Unternehmer fordern ein Bleiberecht

Die Initiative formuliert in Berlin konkrete Vorschläge in Richtung Politik: Integrierte Geflüchtete sollen bleiben dürfen – "wir brauchen dringend Fachkräfte, um unsere Wirtschaftskraft zu erhalten", so Vaude-Chefin Antje von Dewitz. Aktuell: Die Intitiative zerpflückt den Entwurf der Regierung

 
Foto: Initiative/Julius Michel
 

Tettnang/Berlin. Am kommenden Mittwoch, 19. Dezember, will das Kabinett der Bundesregierung über den Entwurf des Einwanderungsgesetzes beraten. Die Unternehmer-Initiative "Bleiberecht durch Arbeit" hat sich nach eigener Aussage "intensiv mit dem Entwurf befasst". Das Ergebnis: Man hält einen Großteil der aufgeführten Punkte für nicht praxistauglich.  

econo dokumentiert die Bedenken hier im Wortlaut:

"Hauptkritikpunkte von unserer Seite sind:

  • Im Entwurf gibt es keinen Lösungsansatz für Arbeitnehmer im Status der Gestattung. Diese machen in unserem Netzwerk jedoch die überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer aus. Es handelt sich hierbei vor allem um Menschen, die 2015 und 2016 nach Deutschland gekommen sind und deren Asylverfahren sich bis heute hinziehen. Für diesen Personenkreis müssen wir nach Beendigung des Asylverfahrens auch weiterhin akut mit Abschiebung rechnen. Ein Angebot zum direkten Übergang in eine Beschäftigungsduldung würde eine schnelle Entlastung der Gerichte und Sicherheit bei den Betroffenen Arbeitnehmern und Unternehmern schaffen.
  • Die Beschäftigungsduldung tritt erst 6 oder 12 Monaten nach Beantragung in Kraft. Laut Referentenentwurf soll die Zeit bis dorthin zur Abschiebung genutzt werden. Das ist keine Lösung, die uns hilft bewährte Mitarbeiter zu halten.
  • Ein Mitarbeiter muss bereits 18 Monate in Vollzeitarbeit sein. Diese Zeitspanne ist zu lang. 6 Monate sind aus unserer Sicht völlig ausreichend (übliche Probezeit), um beurteilen zu können, ob ein Arbeitnehmer geeignet ist langfristig für uns zu arbeiten.
  • Außerdem muss die Identität, je nach Status, mehrere Monate vorher eindeutig geklärt sein. Auch das, laut Referentenentwurf, mit dem Ziel, schnell abzuschieben. Viele Geflüchtete würden mit dieser Perspektive genau überlegen, ob sie bei der Identitätsfindung tatkräftig unterstützen, wenn sie direkt danach abgeschoben werden. Das Ziel Identitäten zu klären und die Gerichte zu entlasten würde damit nicht erreicht.
  • Die Identitätsklärung ist sehr kompliziert. Es ist nicht klar, was zählt (nur der Pass?) Die Duldung ist kein Aufenthaltstitel. Damit wäre es nicht möglich ins Heimatland zu reisen und den Pass zu beantragen, was in vielen Fällen die Identitätsklärung erleichtern würde.
  • Sofortmaßnahmen sind nicht erwähnt, aber dringend notwendig. Derzeit laufen Verfahren zur Abschiebung von Mitarbeitern unserer Mitglieder ohne nachvollzierbaren Grund für die Dringlichkeit. Wir fordern ein Stillhalten bis zur Klärung der zukünftigen Gesetzgebung für Flüchtlinge in Arbeit.
  • Personen aus Ländern, die im Nachhinein, zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden, würden einem kompletten Arbeitsverbot unterliegen. Diese könnte gerade in Baden Württembergviele Afrikanische Mitarbeiter betreffen obwohl sie schon mehrere Jahre in unseren Betrieben erfolgreich arbeiten.
  • Wenn ein Mitglied einer Familie die Kriterien (Deutschkenntnisse, Straffreiheit, Integrationsmaßnahmen, ...) nicht erfüllt, dann bekommt kein Mitglied der Familie die Beschäftigungsduldung. Das ist eine Form Sippenhaft!
  • Die ganze Formulierung in § 60 c Absatz 1 ist für uns Arbeitgeber nur sehr schwer verständlich und kompliziert. Daraus würde vermutlich auch ein entsprechend sperriger Umgang bei den Institutionen erfolgen.

