Trump-Alarm in Tübingen und die Reaktion

Das Biopharma-Unternehmen Curevac findet sich im Zentrum eines wirtschaftspolitischen Krimis wieder – zu Unrecht? Aktuell gibt die EU 80 Millionen Euro für eine Corona-Impfstoff-Produktion

 
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Tübingen. In der Causa Curevac gibt es eine bemerkenswerte Entwicklung: Nur wenige Tage nach der umstrittenen Offerte aus dem USA (lesen Sie mehr darüber weiter unten) hat die EU Kommission dem Biotech-Unternehmen eine Förderung über 80 Millionen Euro angeboten. Darüber hat der Vorstand Ingmar Hoerr berichtet. Das Geld soll dafür verwendet werden, um neben der Forschung auch eine neue Produktionsanlage für einen Corona-Impfstoff aufzubauen. Dort sollen dann bis zu vier Milliarden Impfstoffdosen pro Jahr hergestellt werden können.

Wann ein Impfstoff indes einsatzbereit ist, darüber gibt es zwei Meinungen: Während man sich beim Unternehmen selbst dazu bedeckt hält, prescht Miteigentümer Dietmar Hopp (er soll über seine Beteiligungsgesellschaft 80 Prozent an dem Unternehmen halten) vor – und kündigte klinische Tests eines Impfstoffs bereits für den Frühsommer an, ab Herbst könnte dann eine Impfung vorliegen.

Es kommt nicht oft vor, dass Tübingen zum Zentrum der wirtschafts- und gesundheitspolitischen Aufmerksamkeit wird. Dass die Universitätsstadt vom Neckar zum Schauplatz eines Politikrimis wird, dessen Nebenschauplatz das Weiße Haus in Washington zu sein scheint. Wie konnte das passieren?

Die Schlagzeilen der nationalen Presse sind sich einig: US-Präsident Donald Trump habe versucht, Kontrolle über die Tübinger Firma Curevac zu gewinnen. Der Grund: Curevac entwickelt zurzeit einen Impfstoff gegen das Coronavirus. Trump habe nun einen Milliardenbetrag geboten, um den Curevac-Impfstoff exklusiv für den amerikanischen Markt zu gewinnen. Er habe Curevac übernehmen wollen, berichtete zunächst „Die Welt am Sonntag“, ehe andere Medien wie Spiegel, FAZ und Süddeutsche Zeitung nachzogen.

Curevac bestreitet dies. Es habe kein Kaufangebot aus den USA gegeben, teilt die Firma mit. Unbestritten ist hingegen: Curevac hat mit Trump gesprochen. Am 3. März hatte das Tübinger Startup eine Mitteilung veröffentlicht, in der genau das stand. Der damalige CEO Daniel Menichella habe mit dem amerikanischen Präsidenten und Mitgliedern seiner Corona-Taskforce „Entwicklungsmöglichkeiten eines Corona-Impfstoffes“ besprochen. Acht Tage später war Daniel Menichella seinen Job los.

Am 11. März nämlich verkündete Curevac, dass Menichella nicht länger Vorstandschef des Unternehmens sei. Warum? Dazu gibt es auch auf Nachfrage keine Details. Die Investoren des Unternehmens seien der Meinung gewesen, dass Firmengründer Ingmar Hörr die bessere Besetzung für die Spitze sei. Hörr wechselte also von der Spitze des Aufsichtsrats ins strategische Zentrum der Firma. Zu deren Investoren zählen neben dem deutschen Unternehmer und Mäzen Dietmar Hopp auch die Stiftung von Microsoft-Gründer Bill Gates und seiner Ehefrau Melinda.

Rund 400 Millionen Euro hat Curevac bis heute bei Investoren eingesammelt. Dietmar Hopp ist mit seiner Biotech-Holding Dievini Hauptinvestor. Hopp stand zuletzt aus andere Gründen im Licht der Öffentlichkeit: Der Protest von Ultra-Fans der Fußball-Bundesliga richtete sich zu großen Teilen an seine Person. Hopp ist Investor des Bundesligisten 1899 Hoffenheim. Der teilte auf seinem Twitter-Account denn auch die gute Nachricht, dass Hopp der Trump-Anfrage eine Absage erteilt habe. „Wenn es uns hoffentlich bald gelingt, einen wirksamen Impfstoff gegen das Corona-Virus zu entwickeln, soll dieser Menschen nicht nur regional sondern solidarisch auf der ganzen Welt erreichen, schützen und helfen können“, wird Hopp da zitiert.

Nur vier Tage nach der Mitteilung zum Wechsel im Vorstand schickt Curevac dann als Reaktion auf den Zeitungsbericht eine weitere Pressemitteilung raus. Am 15. März heißt es: Man arbeite an einem Corona-Impfstoff, wird dort bestätigt. Dass das Unternehmen oder seine Technologie verkauft würden, sei jedoch falsch. Vom heutigen Standpunkt scheint es aber wahrscheinlich, dass der geschasste CEO Menichella im Weißen Haus etwas gesagt hat, was Dietmar Hopp & Co. nicht gefallen hat.

Curevac entwickelt Impfstoffe nach einer neuen Methode. Bisher impft man, indem man eine abgeschwächte Form des Erregers injiziert. So lernt das Immunsystem, sich dagegen zu wehren. Curevac nutzt die mRNA-Methode. Die kann man so beschreiben, dass nicht der Erreger, sondern lediglich ein molekularer Bauplan des Erregers als Information an den Körper verabreicht wird. Im Labor muss so nicht mit Erregern hantiert werden. Das Prinzip habe sich bewehrt, heißt es aus Tübingen. Auch andere Firmen auf der Welt forschen in diese Richtung.

Ob und wann Curevac mit seinem Impfstoff tatsächlich am Ziel ankommt, ist offen. Das Unternehmen gibt sich optimistisch. Fakt ist aber: Man kann nicht einfach einen neuen Impfstoff entwickeln und ihn dann den Menschen verabreichen. Testphasen an Menschen müssen erfolgen, dann eine Zulassung. Für die aktuelle Corona-Krise könnte das schon zu spät sein. Aus Medizinerkreisen ist zu hören, dass der Curevac-Impfstoff frühestens in einem Jahr auf den Markt kommen könnte.

Update: Am Abend des 16. März hat Curevac erklärt, dass Ingmar Hörr aus gesundheitlichen Gründen nur vorübergehend nicht als Vorstandsvorsitzender agieren werde. Die Mitteilung lässt durchklingen, dass man von einer Rückkehr des Gründers in den Chefsessel ausgehe. Curevac betont dabei, dass die Ursache für die Auszeit nicht das Coronavirus sei.

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