces. Man erhält einen kleinen Gründerkredit, arbeitet vor sich hin und vernachlässigt die Finanzplanung. Deshalb brauchen Gründer eine intensive Betreuung bei den kaufmännischen und finanztechnischen Grundkenntnissen. Wenn die Start-ups an dieser Stelle professionell auftreten, ist auch der Zugang zu Kapital einfacher.

Sie haben die Verzahnung von Mittelstand und Gründern angesprochen. Hier sind die Hemmschwellen noch zu hoch oder?

Dietz:
Natürlich, hier müssen beiden Seiten noch lernen, miteinander zu sprechen. Konzerne sind hier meist schon einen Schritt weiter. Dort hat man erkannt, dass man mit Startups Ziele schneller erreichen kann. Im Mittelstand ist das noch nicht so ausgeprägt.

GFT hat ja mit dem Code_n new. New Festival 2016 in Karlsruhe auch zu der Vernetzung beigetragen. Wie geht es damit weiter?

Dietz:
Das Festival ist sehr gut angekommen, die Resonanz war klasse. Wir werden damit auch weitermachen, aktuell tüfteln wir noch am Format.

Und mit den CODE_n SPACES in Stuttgart geht es auch voran?

Dietz:
Die werden kräftig ausgebaut. Die beiden Bürogebäude (zeigt aus dem Fenster zu den Nachbargebäuden) haben wir gekauft und beziehen sie zeitnah mit in den Campus ein. Wir werden dann 15.000 Quadratmeter Fläche für Gründer und Entwicklungsteams etablierter Unternehmen haben.

Für diese Flächen kann man auch genügend Menschen begeistern? Selbst Stuttgart ist ja inzwischen nicht arm an derartigen Projekten.

Dietz:
Ich finde es sehr gut, dass auch Stuttgart in diesem Bereich vorankommt. Damit entsteht eine gute Schwungmasse, die Positives voranbringen kann. Und wir müssen ja nicht das machen, was alle machen. Vielleicht begeistern wir ja sogar Gründer aus Indien oder Afrika, hier bei uns etwas aufziehen. Ausgeschlossen ist das nicht, erste Gespräche gab es bereits. Man muss einfach offen sein, dann entstehen spannende, neue Sachen.

Danke für das Gespräch, Herr Dietz!

Ulrich Dietz, 59, hat Maschinenbau an den Hochschulen Reutlingen und Furtwangen studiert. 1987 kam der gebürtige Pforzheimer über das Engagement bei Steinbeis als Geschäftsführer zur neu gegründeten GFT. Familie Dietz hält heute 36 Prozent an dem Unternehmen.

Das Interview wurde im April 2017 geführt.

Übrigens: Weitere Interviews mit Persönlichen aus dem Wirtschaftsleben finden Sie im Bereich der Dossiers unter Econo-Interview.



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