Am 3.12.2018 hatten wir eine Telefonkonferenz mit Herrn Innenminister Strobl. Bei diesem Termin hatten wir Gelegenheit unsere Bedenken anzusprechen. Herr Strobl sicherte uns bei diesem Telefonat ausdrücklich zu, unsere Positionen zu unterstützen. Wir bedanken uns dafür und hoffen, dass er damit in der CDU Fraktion Erfolg hat.Des Weiteren verweisen wir auf unsere weitreichenden Lösungsvorschläge aus der Praxis. Diese sind nachzulesen in der Vorstellung unserer Unternehmer-Initiative (…)Wir möchte noch einmal festhalten, dass es uns primär um unsere bewährten Mitarbeiter geht. Viele von ihnen sind schon seit mehreren Jahren bei uns und leisten sehr gute Arbeit. Für die Geflüchteten, die straffällig geworden sind, nicht genügend Integrationswillen zeigen, die Sprache nicht lernen wollen und ihren Lebensunterhalt nicht selbst sicherstellen, setzen wir uns mit dieser Initiative nicht ein."

 

Am 16. November hat econo wie folgt berichtet:

Die Debatte um ein Zuwanderungsgesetz kommt nicht richtig in Gang, zugleich werden Geflüchtete immer wieder vom Arbeitsplatz weg abgeschoben. Für die Unternehmer-Initiative "Bleiberecht durch Arbeit" ein Unding, weshalb man in der Vertretung des Landes in Berlin klare Forderungen der Politik an die Hand gab: "Der Arbeitskräftemangel ist eines der größten Probleme, die Betriebe derzeit haben", formuliert es Gottfried Härle, Geschäftsführer der Brauerei Härle: "Ohne Menschen mit Migrationshintergrund könnten viele Betriebe und Einrichtungen dicht machen. Wir brauchen diese Menschen dringend, um unsere Wirtschaft und unseren Wohlstand zu sichern." 


Auch die Geschäftsführerin des Outdoor-Herstellers Vaude, Antje von Dewitz (ein Porträt finden Sie übrigens hier) hob hervor: "Integration funktioniert am besten über Arbeit, das zeigen unsere Erfahrungen. Zugleich brauchen wir in vielen Bereichen dringend Arbeitskräfte, um unsere Wirtschaftskraft zu erhalten und weiteres Wachstum zu ermöglichen." Durch die Integration wolle man auch einer weiteren Spaltung der Gesellschaft entgegenwirken. 

Die Initiative betonte in dem Gespräch, die Unternehmen seien der Aufforderung von Seiten der Politik zur Anstellung von Geflüchteten gefolgt. Viele dieser Mitarbeiter seien aber nun von Abschiebung bedroht, die "Investition" in die Mitarbeiter seien gefährdet. Für die Unternehmen wäre dies mit einem "großen wirtschaftlichen Schaden verbunden". Von Dewitz: "Eines der größten Probleme ist die Rechtsunsicherheit. Dies hat eine negative, ja lähmende Auswirkung in jeder Hinsicht." 

Allerdings fordern die Unternehmer in ihrer Initiative nicht einfach ein Bleiberecht. In ihren Forderungen in Richtung Bundesregierung schlagen sie vielmehr ein Stufenmodell in Sachen Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis vor, das unter anderem an Sprachzertifikate und Qualifizierung gekoppelt ist und Straffälligkeit nicht akzeptiert. Gottfried Härle: "Wir möchten dazu beitragen, dass es pragmatisch und sinnvolle Lösungen gibt." 

Die Unternehmer-Initiative umfasst aktuell nach eigenen Angaben 120 Firmen mit einem addierten Jahresumsatz von mehr als 50 Milliarden Euro und 550.000 Mitarbeitern – davon rund 2050 Geflüchtete.

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