Transformation sei Dank!

Marquardt erreicht im vergangenen Jahr trotz einbrechender Märkte ein kleines Umsatzplus. Chef Harald Marquardt hat dafür eine Erklärung – und in Sachen Corona eine klare Botschaft

 
Foto: Marquardt
 

Rietheim-Weilheim. Das Bild hat Symbolwirkung: Harald Marquardt, Vorsitzender der Geschäftsführung der Marquardt Gruppe, zeigt sich aktuell öffentlich demonstrativ mit Mundschutz. Damit ist klar, welchen Stellenwert der Schutz in Zeiten der Pandemie für ihn hat. Allerdings formuliert er auch eine deutliche Botschaft an die Politik: "Parallel zu den notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit braucht die Wirtschaft jetzt einen klar kommunizierten Corona-Exit-Plan."

Damit schaffe man laut Marquardt nicht nur eine psychologisch wichtige Orientierung, "Industrieunternehmen können so auch vorausplanen und ihre Produktion am Tag X wieder hochfahren". Dabei könne man von Ländern wie China oder Südkorea lernen – "wo zum Beispiel konsequent Gesichtsmasken getragen werden". Marquardt weiter: "Das Wirtschafts- und Erwerbsleben muss auch bei uns schon bald Schritt für Schritt reanimiert werden, damit die Existenz von Millionen Menschen nachhaltig gesichert wird."

Das eigene Unternehmen sieht Marquardt indes gut aufgestellt: "Für die Zeit nach der Pandemie sind wir sehr gut vorbereitet."

Die Aussage hat mit Selbstüberschätzung nichts zu tun, sondern vielmehr mit den Weichenstellungen, die lange vor der Pandemie, dafür vor dem Hintergrund der Transformation der Autoindustrie getätigt wurden. Oder wie es Marquardt ausdrückt: "Die besondere Herausforderung im Geschäftsjahr 2019 lag im zeitlichen Zusammentreffen des tiefgreifenden technologischen und kostenintensiven Strukturwandels in der Automobilbranche und einer Markteintrübung, wie wir sie seit der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht mehr erlebt haben."

Wenn der Marquardt-Chef im selben Atemzug den Mitarbeitern für den "hohen Einsatz" und die "große Veränderungsbereitschaft" dankt, dann hängt das natürlich mit den Auseinandersetzungen rund um mögliche Verlagerungen für Produktionsbereiche weg vom Stammsitz an ausländische Standorte im vergangenen Jahr zusammen. Denn diese Diskussionen wurden nur wenige Tage nach Eröffnung eines 30 Millionen Euro teuren Entwicklungs- und Innovationsszentrums für 600 Ingenieure geführt – was zu öffentlichen Irritationen geführt hat.

Wie wichtig diese Investition sowie die Eröffnung eines weiteren derartigen Zentrums im April 2020 in Indien mit Raum für 500 Ingenieure plus ein zweites Werk in China indes für die Zukunft der Gruppe ist, daran lässt Firmenchef Marquardt keinen Zweifel: Sie dienen alle der Transformation, die – vor Corona – immer stärker an Fahrt aufgenommen hat. So stiegen unter anderem die Nachfragen nach den selbst entwickelten Batteriemanagementsystemen für E-Fahrzeuge "überproportional an".

Parallel hat man bei der Gruppe ein eigenes "Democar" auf die Räder gestellt, in dem ausgewählten Kunden "neueste Bedienkonzepte und Lösungen für den digitalen Fahrzeuginnenraum der Zukunft" vorgestellt wurden – und zeigt, was man mit den zehn Prozent Aufwendungen für Forschung und Entwicklung gemessen am Umsatz alles anfangen kann. Dazu gehören Touchscreens mit Fühlhilfen oder auch funktionale Lichtleisten sowie diebstahlsichere Zugangssysteme über das Smartphone. Zudem hat man in Rietheim-Weilheim ein Projektionsmodul entwickelt, mit dem Bedienelemente situativ auf beliebige Oberflächen projeziert werden können.

Wobei der reale Einbau von derlei Systemen noch Zukunftsmusik ist. Zunächst gilt es für Marquardt, sich in der harten Wirklichkeit zu behaupten – was angesichts eines Produktionsrückgangs von Fahrzeugen weltweit von sechs Prozent überraschend gut gelungen ist: Der Umsatz der Gruppe wuchs um 1,1 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro. Zwar wurden damit die eigenen Ziele verfehlte, Harald Marquardt zeigte sich aber dennoch zufrieden, zumal man "früh begonnen habe, unser Unternehmen mit einem nachhaltigen Transformations- und Effizienprogramm für die Zukunft zu machen."

Dass es eine solche Zukunft jenseits von Mundschutz und Corona gibt, daran hat Marquardt keinerlei Zweifel.

Marquardt wurde 1925 gegründet und zählt heute nach eigenen Agaben zu den weltweit führenden Prozenten mechatronischen Schalt- und Bediensystemen – zu 80 Prozent werden die Lösungen in Fahrzeugen aller Art verbaut, aber auch in Haushaltsgeräten und Elektrowerkzeugen. Die Gruppe beschäftigt weltweit an 20 Standorten rund 10.500 Mitarbeiter.

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