"Wir wollen jetzt den Markt erobern!"
Das Interesse an der neuen Wasserstoff-Initiative "H2-Regio" ist groß, denn der Wirtschaftspolitiker Claus Paal stellt fest: "Vollgas genügt nicht mehr." Deshalb bekommt die Branche der Zulieferer von den Initiatoren Frank Allmendinger und Christian Klaiber gleich Hausaufgaben
diwe
14.02.2020 | 15:15
Tuttlingen. Drei Mal musste das Team des Innovations- und Forschungs-Centrum Tuttlingen (IFC) der Hochschule Furtwangen (HFU) umplanen: die Liste der Teilnehmer am offiziellen Auftakt des neuen Wasserstoff-Netzwerks "H2 Regio" wurde stets länger. Und selbst im größten Raum des IFC mussten am Ende Interessierte stehen.
Damit ist klar: HFU-Professor Frank Allmendinger und Christian Klaiber von der Initiative Zukunftsmobilität treffen als treibende Kräfte hinter dem neuen Netzwerk den Nerv – immerhin haben sie sich nicht weniger als "die gemeinsame Gestaltung der Transformation der Zulieferindustrie" zwischen Freiburg und Ulm auf die Fahnen geschrieben. Dazu wird noch im Februar ein Verein gegründet, der das Ansinnen zusätzlich befeuern soll: "Wir schmieden eine Allianz der Willigen. Dabei laden wir alle ein mitzumachen, rennen aber niemandem hinterher", so Klaiber. Das klingt zwar zwar arrogant, verweist aber schlicht auf das hohe Tempo, mit dem Klaiber und Allmendinger unterwegs sind.
Für das Duo ist Wasserstoff der Schlüssel, um die Zulieferindustrie unabhängiger vom Verbrennungsmotor zu machen. Oder um es plakativ darzustellen: Benötigt ein Fahrzeug mit Verbrenner 1200 Teile, so sind es bei batterie-elektrischen 200, aber bei Fahrzeugen mit Brennstoffzelle immerhin 900.
Wobei Allmendinger betont, keine Antriebsart gegen eine andere ausspielen zu wollen. Vielmehr sollte jede ihre Stärke ausspielen können. Und obendrein ist für ihn der Reiz des Duos Wasserstoff und Brennstoffzelle längst nicht auf die Mobilität beschränkt, auch das Thema Energie gelte es zu bespielen, egal ob als Speichermedium oder Heizenergie. Ergo eine sehr breite Spielwiese!
Vor allem will das H2-Netzwerk aber eines erreichen: "Wir brauchen nicht noch ein Forschungsprojekt. Wir wollen den Markt erobern!", so Allmendinger. Und der Professor fordert noch mehr: "Wir brauchen eine andere Innovationskultur. Bislang haben die Automobilkonzerne den Zulieferern die Zeichnung für die benötigte Schraube gegeben. Das geht so nicht mehr." Die Zulieferer müssten sich ergo emanzipieren.
Um diesem Emanzipationsprozess die nötige Dynamik zu verleihen, gibt die Landesregierung auf Initiaitve des Landtagsabgeordneten Karl Rombach eine Förderung über 300.000 Euro zur Errichtung eines Demonstrators am IFC. Damit soll eine Brennstoffzelle samt Infrastruktur aufgebaut werden, an der konkrete Projekte angedockt werden können und die als Keimzelle für Innovationen rund um diese Zellen und die nötige Technologie drumherum dienen sollen.
Dabei beließen es Allmendinger und Klaiber aber nicht bei diesem (noch) theoretischen Demonstrator. Sie gaben den Zulieferern gleich noch eine Hausaufgabe mit: Die ausdauernde wie ausreichende Versorgung der Brennstoffzelle ist aktuell noch problematisch. Für eine Lösung könnte der Turbolader aus dem Verbrennungsmotor als Vorbild dienen – allerdings entsprechend modifiziert, was nicht travial ist, aber große Chancen bietet. Kein Wunder, dass hierüber im Anschluss bereits kräftig diskutiert wurde.
Der CDU-Abgeordnete Karl Rombach zeigte sich angesichts der Dynamik erfreut, immerhin hatte er im Sommer 2019 bei einem informellen Treffen auf seinem Bauernhof bei Schonach den Anstoß für das Netzwerk gegeben. Um seine Intension zu unterstreichen, nannte er den Zuhörern drei Zahlen: 12.000, 6000 und 2600. Es handelt sich um die Anzahl der Patente in den Ländern Südkorea, Japan und Deutschland rund um das Thema Wasserstoff. Rombach: "Diese Zahlen sind alarmierend und motivierend zugleich."
Der Justizminister und Wahlkreisabgeordnete Guido Wolf sah die 300.000 Euro Anschubfinanzierung als "Impuls, der eine enorme Entwicklung auslösen kann". Überhaupt war er sicher: "Hier passiert Zukunft, das ist spürbar!"
Ebenfalls wortreich lobte der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Claus Paal das H2-Netzwerk: Wasserstoff sei ein wichtiger Teil, um Antworten auf den Klimawandel zu liefern. Wobei er die Herausforderungen klar benannte: "Insgesamt sind wir hier viel zu langsam unterwegs, Vollgas genügt schon lange nicht mehr. Unser Anspruch muss es sein: Wir müssen als Land die Innovationsregion Nummer eins bleiben." Wie mehr als Vollgas gegeben werden sollte und wie man die genannten Ansprüche umsetzen kann, sagte er indes nicht.
Hier wären vielleicht die Ansichten der anwesenden Vertreter anderer politischer Parteien erhellend gewesen. Die kamen offiziell aber angesichts der CDU-Dominanz an diesem Nachmittag nicht zu Wort.