Verdacht: Bilanzskandal bei Hymer

Der Primus unter den Reisemobilherstellern hat Unregelmäßigkeiten im Zahlenwerk eines wichtigen Absatzmarktes entdeckt und Manager suspendiert. Die Folgen des Verdachts sind äußert weitreichend vor allem für den Verkauf der Gruppe – der wurde aktuell vollzogen

 
Foto: Hymer
 

Bad Waldsee. Die Erwin Hymer-Gruppe und das US-Unternehmen Thor haben sich auf einem Kauf der Schwaben geeinigt. Das geht aus einem Bericht des "Handelsblatt" hervor. Allerdings musste Hymer unter anderem einem Abschlag von 170 Millionen Euro beim Kaufpreis hinnehmen. Zudem werden weniger Verbindlichkeiten übernommen – und am Nordamerika-Geschäft von Hymer besteht gar kein Interesse mehr. Hier gab es vor gut zwei Wochen den Verdacht der Bilanzmanipulation. Wie es mit dieser Tochter nun weitergeht, steht in den Sternen. Dabei hatte man bei der Übernahme vor gut zwei Jahre große Pläne: Die Kompetenz der Tochter sollte autonom fahrende Reisemobile ermöglichen. 

Vor gut zwei Wochen brach für die Gruppe aus Bad Waldsee eine Welt zusammen. Eigentlich könnte es für die Hymer Group richtig gut laufen. Der Markt der Reisemobile boomt und mit der Thor-Gruppe gab es nach langwieriger Suche seit dem vergangenen Herbst Verhandlungen mit einem potenten neuen Eigentümer – die nun auf einer neuen Grundlage zum Abschluss gebracht werden.

Auslöser dafür sind laut einer Mitteilung der Erwin Hymer Group die Geschäftsaktivitäten der Nordamerika-Tochter: "Erste Untersuchungen haben Unregelmäßigkeiten im Berichtswesen des Unternehmen ergeben." Generell fährt man bei Hymer nach eigener Aussage in Sachen Zahlen eine "Null-Toleranz-Politik", weshalb auch mehrere Manager suspendiert worden seien. Externe Wirtschaftsprüfer sollen demnach die Bücher nun im Detail prüfen.

Unbestätigten Meldungen des US-Onlinemagazins "RV Daily Report" zufolge könnten wohl gut 1700 Rechnungen mit einem Volumen in Höhe von mehr als 100 Millionen US-Dollar manipuliert worden sein. Laut einem Bericht des "Handelsblatts" (23. Januar 2019) sollen die Unregelmäßigkeiten die kanadische Tochter Roadtrek Motorhome betreffen, die erst vor zwei Jahren zu Hymer gekommen ist. Aktuell wird für das Nordamerika-Geschäft mit einem Umsatz von rund 300 Millionen Euro angegeben – das dürfte am Ende nach unten korrigiert werden.

Vor diesem Hintergrund spricht man bei Hymer davon, dass bei den Verhandlungen mit Thor nun eben das US-Geschäft ausgeklammert wird. Das schwächt naturgemäß die Position der Schwaben, während die US-Amerikaner auf den Abschluss des Deals drängen. Nach Angaben des "Handelsblatts" rechnen Insider mit einem Abschlag von 15 Prozent, den Thor durchsetzen will.

Platzen wird das Geschäft wohl nicht. Einerseits war man sich bei Hymer bewusst, dass die Aktivitäten in Nordamerika für Thor aufgrund deren Position wenig interessant sind. Andererseits ist die Marktmacht von Hymer in Europa eine Pfund. Am Ende entstünde mit der Unterschrift trotz der möglichen Unregelmäßigkeiten der weltweit führende Anbieter in Sachen Reisemobile.

Bislang ging man davon aus, dass Thor an Hymer rund zwei Milliarden als Kaufpreis überweisen wird, davon 200 Millionen in Form von Aktien. Die Familie Hymer sollte vier Prozent der Aktien an Thor erhalten. 

Die Hymer-Gruppe ist mit einem Marktanteil von 25 Prozent und einem (bislang so angesetzten) Umsatz von rund 2,5 Milliarden Euro Marktführer bei Reisemobilen in Europa. Zu dem Hymer-Marken zählen Bürstner, Dethleffs, Erika und Carado.

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